Willkommen am Lagerfeuer

Seit 20 Jahren begeistert die European Outdoor Film Tour mit ihren ausgewählten Kurzfilmen Zuschauer in ganz Europa. Nun ist die E.O.F.T. nach einer Pandemie-Zwangspause mit einem Jubiläumsprogramm zurück. Und wie.

Seit 20 Jahren begeistert die European Outdoor Film Tour mit ihren ausgewählten Kurzfilmen Zuschauer in ganz Europa. Nun ist die E.O.F.T. nach einer Pandemie-Zwangspause mit einem Jubiläumsprogramm zurück. Und wie. Wir sprachen mit dem Gründer Joachim Hellinger über die Held*innen auf der Leinwand und die gewaltige Logistik dahinter.

Premiere des Filmfestivals

»Helli«, 20 Jahre European Outdoor Filmtour, herzlichen Glückwunsch! Ich hoffe, ihr habt Corona nicht zu den Feierlichkeiten eingeladen.

Nee, definitiv nicht. Corona bleibt draußen. Dank unserer Hygienemaßnahmen können wir auch in großen Hallen Veranstaltungen mit maximal reduziertem Risiko durchführen. Die große Herausforderung besteht allerdings darin, dass wir in ganz Mitteleuropa unterwegs sind und überall andere Rahmenbedingungen gelten. Aber wir hatten jetzt auch genügend Zeit, uns darauf vorzubereiten. Jeder, der bei uns auf eine Veranstaltung kommt, kann sich sicher fühlen.

Veranstalter des E.O.F.T.

Seit Jahren bewerbt ihr die Tour mit dem Konterfei eines Protagonisten aus eurer Filmauswahl als Keyvisual? Wie wird man das Gesicht der E.O.F.T?

Wir sind immer auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Charakter, der eine besondere Geschichte hat. Wenn man sich die Köpfe der letzten 20 Jahre anschaut, kommen wir auf einen bunten Mix aus unbekannten Gesichtern wie gestandenen Abenteurern – etwa den Huber-Brüdern, Stefan Glowacz, Adam Ondra, Alex Honnold und David Lama. In der Recherche halten wir auch immer verstärkt nach weiblichen Protagonistinnen Ausschau. So wie Caro North, unser Gesicht für die Tour 2021. Caro zählt zu den besten Alpinisten Europas und ist eine der wenigen Bergführerinnen in der Schweiz. Sie hat uns schon während ihres Studiums hinter den Kulissen bei der E.O.F.T. ausgeholfen, doch diesmal sehen wir das Multitalent selbst in Action. Alles in allem ergibt sich aus unseren Keyvisuals eine richtige »Hall of Fame« des Outdoorsports. 

Tourgesicht des E.O.F.T. auf der Bühne.

Worauf können sich die Zuschauer diesen Winter sonst noch freuen?

Ein weiteres Highlight ist Jonas Deichmann. Der 34-jährige Deutsche ist dabei als Erster die Welt triathletisch, in 120-facher Ironman-Distanz, zu umrunden. Er ist September 2020 in München Richtung Osten gestartet und wird am 29. November aus Westen in München erwartet. Normalerweise nehmen wir nur fertige Projekte ins Programm, doch ihn haben wir schon gesetzt, als er noch bei arktischen Temperaturen im März/April durch Russland radelte. Während wir hier sprechen, läuft er gerade quer durch Mexiko, bevor er final 4000 Kilometer von Lissabon nach München radelt.

Normalerweise nehmen wir nur fertige Projekte ins Programm, doch Jonas Deichmann haben wir schon gesetzt, als er noch durch Russland radelte.

Premiere des E.O.F.T.

Dann haben wir wieder einen Film von Eliott Schonfeld. Einige E.O.F.T.-Besucher kennen ihn vielleicht noch von seinem Beitrag, in dem er mit einem Pferd quer durch den Himalaya gewandert ist. Diesmal folgt er den Spuren eines verschollenen Abenteurers durch den Amazonas – und kommt dabei selbst nur knapp mit dem Leben davon. Eliott ist wieder sehr minimalistisch unterwegs, und doch gelingt es ihm, sich stets selbst zu filmen, auch in Momenten, wo er eigentlich anderes zu tun hat. Beinahe schwindlig wird einem, wenn sich der Snowboarder Elias Elhardt und der Drohnenpilot Sebastian Schieren daran machen, den Zuschauer durch radikale Flugmanöver in die Perspektive des Sportlers mitzunehmen. Und dann wäre da noch ein wunderbares Portrait über die iranische Klettererin Nasim Eshqi, die eine internationale Karriere hingelegt hat, welche nicht nur der Schwerkraft trotzt. 

Wie wuppt ihr bei gefühlt 1000 Terminen die Tourlogistik? 

