Die eine perfekte Linie an der mächtigen Felswand lässt dich nicht mehr los: kühnste Kletterei in herrlicher Exposition an kompaktem Fels. Doch wie jede alpine Klettertour erfordert sie im Vorhinein gute, sorgfältige Planung.
Eine durchdachte und realistische Tourenplanung ist essentieller Bestandteil jeder alpinen Tour. Sie gehört zu spärlich abgesicherten alpinen Klassikern genauso wie zu gut eingebohrten Mehrseillängentouren. Nur so können Alpintouren sicher gemeistert, Gefahren rechtzeitig erkannt und schwerwiegende Fehler vermieden werden.
Eine gute Tourenplanung setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen. In diesem Kapitel bringen wir sie dir Schritt für Schritt näher: von der Auswahl der Klettertour und dessen Schwierigkeitsgrad über den Wetter- und Gebietscheck, der Zeitplanung bis hin zur Interpretation eines Topos und dem richtigen Packen deines Kletterrucksackes.
Risikomanagement
Verhältnisse und Gelände
Ein Tourenziel wird anhand verschiedener Aspekte ausgewählt und geplant. Die eigenen klettertechnischen Fertigkeiten und die deines Seilpartners spielen dabei eine ebenso wichtige Rolle wie das Einschätzen der Verhältnisse, ausreichend Informationen, passende Zeitplanung und das richtige Material. Gute Planung und die Erfahrung potenzielle Gefahrenstellen zu erkennen, setzen so die Grundlage für Sicherheit.
Folgende zehn Schritte sind wichtige Anhaltspunkte, die du bei einer Tourenplanung beachten solltest. Natürlich sind sie nicht in Stein gemeißelt und müssen je nach Tour und Seilschaft ergänzt oder angepasst werden
1. Die richtige Seilschaft wählen
1. Die richtige Seilschaft wählen
Die Schwierigkeit der Tour wird anhand der schwächsten Person in der Seilschaft gewählt. Nur so kann eine alpine Kletterei sicher und im angedachten Zeitraum mit genügend Reserve gemeistert werden. Bist du in einer Dreierseilschaft unterwegs, kommen zusätzliche Aspekte der Tourenplanung hinzu: Durch Länge und Verlauf einer Tour sind nicht alle alpinen Routen optimal geeignet, um als Dreierseilschaft einzusteigen. Beispielsweise sind lange Quergänge wie der Nasenquergangs in der Totenkirchl Westwand (Wilder Kaiser) oder der 90 Meter lange, exponierte Quergang in der Ciavazes (Sellagruppe), keine idealen Voraussetzungen für eine Dreierseilschaft.
2. Das Wetter richtig einschätzen
2. Das Wetter richtig einschätzen
Beim Alpinklettern ist der Wettercheck von extremer Wichtigkeit. Soll am Klettertag ein Unwetter mit Temperatursturz aufziehen? Ist Niederschlag oder starker Wind angesagt? Auch das Datum des letzten Niederschlags kann ausschlaggebend sein: An nordseitigen Wänden oder in Kaminen/Verschneidungen bleibt der Fels häufig länger nass. Im Frühjahr kann zudem Schmelzwasser von oben in die Wand hineinlaufen, sodass der Fels über längere Zeit nicht trocknen kann.
Neben der Wetterprognose im Netz und der eigenen Wetterbeobachtung, sind Vertrauenspersonen wie ortsansässige Bergführer, Hüttenwirte oder einheimische Kletterer hilfreiche Anlaufstellen zur Informationsbeschaffung.
3. Auswahl des geeigneten Gebiets
3. Auswahl des geeigneten Gebiets
Abhängig von Verhältnissen und Wetter entscheidet sich die Seilschaft für ein geeignetes Gebiet und eine Tour. Die Anreise und die Fahrtdauer sowie die Dauer des Zu- und Abstieges gehören zur Planung. Bei unbekannten Gebieten ist es sinnvoll eine Alpenvereinskarte bzw. geeignete Karte der Region mitzunehmen.
BEACHTE: Je nach Gebiet herrschen unterschiedliche Gesteinsarten vor, die ausschlaggebend für die Art der Kletterei sind und damit neue Anforderungen mit sich bringen!
4. Route aussuchen und Informationen suchen
4. Route aussuchen und Informationen suchen
Die Auswahl einer passenden Route muss zu den eigenen klettertechnischen und mentalen Fertigkeiten sowie zu denen des Seilpartners passen. Nicht nur die Schwierigkeit, sondern auch die Ernsthaftigkeit sowie die gesamte Länge inklusive Zu- und Abstieg einer Tour müssen betrachtet werden.
