Willkommen zu einer neuen Episode von Neue Horizonte! Dieses Mal widmen wir uns dem brennenden Thema Aktivismus. Unser Planet und wir erleiden die Folgen von Dekaden an Naturzerstörung, was nun durch die Effekte des Klimawandels immer deutlicher spürbar wird. Passend zum Thema hat euer Host Fabian Nendza diesmal einen echten Vorreiter, wenn nicht den Pionier schlechthin in Sachen Nachhaltigkeit im Studio: Patagonia, repräsentiert von Mick Austermühle, dem Country Manager für Deutschland und Österreich und den Aktivisten und Umweltschützer Ulli Eichelmann von Riverwatch.
Schon seit Patagonia 1973 gegründet wurde, hat der Gründer Yvon Chouinard mit seinem Team Entscheidungen getroffen, die jedem herkömmlichen Business Sinn widersprechen – mit einer radikalen Ausrichtung pro Nachhaltigkeit. Das hat damals bereits in den Siebzigern mit der Umstellung auf biologische Baumwolle angefangen, in einer Zeit, wo noch niemand darüber nachgedacht hat, welche Auswirkungen die Entscheidungen einer freien Marktwirtschaft langfristig auf die Balance der Ökosysteme haben. Die tiefe Überzeugung, Natur zu schützen um als Outdoor-Liebhaber das zu genießen, was uns am Herzen liegt, führte schließlich zur Gründung von „1% for the Planet“, einer selbst auferlegten Steuer für die Umwelt.
Die Black Friday Kampagne in der New York Times 2001 “Don’t buy this jacket“ war ein Highlight für alle, die Entschleunigung des Konsums als Lösungsansatz verstehen. Ein direkter Angriff auf die wichtigsten Eckpfeiler des American Dream, dem Turbokonsum und das „mehr ist besser“. Diese vollseitige Anzeige ist noch gut in Erinnerung und hat bei vielen von uns ein Gefühl von Respekt für Patagonia ausgelöst, die auch hier dem herkömmlichem Geschäftsverständnis von Marketing radikal widersprechen und das mit durchschlagendem Erfolg. Denn bei all dem hört Patagonia selber nicht auf zu wachsen und ist mit über eine Milliarde Umsatz im Jahr eines der größten Outdoor Unternehmen der Welt und immer noch im Privatbesitz der Familie Chouinard.
Seit der Regierungszeit von Donald Trump hat Patagonia sich nicht mehr nur darauf beschränkt, sich durch die Unterstützung von Grassroot Aktivismus für den Naturschutz einzusetzen, sondern hat in einem zunehmend politisch polarisierten Land klar Stellung bezogen. Dies gipfelte 2017 in einer vieldiskutierten Message auf Patagonia‘s Homepage, zu der Zeit, als Präsident Trump zu Gunsten des Baus einer Pipeline Land der American Natives enteignen wollte:
„The President stole your Land”
Wie und mit welchen Zielen Patagonia agiert und wie man selber über „Patagonia Action Works“ aktiv werden kann, hören wir in unserem Gespräch mit Mick Austermühle.
Michael Austermühle ist studierter Sportökonom, der seit 1996 in der Sportartikelbranche tätig ist. Seit 2015 ist Mick bei Patagonia als Country Manager für Deutschland und Österreich zuständig.
„Mir persönlich geht es nicht nur um den Schutz von Flüssen, sondern um den Erhalt des Outdoor playground ganz allgemein z.B. bin ich auch gegen sinnlose Skigebietserweiterungen, wie wir sie in dem Film „Vanishing Lines“ darstellen. Ich finde es auch extrem wichtig “Outdoor” für alle zugänglich zu machen – unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft usw. Zu all dem gibt mir Patagonia die Möglichkeit.“
Relevante Links:
https://eu.patagonia.com/de/de/actionworks/
https://en.wikipedia.org/wiki/Yvon_Chouinard
Seit 2012 arbeitet Riverwatch daran, Europas letzte frei fließende Flussjuwelen – die Balkanflüsse – vor massivem Dammbau zu schützen. Zwischen Slowenien und Griechenland gibt es Pläne für 3.500 neue Wasserkraftwerke, die so ziemlich jeden Fluss und Bach gefährden. In Zusammenarbeit mit der deutschen Stiftung EuroNatur und zusammen mit lokalen Partnern in den Balkanländern führt Riverwatch die Kampagne „Save the Blue Heart of Europe“ durch, um die Zerstörung der Natur zu verhindern. Nachhaltig unterstützt wird die Kampagne auch von der MAVA Stiftung, der Manfred-Hermsen-Stiftung aus Bremen sowie von Patagonia.
