- „Nach Botswana könnten wir auch irgendwann als 3-Wochenurlaub“
- „Und durch Europa können wir auch reisen, wenn wir alt sind oder Kinder haben“
- „Alaska mit einem Campervan dauert auf jeden Fall zu lange um es in einen normalen Urlaub zu packen und wenn wir alt sind, dann ist uns das vielleicht zu unbequem“
So landet Alaska auf der Prio-1-Liste, Botswana und die Europa-Ziele müssen in Kategorie 2 weichen. Langsam neigt sich die Flasche Wein dem Ende zu und damit auch unsere Routenplanung. Nun geht es an die Umsetzung. Denn nach ein paar Jahren Berufsleben steht für uns fest: Nur dreiwöchige Urlaube und dann zurück ins Büro reichen uns nicht, um unsere Reiseträume und persönlichen Lebensziele zu verwirklichen. Denn davon haben wir eine ganze Menge! Und so kündigten wir Jobs und Wohnung um genau diese Träume zu verwirklich.
Doch wie plant man eigentlich solch eine Reise? Ganz einfach: Am besten so wenig wie möglich. Wir haben uns natürlich vorab um grundlegende Dinge wie Impfungen, Auslandskrankenversicherung, etc. gekümmert, aber die Reiseroutenplanung bestand lediglich darin, dass wir bei einer guten Flasche Wein grob ein paar Wunschziele aufgeschrieben und priorisiert hatten. Damit war der hochanalytische Part dann auch abgeschlossen. In unserer mehr als zweijährigen Auszeit haben wir uns stets Treiben lassen und nur das Nötigste geplant.
Der Traum vom Vanlife und die Realität
Dementsprechend unvorbereitet starten wir in unser erstes Abenteuer: Jeden Morgen mit traumhafter Bergkulisse aufwachen, in glasklaren Flüssen und Seen baden, den Bären beim Lachs angeln zuschauen und abends vorm Bulli am Lagerfeuer Stockbrot machen. So oder so ähnlich war wohl das Bild, das wir im Kopf hatten, als wir uns zu unserem ersten Reiseziel aufmachen:
Alaska. Dort wollten wir einen Campervan kaufen, um Natur und Vanlife zu genießen.
Was uns zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusst ist: wie viel Glück wir haben! Denn tatsächlich melden wir schon nach wenigen Tagen in Alaska beim Department of Motor Vehicles einen blauen VW-Bulli auf uns an. In vielen anderen US-Staaten wäre das als ausländischer Tourist nicht so leicht möglich gewesen. Vier Tage nach dem Kauf ist es soweit: Bulli Bärtha – benannt nach dem Bären auf dem Nummernschild – ist fertig und wir können ins Abenteuer starten. Die erst gegen Mitternacht untergehende Sommersonne Alaskas hat uns beim schnellen Umbau sehr in die Karten gespielt.
Für uns geht es die kommenden Wochen durch die Wildnis von Alaska und Kanada, danach weiter im Zickzack-Kurs durch den Westen der USA. Vor allem im Nordwesten der USA und Kanada kommt die Realität beim Vanlife-Alltag dem Traumbild schon sehr nah. Wir campen an wilden Flüssen, tiefblauen Seen, rötlichen Canyons und manchmal sogar am Strand. Bis Bulli Bärtha nach 20.000 Kilometern plötzlich keine Lust mehr hat und uns ohne Vorwarnung in Texas im Stich lässt. Wirtschaftlicher Totalschaden. Irgendwo im Nirgendwo. Für kurze Zeit scheint Bärtha verloren. Doch als keine Werkstatt mehr Rat weiß, passiert eine fast schon schicksalhafte Begegnung: Kfz-Mechaniker und Ex-Knacki Elias bringt unser fahrendes Zuhause im Tausch gegen ein Sixpack Bier wieder auf Vordermann. Auch das ist eine Erfahrung, die wir auf unserer Reise gemacht haben: Irgendwie geht es immer weiter – oft ist es die Begegnung mit anderen Menschen, die das Blatt wieder wendet.
