Ich will diesen Sommer erstmals eine mehrtägige Radtour unternehmen. Von Dresden bis Hamburg die Elbe hinab. Was brauche ich dafür?
In Deutschland schaden gute Regenklamotten sicher nicht. Dann sollte ich mir überlegen, wie viel Gepäck ich brauche. Wenn ich von Pension zu Pension fahre, reicht sicher das kleine Besteck aus zwei Packtaschen hinten, die sogenannten Back-Roller, plus eine Lenkertasche. Wer campiert, braucht zusätzlich noch einen großen Packsack, den man auf den Back-Rollern mit einem Spanngurt befestigt, oder besser noch zwei Taschen vorne.
Dann braucht es natürlich das passende Fahrrad. Grob unterscheidet man zwischen Mountainbike, Trekkingrad, Randonneur, Reiserad und Liegerad. Da die Anforderungen entlang deutscher Flüsse geringer sind als etwa bei einer Mongoleidurchquerung, hat mancher den passenden Drahtesel wahrscheinlich längst daheim stehen – was beim Berufspendeln funktioniert, macht auch bei einer Woche Elbe nicht schlapp.
Nächster Punkt auf der Einkaufsliste ist das Reparaturset. Pumpe, Flickzeug, Reifenheber, Taschenwerkzeug und – je nach Route – Ersatzteile gehören auf jeder Tour ins Gepäck. Hinzu kommen ein Satz Radbekleidung, taugliches Schuhwerk und ein Helm. Die nötige Campingausrüstung dürfte dagegen in jedem guten Outdoor-Haushalt vorhanden sein.
Verkaufsberater THOMAS SCHMITT, 39, pendelt mit dem Rad zur Arbeit in die Globetrotter-Filiale in Frankfurt. Das ist effizient und zugleich ein gutes Grundlagentraining für anstehende Touren. Zuletzt war Thomas entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze unterwegs und hat die Alpen auf dem MTB überquert. Das fühlte sich dann allerdings an wie zehn Flussradwege am Stück.
Du hast fünf Radklassen erwähnt. Welche taugt wofür?
Wer viel auf unbefestigten Pisten unterwegs ist, wählt das Mountainbike. Wer meist Straße fährt, aber Schotter nicht meiden will, nimmt ein Trekking- oder Reiserad. Hundertprozentige Straßenfahrer mit sportlichen Ansprüchen wählen das rennradähnliche Randonneur. Wem das noch nicht individuell genug ist, schafft sich ein Liegerad an und den Gegenwind ab 😉
Und wie stehst du zum E-Bike?
Auch wenn ich – noch – zu 100 Prozent selbst trete, haben E-Bikes absolut das Zeug dazu, unsere gesamte Mobilität zu verändern. Sie holen nicht nur jene zurück aufs Rad, denen die Anstrengung sonst zu groß ist, sondern erweitern auch den Aktionsradius ganz beträchtlich. Tagesetappen von 60 bis 70 Kilometer sind mit ihnen kein Problem, so dass man für den Sommerurlaub ruhig zwei Flussradwege projektieren kann. Oder man baut einfach »Umwege« in die Hauptroute ein, um auch Sehenswürdigkeiten links und rechts des Flusses im »Inland« mitzunehmen.
Und keine Bange, je nach gewählter Supportstufe kommt man auch auf dem E-Bike gehörig ins Schwitzen – verlässt aber nie den gesunden Herzfrequenzbereich.
Mit dem Strom
Und wenn mir der Saft ausgeht?
Dann ist Schieben angesagt. Beziehungsweise die Plackerei beginnt. Denn nur die wenigsten E-Bikes bieten eine Art Leerlauf, so dass man immer auch gegen den Motorwiderstand antritt. Schlaflose Nächte sollte man deswegen aber nicht haben, entlang der populärsten Flussrouten ist die nächste Ladestation selten weit.
Die meisten Reiseräder haben hinten und vorne Gepäckträger. Ich bin Minimalist, reicht nicht hinten?
Grundsätzlich gilt: je gleichmäßiger die Gewichtsverteilung, desto besser das Fahrverhalten. Am Berg und bei abrupten Lenkbewegungen steigt sonst der Drahtesel schnell hoch. Bei kürzeren Touren, zu denen ich bevorzugt mit der Bahn anreise, beschränke ich mich aber auch oft auf zwei Hinterradtaschen, eine Lenkertasche und eine kleine Gepäckrolle. Dies setzt aber auch eine leichte und klein verpackbare Campingausstattung voraus.