Eine anderes, wenn zur Zeit auch weniger intensiv betriebenes Betätigungsfeld, ist die Aktion “Weg Dammit”. Diese gemeinsame Initiative von Riverwatch und der Manfred-Hermsen-Stiftung hat das Ziel, obsolete Staudämme und Wehre abzureißen. Viele von ihnen sind alt und erfüllen nicht mehr ihren eigentlichen Zweck, während sie dennoch weiterhin den Fluss blockieren und die Biodiversität massiv einschränken. Der Rückbau besonders schädlicher Dämme ist ein wichtiger Bestandteil der EU Biodiversitätsstrategie, nach der bis 2030 insgesamt 25.000 Kilometer Fließgewässer renaturiert werden sollen – v.a., so wird in dem Papier betont, durch die Entfernung von Dämmen.
Eichelmann studierte Landschaftsökologie und wohnt seit 1989 in Wien. Er begann 1991 für den WWF Österreich zu arbeiten und blieb bis 2007 als Experte für den Schutz und die Verbesserung von Fließgewässern. Bis 1996 war er beim WWF verantwortlich für die Verhinderung weiterer Donau-Wasserkraftwerke und die Errichtung des Nationalparks Donau-Auen östlich von Wien. Er koordinierte die Kampagne “Rettet die Donau-Auen” sowie “Der Countdown läuft”, mit der der WWF das Eröffnungsdatum des Nationalparks festlegte und die letzten 600 Tage bis dahin einläutete. Danach leitete er die Kampagne „Lebende Flüsse“, in welcher der WWF zusammen mit dem Umwelt- und dem Landwirtschaftsministerium die 74 besten Flussstrecken Österreichs (mit insgesamt 1.300 Kilometer Länge) als „untouchables“ (Unberührbare) definierte. Zahlreiche Renaturierungen wurden damals ebenfalls gestartet. 2007 machte er sich selbständig und koordinierte Stop Ilisu, die Kampagne gegen den Bau des Ilisu-Staudamms am Tigris in der Türkei sowie gegen die Beteiligung Deutschlands, Österreichs und der Schweiz an dem Projekt. In der Folge zogen sich im Juni 2009 die drei Staaten sowie die europäischen Banken und die meisten der europäischen Baufirmen aus dem Projekt zurück. 2012 produzierte er den Film Climate Crimes. Im selben Jahr gründete er die Organisation RiverWatch, eine Naturschutzorganisation zum Schutz der Flüsse, die weltweit vor allem gegen den Bau von Staudämmen agiert. Seit Ende 2013 koordiniert er die Kampagne „Save the Blue Heart of Europe“, eine gemeinsame Initiative von Riverwatch und EuroNatur zum Schutz der Flüsse am Balkan.
“Ich hab Riverwatch auch deshalb gegründet, weil es international kaum Organisationen gibt, die sich ausschließlich um Flüsse kümmern. Dabei gehören Flüsse und Auen nicht nur zu den artenreichsten Lebensräumen, es sind auch die bedrohtesten. Weltweit gibt es keinen Lebensraum-Typ, der dermaßen zerstört wurde wie Fließgewässer. Seit 1970 sind die Bestände der Süßwasserarten um 84 Prozent zurückgegangen, die Populationen wandernder Fischarten in Europa sogar um 94 Prozent. Dagegen anzugehen, ist der Sinn unserer Arbeit.”
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