Sobald die E.O.F.T. startet, rücken wir mit fünf bis sechs Teams gleichzeitig aus. Unser Erfolgsrezept für ein gutes Gelingen lautet: Wir führen nahezu alle Veranstaltungen selbst durch. Sprich: Wir kümmern uns um die Technik. Wir kümmern uns um den Vorverkauf. Wir machen den Einlass. Wir machen die Moderation und interviewen wechselnde Gäste auf der Bühne. Es ist eine sehr, sehr aufwendige und komplizierte Logistik, die wir hier in München monatelang vorbereiten. Aber wenn wir dann auf den Startknopf drücken, läuft alles wie am Schnürchen. 

Die größte Panne in 20 Jahren?

Keine Panik, unsere Fehlerquote liegt bei 0,1 %. Wir haben vor, während und nach der Show Backups und Backups vom Backup. Deswegen hatten wir noch nie eine wirklich große Panne. Erst einmal mussten wir eine Veranstaltung absagen. Das war im Wallis und unsere Crew steckte im Schneemalheur fest. Die Zuschauer aber auch. Die wenigen, die es trotzdem zum Veranstaltungsort schafften, waren auf Ski gekommen.

Ist das Internet Freund oder Feind eurer Filmtour?

Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zum Internet, denn dieses ermöglicht uns, Tour und Protagonisten bekannter zu machen. Und so wächst unsere Community mit dem Internet. Aber der Unterschied, ob man einen Clip daheim auf einem kleinen Bildschirm sieht oder mit Gleichgesinnten zweieinhalb Stunden vor einer riesigen Leinwand samt guter Tontechnik verbringt, ist ein himmelweiter Unterschied. Geht man hinterher noch ein Bierchen trinken, wird der ganze Abend zu einem Event, der lange nachwirkt. Zudem bieten wir eine individuelle Moderation, interessante Gäste im Interview auf der Bühne und meist auch ein Gewinnspiel, bei dem man sofort Preise absahnen kann. Ein E.O.F.T.-Abend ist wie ein großes Lagerfeuer, an dem sich die outdoor-affine Community einer Region versammelt. 

Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob man daheim vor einem kleinen Bildschrim sitzt oder mit Gleichgesinnten vor einer riesigen Leinwand.

Die Company hinter der E.O.F.T. heißt Moving Adventures und sitzt in München. Wieviele Personen sind in die EOFT eingebunden?

Wir arbeiten mit über 30 Leuten daran, um aus den vielen Filmen eine abendfüllende Show zu machen. Unser Programm besteht zumeist aus Filmen, die wir lizenzieren. Ab und an produzieren wir aber einen Beitrag selbst. Doch auch die lizensierten Filme müssen weiterbearbeitet werden. Wir kürzen, optimieren Bild und Ton, synchronisieren und lassen auch mal spezielle neue Musik dafür komponieren. Dann erstellen wir alle Werbemittel für die Tour selbst, vom Booklet bis zum XXL-Plakat. Parallel läuft permanent der Vertrieb via Social Media und regionaler Ticketanbietern. Neben den Festangestellten haben wir noch einen großen Pool Fester Freier. Darunter etwa 30 bis 40 Moderatoren, die wir stets weiterqualifizieren. Die E.O.F.T. ist sehr personalintensiv, aber das garantiert eben auch die gute Qualität der Veranstaltung und führt zu einer geringen Fehlerquote.  

Was stellt ihr sonst noch an?

Neben der E.O.F.T. veranstalten wir noch die International Ocean Film Tour. Diese richtet sich an alle, deren Liebe den Ozeanen gilt. Hier gibt es sportliche Abenteuer auf dem Meer zu sehen, aber auch Filme, die sich für dessen Erhalt einsetzen. Dann sind wir seit über 10 Jahren Lizenznehmer für das Banff-Filmfestival und zeigen Kletterfilme gebündelt als Reel-Rock-Tour. Neuestes Baby ist die Green Screen Tour, welche die besten Filme des Naturfilmfestivals Eckernförde zeigt.

Um Menschen zu würdigen, die Außergewöhnliches geleistet haben, habt ihr zudem den Publikumspreis »21st Century Adventurer« aufgelegt. Was hat es damit auf sich?

Diesen Award haben wir zusammen mit unserem Partner Land Rover geschaffen, um Abenteurer auszuzeichnen, die auf Expeditionen über sich hinauswachsen, dabei trotz aller sportlichen Höchstleistung aber die Empathie nie hinten anstellen. Den Preis haben wir erstmals vor Corona verliehen, gewonnen hat die Polarabenteurerin Sarah McNair- Landry. 

Jetzt stellen wir zum zweiten Mal fünf Kandidaten zur Wahl: die Paddlerin Nouria Newman, den Crossgolfer Ron Rutland, den Barfußläuferin Anna McNuff, den Expeditionsfilmer Renan Özturk und Soloabenteurerin Jenny Tough. Ab sofort könnt ihr diese bis zum 28. Februar per Onlinevoting hier wählen: Klick!

Plakat des Awards der E.O.F.T.