Was tun, wenn mein Rad keine Gepäckträger hat?
Sind entsprechende Gewindeösen vorhanden, kannst du leichte wie solide Träger von Tubus & Co. montieren. Pfiffig sind auch die Tour Racks von Thule, Nachrüstträger, die mittels Gurten nahezu an allen Fahrrädern befestigt werden und bis zu 25 Kilo Gewicht aufnehmen.
Warum kann ich nicht einfach einen großen Rucksack nehmen?
Als Ergänzung und zur Aufbewahrung einer Trinkblase kann man durchaus einen kleinen Rucksack mit guter Rückenbelüftung in Erwägung ziehen. Das komplette Gepäck auf dem Rücken zu transportieren, ist aber keine gute Idee, denn der Abflug in der ersten Kurve ist vorprogrammiert. Eine Ausnahme sind Alpencrosstouren, die meist mit Mountainbikes ohne Gepäckträger durchgeführt werden. Doch selbst hier hat der Zubehörhandel mittlerweile Gepäckträgersysteme entwickelt, die einfach an der Sattelstütze festgeklemmt werden, so dass man das Gewicht zwischen Rücken und Bike zumindest splitten kann.
Mit dem E-Bike sieht man die Burgen am Rhein nicht nur von unten, sondern legt spontan eine Bergetappe ein.
Wasserdicht verschweißte Radtaschen sind heute Standard. Tun es für den Anfang nicht auch solche mit Regenüberzug?
Klar, es gibt auch gute Taschen mit Regenüberzug wie die Karakorum von Vaude. Vorteil dieser Taschen ist die meist bessere Innenaufteilung mit kleinen Vor- und Seitentaschen für mehr Übersicht. Auf der Radseite kann bei diesen Taschen bei lang anhaltendem Regen aber durchaus Wasser eindringen. Wer auf Nummer sicher gehen will, greift lieber zu komplett wasserdichten Taschen, die zudem sehr robust sind. Für Ordnung sorgen dann viele verschiedenfarbige Packbeutel.
Du hast es anfangs schon erwähnt: Regen ist auf einer Radtour durch Deutschland nicht auszuschließen. Wie schütze ich mich davor?
Eine Kombination aus Jacke, Hose und Gamaschen ist meist die beste Wahl. Die Jacke sollte an den Ärmeln und im Rückenbereich so lang geschnitten sein, dass sie bei nach vorn gebeugter Sitzhaltung die Handgelenke und den Rücken noch gut schützt. Die Hose sollte am Hintern möglichst verstärkt, mit Schuhen schnell angezogen und an den Knöcheln auch bei angezogenen Knien ausreichend lang sein. Spezielle Gamaschen dichten den Bereich vom Hosensaum bis über die Schuhe ab. Für den Helm sollte man einen dafür passenden Überzieher mitführen. Atmungsaktive Materialien verhindern zwar nicht das Schwitzen, entfalten aber besonders bei kühlen Außentemperaturen ihre Wirkung, unterstützt von Unterarm-Reißverschlüssen. Bei kurzen Schauern kann auch ein Poncho gute Dienste leisten. Er ist preiswert, schnell an- und ausgezogen und bietet eine sehr gute Belüftung. Allerdings steigt der Luftwiderstand merklich.
Als Reiseradler sollte man das kleine Einmaleins der Fahrradreparatur beherrschen. Welches Know-how und welches Material gehören an Bord?
Ein Ersatzschlauch, Flickzeug, Luftpumpe, Reifenheber und ein Multiwerkzeug sollten immer dabei sein. Wer außerhalb Deutschlands durch die Pampa radelt, sollte auch einen Kettennieter sowie Bremszüge und Bremsbeläge dabeihaben. Bei besonders strapaziösen Touren dürfen auch Ersatzspeichen und Nippel nicht fehlen. Der Umgang mit den Werkzeugen sollte geübt sein. Vorher prüfen, ob man mit dem Multitool alle relevanten Schrauben erreicht. Beim Werkzeug nicht an der Qualität sparen. Schrau- ben eventuell auf wenige Größen und Schlüsselaufnahmen vereinheitlichen. Und keine Bange: Die Bauteile gehen bei modernen und gut gewarteten Rädern deutlich seltener kaputt als früher, sofern die Verschleißteile wie Züge, Bremsbeläge, Kette oder Ritzel regelmäßig ersetzt werden. Bei Felgenbremsen sollte man auch die Felge ab und an auf Verschleiß prüfen.