Die Informationen zur Tour liefert ein Kletterführer. Er gibt Aufschluss über die Kletterschwierigkeit, den Verlauf der Tour, die Länge, die Ernsthaftigkeit (Absicherung) sowie über den Zu- und Abstieg. Zudem finden sich in Kletterführern Topos, die mit ihren standardisierten Symbolen wichtige Informationen zum Routenverlauf geben. Beide Kletterer in einer Seilschaft sollten in der Wand immer ein Topo griffbereit mitführen.
5. Weitere Informationsbeschaffung
5. Weitere Informationsbeschaffung
In der Regel findet die Seilschaft in der Führerliteratur alle wichtigen Infos zur Tour: von der Anfahrt, über den Zu- und Abstieg bis hin zur Beschreibung jeder Seillänge. Bei alten Kletterführern oder fehlenden Infos können Einheimische Kletterer oder Bergschulen wichtige Anlaufstellen sein. Auch gute Kletterforen können Hinweise zu aktuelle Verhältnissen liefern.
MERKE: Regionale Notrufnummer sollten immer im Handy gespeichert sein
6. Die richtige Zeitplanung
6. Die richtige Zeitplanung
Eine gute Zeitplanung der gesamten alpinen Unternehmung ist essentiell. Doch der in der Tourenplanung aufgestellte Zeitplan hilft nur, wenn im Vorhinein genügend Puffer eingeplant und die gesetzten Zwischenziele eingehalten werden. Im Notfall muss die Seilschaft rechtzeitig abbrechen und umkehren.
Folgende Faustregeln gelten:
Zustieg: 400 – 500 Höhenmeter pro Stunde
In der Ebene 5 Kilometer pro Stunde
Kletterzeit pro Seillänge 20 – 30 Minuten
Abseilen: 5-6 Seillängen pro Stunde
Abstieg: 600 Höhenmeter pro Stunde
7. Ausweichziel definieren und Rückzugsmöglichkeit festlegen
7. Ausweichziel definieren und Rückzugsmöglichkeit festlegen
Im Gebirge haben verschiedene Faktoren Einfluss darauf, ob die Seilschaft in eine Wand einsteigen kann oder nicht: Probleme bei der Wegfindung (Zustieg), nasser Fels oder Stau durch zu viele Seilschaften. Deswegen brauchen Alpinkletterer immer ein Ausweichziel!
Sinnvoll sind Alternativen, die leicht erreichbar und nicht schwieriger als die geplante Tour sind. In der Wand selbst muss eine Seilschaft ebenfalls einen Plan B in Petto haben. Es ist beruhigend, wenn im Notfall über die Route abgeseilt werden kann oder die Möglichkeit eines Abbruchs einkalkuliert wurde.
8. Materialcheck und Rucksack packen
8. Materialcheck und Rucksack packen
Nach einer guten Tourenplanung weiß die Seilschaft, was in den Rucksack gehört. Dabei gilt: Jeder Kletterer nimmt nur das mit, was unbedingt benötigt und sicherheitsrelevant ist. Wer über mehrere Stunden in einer alpinen Wand klettert, bewegt sich ohne zusätzlichen Ballast schneller und leichter.
Beim Rucksackpacken legt der Kletterer Wert auf eine optimale Lastenverteilung, damit der Schwerpunkt des Rucksackes nah am Körper ist.
Ausrüstungskontrolle: Jeder kontrolliert sich selbst sowie den Partner auf Vollständigkeit der Ausrüstung.
9. Tourenziel einer dritten Person mitteilen
9. Tourenziel einer dritten Person mitteilen
Wird eine Person oder Seilschaft vermisst, ist es sehr hilfreich, wenn bekannt ist in welcher Route die Vermissten unterwegs waren. In manchen alpinen Hütten werden die Kletterer und Bergsteiger am Vorabend zum Gipfelziel befragt.
10. Abgleich der Planung mit realen Bedingungen
10. Abgleich der Planung mit realen Bedingungen
Bereits deutlich vor dem Einstieg verschafft sich die Seilschaft einen Überblick über den Routenverlauf. Nur aus der Distanz können der Verlauf und der Einstieg in die Wand erkannt werden. Direkt vor der Wand besitzt man keinen Überblick mehr! Zudem werden Wetter und Verhältnisse vor Ort überprüft: Inwiefern hat sich das Wetter trotz guter Prognose verändert? Wie ist der Routenzustand? Aufgrund vorgefundener Verhältnisse muss eine Seilschaft flexibel entscheiden und reagieren können. Man spricht von einer rollenden Planung.