Und so nimmt der Traum von Vanlife seinen Lauf – und zwar in Mexiko. Das Land, vor dem wir in den letzten Monaten in den USA immer wieder gewarnt worden sind. Doch vor Ort ist alles anders: Statt Drogenkrieg und Bandenmorden erleben wir freundliche Menschen, bunte Kolonialstädte, blaue wie pinke Flüsse und helfen beim Schutz von Meeresschildkröten. Die gelten nämlich leider noch immer als Delikatesse, sodass ihre Eier auch nachts vor menschlichen wie tierischen Nestplünderern geschützt werden müssen. Und auch für uns wird es das erste Mal gefährlich. Im Bundesstaat Chiapas werden wir das erste Mal mit den Gefahren Mexikos konfrontiert: Illegale Straßensperrungen von Zapatisten und Geschichten von getöteten Touristen auf der Ruta 199 sorgen für Nervenkitzel im sonst so entspannten Bulli-Leben. Doch wie so oft erweist sich alles vor Ort als halb so wild.
Gegen Zahlung von umgerechnet 5 Euro wird für uns das Nagelbrett von der Straße gezogen und wir dürfen unbehelligt passieren.
Bye Bye Bulli Bärtha
Weiter südlich geht es in Guatemala allerdings turbulent weiter. Als Bulli Bärtha aufgrund einer Formalie zunächst nicht ins Land gelassen werden soll, hilft uns mal wieder der Zufall: Schichtwechsel. Der neue Beamte ist gnädiger und so schafft unsere Bärtha die Einreise doch noch. Doch die nächste Herausforderung wartet schon: Als Peter auf einer Buckelpiste einen Stein übersieht, platzt nicht nur der Reifen, sondern auch der Boden der Ölwanne auf. Gezwungenermaßen campen wir am Straßenrand, bis endlich ein Abschleppdienst aufgetrieben werden kann. Doch in der Werkstatt angekommen, sieht es nicht gut aus. Egal wie sehr die Schweißer sich bemühen: Es tropft weiterhin Öl…
Drei Tage später gelingt überraschenderweise doch noch die Rettung und es kann endlich weitergehen zu den Highlights Guatemalas: den aktiven Vulkanen, denen wir nach einer anstrengenden Gipfelwanderung auf fast 4000 Metern nachts und bei Minusgraden beim Lavaspucken zuschauen.
Absoluter Wahnsinn! Wir sind so begeistert, dass noch einige Vulkane folgen.
In El Salvador stellt sich allerdings das erste Mal ein Gefühl von Angst ein. Im Land sind noch viele Schusswaffen im Umlauf und die Erzählungen von bewaffneten Überfällen wollen nicht aufhören. Und so ist die Wanderung auf den Vulkan Santa Ana nur mit bewaffneter Polizeieskorte möglich. Auch Wildcamping ist in Zentralamerika nicht mehr in dem Ausmaß möglich, wie wir es noch aus Nordamerika im Kopf haben und so campen wir inzwischen meist im Garten von Hostels oder auf bewachten Hotelparkplätzen. Spätestens in Nicaragua bleibt uns nicht mehr viel Zeit unser Vanlife zu genießen, denn es haben sich Kaufinteressenten gefunden. Bulli Bärtha fährt schon bald unter englischer Flagge weiter. Tränenreiche übergeben wir Bärtha an der Grenze zwischen Honduras und Guatemala an ihre neuen Besitzer.
Aloha Hawaii! – Unterwegs mit Zelt und Fahrrad
Auf Hawaii geht es dann nur noch auf zwei Rädern weiter: Statt eines Campervans kaufen wir in Honolulu zwei Fahrräder, mit denen wir die Inselgruppe im Pazifik erkunden. Auch mit hilfsbereiten Einheimischen machen wir auf Hawaii wieder Bekanntschaft. Chris aus Waikiki hilft, wo er nur kann. Nicht nur bietet er uns an, dass wir unsere diversen Päckchen mit Ausrüstung für die Bikepacking-Tour an ihn senden lassen dürfen, sondern er lagert spontan während unserer Fahrradtour auch unser überschüssiges Gepäck bei sich ein.
Doch Hawaii ist nicht nur das sorgenfreie Paradies: Fünf Mal so viele Autos wie in Deutschland kommen hier auf einen Kilometer Straße.