Netflix stellt bei externen Produktionen hohe Anforderungen an die Kameraqualität. Habt ihr ähnliche Ansprüche in Sachen Technik?

Die höchsten Ansprüche haben wir an die erzählerische Qualität der Filme. Bild und Ton müssen natürlich gut sein, doch wir verstehen uns als Dokumentarfilmer, weniger als Hollywood. Aufnahmeseitig ist alles möglich, vom Smartphone bis zur Highend-Produktionskamera. Wir haben schon Filme gehabt, die wurden durchweg mit einer GoPro gedreht. Da schrauben wir dann aber nachträglich noch ordentlich dran rum. Es ist immer unser Ziel aus jeder Art Film ein anspruchsvolles Kinoerlebnis zu schaffen. 

Beim Talentscouting des FC Bayern Münchens heißt es: »Wenn du gut genug bist, finden wir dich«. Gilt das in Bezug auf aufstrebende Filmemacher auch für euch?

Ich hoffe doch. Wir sind auf allen wichtigen Filmfestivals unterwegs zum Sichten, das hilft schon mal. Aber wir suchen auch rechts und links. Wir finden da Sachen, die erstaunlich gut sind. Oder eben Geschichten, aus denen wir etwas machen können. Insofern: Wir finden dich. Und wenn es keinen Film zu einem Thema gibt, dass wir für wichtig halten, dann setzten wir es um. So wie Yamakasi, ein Film über die Anfänge des Parkour-Sports. Den haben wir für die erste E.O.F.T.-Tour in den Pariser Vororten gedreht, weil wir es für relevant hielten. 

Teilnehmer des E.O.F.T bei seiner Expedition.
Erik Boomer

Wohin geht die Reise? Das Höher-schneller-weiter der letzten Jahre im Extremsportbereich scheint kaum noch steigerbar. 

Wir haben uns eigentlich schon lange von dieser Doktrin abgewandt. Unser Fokus liegt auf den Menschen, auf den Geschichten, auf dem äußeren und inneren Abenteuer. Wenn wir Action zeigen, muss die Qualität stimmen und wie im diesjährigen Film Playing Gravity nochmal ganz neue Perspektiven liefern. 

Habt ihr mal über eine W.O.F.T. (World Outdoor Filmtour) nachgedacht?

Also vor der der Pandemie waren wird schon ziemlich international. Wir hatten Shows in Australien, Neuseeland, Japan und waren gerade dabei, in China durchzustarten. Alles in allem hatten wir in der letzten Saison vor Corona über 1000 Termine – und da wollen wir gern wieder anknüpfen. 

Ist es leicht, gute Geschichten zu finden?

Ja. Es gibt immer etwas Neues und es gibt immer neue Arten, es zu erzählen. Auch die technischen Möglichkeiten schreiten voran. Sei es beim Aufnahmeequipment wie bei den Sportgeräten. Beim Kajakfahren etwa werden heute Flüsse mit einer Selbstverständlichkeit befahren, die vor 20 Jahren noch absolut Tabu waren. Da hatte man mehr mit seinem Kajak zu kämpfen als mit dem Fluss. Und wenn man sich weit aus dem Fenster lehnt und Unglaubliches leistet, ist es heute viel leichter, dies zu dokumentieren – zur Not halt mit dem Handy. 

Durch Corona hat sich der Aktionsradius der Menschheit enorm verkleinert. Wächst dadurch die Sehnsucht nach Abenteuern auf der Leinwand? Oder will man lieber gar nicht sehen, was man nicht darf?

So wie sich im Moment die Ticketverkäufe entwickeln, würde ich sagen, die Sehnsucht ist ungebrochen. Vielleicht ist sie sogar stärker denn je? Die Frage ist allein »Was ist Sehnsuchtsort, was Austragungsort?« Muss es unbedingt das andere Ende der Welt sein? Oder liegt der gesuchte Ort vor der Haustüre? Da hat sich vielleicht etwas geändert. Aber grundsätzlich haben heute mehr Menschen einen Bezug zur Natur als vor Corona. Und wer die Natur kennt und schätzt, will sie auch schützen. »You only protect what you love!« Mit unseren Filmen zeigen wir, wie schön die Welt ist und wie wertvoll, dies selbst zu erleben. Das ist unser klitzkleiner Beitrag, die Welt zu retten.  

Du bist auch selbst Filmemacher. Wenn das Bugdget keine Rolle spielt: welche Story würdest du gern mal in Szene setzen?

Ich würde gern einem Film im Sinne der französischen Produktion »Tomorrow« machen. Ein Film der aufzeigt, dass nicht alles schlecht ist, was wir machen, dass es Hoffnung gibt, dass die Welt in 100 Jahren eine bessere ist. Der zeigt, was wir Mögliches leisten können. Das genaue Gegenteil zu diesen ganzen apokalyptischen Weltuntergangs-Dokus. 

Text: Michael Neumann
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