Bergwetter
Zentraler Bestandteil der Tourenplanung
Das Wetter ist ein extrem wichtiger Faktor einer jeden Berg- und Klettertour, vor allem, wenn es um die Sicherheit geht. Daher spielt die Wetterprognose bereits bei der Tourenplanung eine entscheidende Rolle. Aber auch die eigenen Wetterbeobachtungen sind entscheidend, um Gewitter rechtzeitig zu erkennen und entsprechend frühzeitig passende Entscheidungen zu treffen.
Klettertopo
Lesen und interpretieren
Wer in alpine Wände einsteigt, braucht möglichst detaillierte Informationen über Fels und Route. All das liefert ein Topo: Es ist die grafische Darstellung einer Kletterroute und wird meist aus dem Kletterführer oder bestimmten Websites entnommen. Der Vorsteiger hat das Topo in der Wand immer griffbereit.
Um Felsinformationen wiederzugeben, werden in einem Topo – ähnlich wie bei einer Landkarte – Symbole verwendet. Anhand dieser standardisierten Symbole, der Kletterrichtung, der Länge jeder Seillänge sowie der Anzahl und Art der eingetragenen Sicherungspunkte kann sich der Kletterer orientieren. Zusätzlich sind der logische Routenverlauf, die Gesteinsqualität sowie Spuren im Fels Indizien, die bei der Orientierung helfen.
Kletterskalen
Schwierigkeit und Ernsthaftigkeit einer Tour
Eine Schwierigkeitsskala beschreibt die Schwierigkeit von (Sport) Kletter-, Boulder-, Eis- oder Mixed-Routen. Beim Alpinklettern ergibt sich die allgemeine Schwierigkeit aus der schwierigsten Seillänge der gesamten Tour. Dabei gibt es je nach Gebiet und Land beim Klettern verschiedene Bewertungsskalen. Am verbreitetsten im Alpenraum sind die UIAA-Skala sowie die französische Skala.
Im Gegensatz zum Sportklettern ist es beim Alpinklettern nicht die Schwierigkeit allein, die die Route ausmacht. Derselbe Kletterer kann eine gut gesicherte Tour im sechsten Grad ohne Probleme klettern, während er im kaum abgesicherten, ausgesetzten alpinen vierer nicht zurechtkommt. Deshalb kommen beim Alpinklettern Ernsthaftigkeitsbewertungen hinzu, wie zum Beispiel die E-Skala. Sie beschreibt nicht die klettertechnische Schwierigkeit, sondern die Absicherung, das Risiko eines Unfalls und die psychischen Anforderungen.
Schwierigkeit einer Route
Vorab muss gesagt werden: Die Schwierigkeitsbewertung einer Route ist immer subjektiv. Zudem existieren von Land zu Land, genauso wie von Gebiet zu Gebiet Unterschiede in der Bewertung. Ist ein Ort unbekannt, sollte man Reserven einkalkulieren.
ES GILT: Die Schwierigkeitsbewertung in der Halle lässt sich keineswegs auf Routen im alpinen Gelände übertragen. Daher: Langsam beginnen!
Ernsthaftigkeit einer Route
Die E-Skala soll die Ernsthaftigkeit einer Route wiedergeben. Anzahl, Qualität und Abstand der Zwischensicherungen sowie Felsqualität und Abgeschiedenheit der Route fließen hier mit ein.
Berwertung
Erklärung
E1
“Eingebohrte, sportkletterähnlich abgesicherte Route: geringe Hakenabstände”
S“=Sportkletterniveau;”
R
” = sehr gering, kaum obj. Gefahren oder Stürze mit ernsten Verletzungen möglich; ”
P“= sehr gerng”
E2
“Überdurchschnittlich gut abgesicherte Route: gutes Material vorhanden, nur wenig eigene Absicherung nötig, z.T. größere Hakenabstände”
S” = Grundlagen mobiler Sicherung; ”
R
” = geringe, gefährliche Stürze teilweise möglich aber unwahrscheinlich, kaum objektive Gefahren; ”
P “= gering”
E3
“Durchschnittlich abgesicherte Route: zusätzliche Absicherung ist nötig, noch relativ einfach”
S” = durchschnittliches Können mit Fixpunktschaffen; ”
R
” = gefährliche Stürze lassen sich mit eigener Absicherung weitgehend vermeiden, geringe objektive Gefahren; ”
P “= mittel”
E4
“Alpine, schlecht abgesicherte Route: für Absicherung muss selbst gesorgt werden, auch an schwierigen Stellen”
S” = sicherer Umgang mit mobilen Sicherungsmitteln; ”
R
” = mit konse- quenter Sicherungstechnik gefährliche Stürze weitgehend vermeidbar, runouts in leichtem Gelände, evtl. objektive Gefahren oder schwierige Rückzugsmöglichkeiten; ”
P “= mittel-hoch”
E5
“Schlecht abzusichernde Route: die Route ist schlecht abgesichert und kann auch stellenweise nicht oder nur schwierig abgesichert werden – lange runouts müssen bewältigt werden”
S” = sicherer Umgang mit allen Sicherungsmitteln; ”
R
” = auch in schwierigen Passagen sind Stürze gefährlich; ”
P “= hoch”
E6
“Sehr ernste Route: bei der längere Passagen auch in den schwierigen Seillängen nicht abgesichert werden können. An den kritischen Stellen werden Stürze fatale Folgen haben.”