Dementsprechend staut sich der Verkehr. Radwege sind eher die Ausnahme und die Akzeptanz für Radfahrer eher gering. So werden wir nicht nur einmal beim Überholen mit statt mit „Aloha“ mit einem freundlichen „Get off the road“ gegrüßt. Doch wir nehmen es gelassen. Die Zeltplätze auf Hawaii entschädigen jedoch für jegliche Strapazen auf der Straße! Nur einmal müssen wir auf den Meerblick direkt aus dem Schlafsack verzichten – und bekommen stattdessen Blick auf die sattgrüne Bergkulisse von Oah’u – Jurassic Park Feeling inklusive.
Vom Tellerwäscher zum Supermodel
Drei hawaiianische Inseln später zieht es uns tiefer in die polynesische Südsee zu einem weiteren Sehnsuchtsziel. Auf Samoa haben wir mithilfe der Plattform Workaway ein Öko-Ressort gefunden, in dem wir einen Monat lang helfen wollen. Kost und Logis gegen ein paar Stunden tägliche Arbeit lautet die Vereinbarung. Die Projekte klingen super und reichen von Korallen pflanzen bis zum Aufbau von nachhaltigem Ökotourismus. Doch vor Ort ist alles anders: Der Traumstrand ist zwar wirklich einer der schönsten dieser Erde, doch in der Realität beschränken sich unsere Aufgaben auf Rezeptionsarbeit und Cocktails mixen.
Das Ressort ist so weit ab vom Schuss, dass Ausflüge fast unmöglich sind, die Regenzeit bleibt länger als gedacht und die Stimmung unter der cholerischen Chefin könnte auch besser sein. Doch unverhofft naht Rettung aus der Langeweile: Eine neuseeländische Agentur sucht Palangis – so nennt man hier „die Weißen“ – für eine Werbekampagne, um Samoa als Urlaubsziel zu promoten. Nur wenige Tage später starten wir spontan in eine einwöchige Modellkarriere und lernen die schönsten Spots des Landes und Einwohner kennen, die das bisherige einseitige Bild um 180 Grad zum Guten drehen. So lernen wir Samoa doch noch als das Südseeparadies kennen, das es ist.
Vanlife Reloaded in Südamerika
Nach einem Zwischenstopp in der Heimat geht uns der Gedanke an das einst so entspannte Vanlife nicht mehr aus dem Kopf. Und wenn wir unsere einstige Prioritätenliste anschauen, ist noch Südamerika als Reisewunsch offen.
Somit geht es für uns nur wenige Wochen später nach Kolumbien, wo wir bereits aus der Ferne spontan wieder ein Auto gekauft haben.
Diesmal keinen Bulli, sondern ein umgebauter Geländewagen mit dem für Südamerika so wichtigen Allradantrieb. Weniger komfortabel, aber dafür mehr Möglichkeiten, um abgeschiedene Ort zu erkunden und in der Wildnis zu campen.
Und wild geht es auch zu. Kurz bevor wir starten, titeln die Zeitungen „Kolumbien – Der Krieg ist zurück“
In Ecuador wird gewaltsam mit brennenden Straßenblockaden gegen steigende Spritpreise demonstriert, in Chile sind es die die erhöhten Nahverkehrspreise, die die Leute auf die Straße holen. Und auch in Bolivien herrschen wegen Wahlbetrugs zwischenzeitlich bürgerkriegsähnliche Zustände. Doch irgendwie ist das Schicksal trotz allem für unsere Reise: Jedes Mal beruhigt sich kurz vor unserer Einreise ins nächste Land die jeweilige Situation. Dafür zickt das neue Auto ständig herum und verdient sich irgendwann seinen Namen: „Angustia“, was so viel bedeutet wie „Ärger“ oder „Seelenqual“ auf Spanisch. Es ist ein einziges Auf und Ab der Gefühle in Peru: Wildcampen in traumhafter Kulisse, dann wieder Buckelpisten, auf denen wir ständig mit mechanischen Problemen teilweise vier Tage am Stück außerhalb jeglicher Zivilisation unterwegs sind. Doch dann findet ein Mechaniker endlich die Ursache für Angustias Verhalten und wir können die restliche Zeit im Land der Inka genießen. Denn Peru hat einiges zu bieten: Amazonas-Abenteuer mit dem Kanu, 5000er Besteigungen über Schnee und Eis, Strände, Sanddünen und Wüsten und natürlich die verlorene Stadt Machu Picchu – die Landschaften und Sehenswürdigkeiten auf unserer Reise könnte kaum abwechslungsreicher sein!
