Wie kann man Outdoor-Kleidung nachhaltiger produzieren? Der schwedische Hersteller Tierra setzt auf Schafwolle als Isolationsmaterial und Polyester, das aus Mais gewonnen wird.
Bislang werden vor allem Daunen und Kunstfasern als Isolation für Outdoor-Kleidung verwendet. Tierra hat für die neue Belay-Serie nach einer Alternative gesucht. Die Schweden haben dabei ein Material wiederentdeckt, dass man seit Jahrhunderten kennt: die klassische Schafwolle.
Warum Schafwolle?
Der großer Vorteil von Schafwolle: Sie ist ein nachwachsender Rohstoff und praktisch übrig. Bei der Schafzucht geht es in erster Linie um Fleischproduktion. Das Leder mit Fell ist ein kleiner Zuverdienst für die Züchter. Die reine Schurwolle hingegen ist so gut wie immer Abfall, weil einfache Schafwolle auf dem Weltmarkt nicht gefragt ist.
Die Kollektion bei Globetrotter
Abgesehen von der feinen Merinowolle, empfinden die meisten Menschen Schafwolle als zu kratzig, um sie direkt auf der Haut zu tragen. Von den 1200 Tonnen Wolle, die in Schweden pro Jahr produziert werden, werden zwei Drittel auf dem Feld untergepflügt oder verbrannt. »Das ist schade, denn Wolle ist ein hochwertiges Rohmaterial, das nicht erst noch ressourcenverbrauchend produziert werden muss«, sagt Erik Blomberg, Produktentwickler bei Tierra.
Außerdem ist Wolle ein mehr als konkurrenzfähiges Isolationsmaterial, wie Erik erklärt: » Das Gewichts-Wärme-Verhältnis und die Kompressionsfähigkeit von Wolle und Kunstfaser sind sehr ähnlich. Nur Daunen sind da etwas besser. Beim Körperklima aber liegt die Wolle sogar vorne. Sie transportiert Feuchtigkeit besser und man überhitzt nicht so schnell wie mit Kunstfaser. Gleichzeitig ist Wolle weniger nässeempfindlich als Daune.«
Wolle aus Gotland
Die passende Wolle fand Tierra beim Schafzüchter Johan auf der schwedischen Ferieninsel Gotland. Johan bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau einen Bauernhof mit über 100 Hektar Weideland. Er hat den Hof 2006 von seinem Vater übernommen, der schon 1995 den Betrieb auf organische Landwirtschaft umstellt hatte. Grüne Weiden, viel Auslauf – als Schaf will man wohl hier aufwachsen. Johann achtet darauf, dass die Lämmer erst im Juni geboren werden. Dann sind die Temperaturen bereits so warm, dass die Jungtiere schnell mit auf die Weide dürfen und nicht viel Zeit im Stall fristen.
Früher wusste Johann nicht wohin mit der Wolle und hat seine Schafe nur einmal im Jahr geschoren – vor allem aus hygienischen Gründen kurz vor der Geburt der neuen Lämmer. Seit seine Wolle aber von Firmen wie Tierra gefragt ist, schert er seine Herde zwei Mal im Jahr. So kann die Wolle einfacher weiterverarbeitet werden, weil sie in den kürzeren Abständen weniger Schmutz ansammelt und weniger verfilzt.
Eine Waschstraße in der Scheune
Die Rohwolle ist noch zu fettig für eine Weiterverarbeitung und wird zunächst ein paar Kilometer weiter bei Ullkontoret sortiert, gewaschen und getrocknet. Die Besitzer Hans und Janne sind eher zufällig im Woll-Wasch-Business gelandet. Das Architektenpaar hat früher mit natürlichen Baumaterialien wie Lehm und Ton gearbeitet. Als sie nach Gotland zogen, erkannten sie, dass es hier sehr viele Schafe gibt, aber keine Verwendung für die Wolle. Weil sie Wolle als natürliches Dämmmaterial verwenden wollten, suchten sie nach einer Möglichkeit, die Wolle vorher zu reinigen. In Spanien fanden sie eine gebrauchte Anlage, demontierten sie, verschifften sie nach Schweden – und seither steht in ihrer Scheune die größte Wollwaschstraße Skandinaviens.
Bei Ullkontoret wird die Wolle zunächst nach Qualität und Farbe sortiert und von groben Verschmutzungen durch Pflanzen und Gräser befreit. Dann ziehen große Kämme die Wolle vollautomatisch durch mehrere große Wasserbecken, ehe sie in einem großen rotierenden Tunnel mit warmer Luft getrocknet wird. Ganz am Ende wird die Wolle zu großen Ballen verpackt.
Polyester aus Mais
Damit die Wolle später in der Kleidung in Position bleibt und nicht während des Tragens oder bei der Wäsche zusammensackt, muss sie noch zu Paddings verarbeitet werden. Das passiert bei einer deutschen Firma in Mittelfranken. Dafür werden die Wollfasern mit einem Polyester stabilisiert, dass aus Mais gewonnen wird und, wenn es irgendwann mal auf dem Müll landen sollte, selbständig verrottet.
Nicht nur bei der Isolation hat sich Tierra Gedanken über Nachhaltigkeit gemacht. »Als wir die Belay-Kollektion konzipiert haben, wollten wir so viel wie möglich auf erneuerbare Materialien setzen«, sagt Erik Blomberg. Auch der Außenstoff der Belay-Kleidung ist zu 30 Prozent aus nicht-fossilen Rohstoffen gefertigt. Zusammen mit einem japanischen Zulieferer hat Tierra ein leichtes und haltbares Ripstop-Polyester entwickelt, das ebenfalls zum Teil aus Abfallprodukten der Zuckerproduktion gewonnen wird. Bis 2023 soll dieser Anteil bei 100 Prozent liegen.
All diese Materialien zusammen ergeben eine Kollektion leichter Isolationsbekleidung im schlichten skandinavischen Design, die nicht nur in Stadt sondern auch unter widrigen Umständen beim Bergsteigen oder Skifahren funktionieren.