S” = perfekter Umgang mit allen – auch exotischen – Sicherungsmitteln; ”
R
” = gefährliche Route mit sehr hohem Unfallrisiko; ”
P “= sehr hoch”
S
>
“Wie gut muss der Begeher mit (welchen) Sicherungsmitteln umgehen können?”
R
>
“Wie hoch ist das Risiko eines Unfalls oder einer Verletzung (vor allem, wenn man sich überschätzt hat?)”
P
>
“Welche Anforderungen werden an die Psyche bzw. an die mentalen Fähigkeiten eines Begehers gestellt?”
Den Kletterrucksack richtig packen
Alpinkletterer sind leicht unterwegs. Ob beim Zustieg oder in der Wand: Für maximale Bewegungsfreiheit wird nur das Material mitgenommen, was wirklich benötigt wird. So darf bereits beim Rucksackpacken auf jedes Gramm geachtet werden. Dabei sollte der Rucksack clever gepackt werden und optimal sitzen
Rucksack packen
Deckelbereich: Kleinigkeiten wie Handy, Nüsse oder der Kletterführer sind im Deckelfach gut aufgehoben und schnell erreichbar.
Rückenbereich: Schweres Material wie Exen, Klemmgeräte oder anderes Klettermaterial liegen möglichst nahe am Körper ohne, dass die Metallteile in den Rücken drücken können (quer hineinlegen). So wird die Last über den Hüftgurt optimal auf das Becken übertragen. Gleichzeitig sollte das schwere Material nicht zu weit oben liegen, weil der Rucksack sonst zu schwanken beginnt.
Frontbereich: Mittelschweres Gepäck wie Kleidung kann nach außen oben. Gurt und Schlingen finden außen unten Platz.
Bodenbereich: Leichtes Material wie Biwaksack, erste Hilfe oder die Hardshell liegen unten. Dank eines umlaufenden Reißverschlusses ist es schnell erreichbar.
Zum Schluss können wir das Seil von oben in den Rucksack drücken oder mit Seilfixierung unter dem Deckel befestigen (zwischen Bereich 1 und 2/3). Der Helm wird entweder auf das Seil in den Rucksack gelegt oder kommt bei einer Seilfixierung unter das Seil als letztes in den Rucksack.
Check deine Ausrüstungsliste
Alles dabei? Welches Material die Seilschaft für die Tour braucht, sollte aus der Führungsliteratur entnommen und mit der folgenden AUSRÜSTUNGSLISTE abgeglichen werden.
Rucksack richtig einstellen
Je besser ein Rucksack an die individuelle Passform des Kletterers angepasst ist, desto leichter trägt er sich und kann ausreichend Bewegungsfreiheit am Fels geben.
In folgenden fünf Schritten stellst du den Kletterrucksack optimal ein:
Schritt 1: Alle Schnallen öffnen und Riemen lockern
Das beinhaltet die Schulterträger, Lastenkontrollriemen sowie Hüft- und Brustgurt
Schritt 2: Hüftflosse platzieren
Auf der Hüfte liegen 2/3 des Rucksackgewichts. Deswegen ist die richtige Position des Hüftgurtes ausschlaggebend:
Rucksack aufsetzen
Beide Hüftflossen mittig über die Hüftknochen platzieren
Schnalle schließen und Gurt straffziehen
Schritt 3: Schulterträger festziehen
Die Schulterträger sollen mittig an den Schulterblättern anliegen. Beim Anziehen nicht zu stramm einstellen, da die Hauptlast auf der Hüfte liegt. Die Schultern sollen 20 bis 30 Prozent der Last tragen.
Schritt 4: Lastenkontrollriemen abziehen
Mit den Lastenkontrollriemen kann die Lage des Rucksackes verstellt werden. Bei schwierigem Gelände werden die Riemen eng angezogen. So sitzt der Rucksack nah am Körper und schaukelt nicht.
Schritt 5: Brustgurt schließen und anpassen
Damit die Schulterträger nicht rutschen, wird der Brustgurt geschlossen. Dieser wird nur leicht zugezogen und in einer bequemen Höhe platziert.