Doch erleben wir nicht nur tolle Landschaften, sondern in manchen Regionen auch bittere Armut. Und Gefahr – nicht zuletzt durch die halsbrecherische Fahrweise im Straßenverkehr. Rote Ampeln scheinen nicht überall die gleiche Bedeutung zu haben wie daheim und schlecht einsehbare Serpentinen sind für viele der perfekte Ort zum Überholen. Nicht nur einmal entkommen wir nur haarscharf einem Geisterfahrer-Lastwagen auf unserer Spur. Auch in Bolivien, das sich gerade erst wieder politisch beruhigt hat, werden wir in der Salzwüste und in den Anden immer wieder mit herausfordernden Situationen konfrontiert. Zum Beispiel als auf 4800 Metern Höhe der Motor ohne Vorwarnung nicht mehr anspringt, während unsere Essensvorräte knapp werden. Doch irgendwie findet sich immer eine Lösung: in dem Fall das Festdrehen einer Schraube an der Zündspule. Und so geht es nach einer schlaflosen Nacht in den Bergen doch wieder weiter.
Erst in Chile nimmt der Abenteuerfaktor wieder ab und die Entspannung beim Vanlife mitten in der Natur zu. Es geht für uns weiter durch die beeindruckenden Landschaften im Norden Argentiniens, durch Paraguay und schließlich nach Brasilien. Denn Inzwischen haben wir ein Ziel auserkoren: Und das lautet nicht wie bei so vielen Südamerika-Reisenden Feuerland, sondern Karneval in Rio de Janeiro. Wir genießen die letzten Wochen und campen entlang der traumhaften Küste, denn das Ende der Reise ist in Sicht: Angustia ist verkauft. Pünktlich zum Rosenmontag übergeben wir sie in Rio ihren neuen Adoptiveltern.
Eine Seefahrt, die ist lustig…
Für unsere Rückreise von Brasilien nach Europa haben wir uns etwas Besonderes überlegt. Statt zu fliegen wollen wir mit dem Schiff den Atlantik überqueren. Grundsätzlich stehen drei Optionen zur Wahl: Segelschiff, Containerschiff oder Kreuzfahrtüberführung. Nummer 1 scheidet schnell aufgrund von Peters Seeuntauglichkeit schnell aus. Und auch bei der Recherche nach einem Containerschiff finden wir nichts Passendes.
Dafür stoßen wir auf ein Kreuzfahrtschiff, welches am Ende der Südamerika-Saison nun für den Frühling nach Europa überführt werden sollte.
Solch eine Überfahrt bucht man wie eine reguläre Kreuzfahrt – allerdings zu einem deutlich günstigeren Preis, denn wegen der vielen Seetage sind diese Fahrten bei „normalen“ Kreuzfahrttouristen nicht so beliebt. Die meisten Urlauber wollen ja unterwegs möglichst viel sehen. Für uns ist das aber genau passend – wir haben in den letzten zwei Jahren genug gesehen und freuen uns auf ein bisschen entspannte Langeweile mit Blick auf das endlose Blau des Atlantiks.
Corona on Board
Doch den Plan haben wir ohne Corona gemacht. Während wir entspannt den Atlantik überqueren, ändert sich die globale Lage schlagartig dramatisch. Kein Hafen will uns mehr haben, nur Lissabon erbarmt sich schließlich. Doch die Gastfreundschaft der portugiesischen Hafenbehörden nahm rapide ab, als plötzlich ein Corona-Fall an Bord bestätigt wird. Die eigentlich als „entspannt bis langweilig“ eingeschätzte Rückreise mit dem Schiff wird somit zu einer der abenteuerlichsten Etappen unserer Reise.
Nach langem einigem Hin und Her sind wir wieder wohlbehalten in Deutschland angekommen. Auch wenn die Rückreise deutlich komplizierter war als erwartet, sind wir dankbar für alles, was wir unterwegs erleben durften. Und merken in der aktuellen Zeit stärker denn je, dass Pläne nicht viel mehr als Schall und Rauch sind. Wir lassen die Dinge weiter auf uns zukommen. Und auf uns zugekommen ist bereits ein neuer Campervan in Form eines VW Crafters. Wer weiß also, welche Abenteuer noch auf uns warten!