Viele Radler tragen schreiend bunte Trikots und hautenge Hosen. Ist das das Nonplusultra beim Reiseradeln?
Nein. Wem solche Klamotten zu knallig sind, der kann auch in legerer Wanderbekleidung auf Tour gehen, ergänzt durch eine Unterhose mit Popo-Polster für Sitzkomfort in allen Lagen. Damit ist man allerdings nicht ganz so windschnittig und gut sichtbar als Litfaßsäule unterwegs. Zumindest Letzteres kann man aber einfach mit einer neongelben Warnweste erreichen, die man immer überzieht, wenn man gesehen werden will.
Das wichtigste Detail bei Radhosen ist das Polster im Schritt gegen wunde Hintern.
Wie steht es mit diesen Popo-Polstern? Bringen die es wirklich?
Wer schon einmal mehr als fünf Stunden auf einem Radsattel gesessen hat, wird diese Polster in der Hose nicht missen wollen. Sie verhindern sehr wirkungsvoll Wundscheuern und Druckstellen. Im Gegensatz zu früher, wo die Polster oft aus Leder bestanden und aufwendig gepflegt werden mussten, verwendet man heute nur noch hygienische Kunststoffpolster.
Gibt es den perfekten Sattel?
Nun, dieser hängt stark von der individuellen Anatomie ab und muss mehr oder weniger ausprobiert werden. Als Faustregel gilt, dass ein schmalerer und etwas festerer Sattel auf Dauer angenehmer ist. Bei sehr aufrechter Sitzposition darf er auch stärker gepolstert und etwas breiter sein. Frauen sollten zu einem entsprechenden Damenmodell greifen. Aussparungen im Genitalbereich verhindern bei Männern wie Frauen Druckstellen. Dagegen hilft auch, die Sattelspitze leicht nach unten zu neigen. Ansonsten sollte der Sattel möglichst waagerecht ausgerichtet sein. Kernledersättel passen sich auf Dauer hervorragend der individuellen Anatomie an, sind aber erst nach einer längeren und schmerzhaften Einfahrphase so richtig gut. Dafür halten sie bei richtiger Pflege fast ein Leben lang.
Empfiehlst du einen Helm?
Aber hallo. Man wäre nicht der erste Radler, der nach einem übersehenen Schlagloch ungespitzt über den Lenker geht. Zudem bietet der Markt längst Helme an, die in Sachen Komfort dem Oben-ohne-Fahren gleichkommen.
Wie erhöht der Experte seine persönliche Sicherheit?
Zunächst einmal durch eine entspannte, unaggressive, vorausschauende Fahrweise und einen Instinkt für gefährliche Situationen wie unübersichtliche Kreuzungen und aufspringende Autotüren. Darüber hinaus helfen Reflexstreifen an der Kleidung, eine funktionierende Lichtanlage, eine laute Klingel und ein am Lenker montierter Rückspiegel.
Wie hältst du’s mit der Navigation?
Smartphone und GPS sind feine Sachen. Online findet man viele vorgefertigte Touren, die man sich auf sein GPS lädt. Auch kann man sich am Computer auf digitalen Karten seine Tour mit der Maus zusammenklicken und ins GPS einspielen. Aber bitte an den hohen Batterieverbrauch denken (die Geräte halten meist nur wenige Tagesetappen im Dauerbetrieb). Papierkarten gehören daher trotz GPS immer ins Gepäck, da sie eine bessere Übersicht bieten und nicht »abstürzen« können.
Und wie komme ich jetzt zum Start der Elbetour nach Prag?
Na ganz einfach per Eisenbahn. Hin wie zurück. In Deutschland und halb Europa. Seit Kurzem sogar auf ausgewählten Verbindungen im ICE 4. Auf bahn.de und im DB-Navigator kannst du gezielt nach Verbindungen mit Fahrradmitnahme suchen, indem du in den Optionen der Verbindungssuche die Fahrradmitnahme aktivierst. Mit Bahncard ist man da ab sechs Euro one way dabei.