Bikeherzogtum Luxemburg

Im Sommer 2022 konnten wir Luxemburg auf seine Mountainbiketauglichkeit testen. Mit im Gepäck: eine Komplettausstattung von VAUDE für alle Biker. Eine gemischte Gruppe aus Gewinnspielteilnehmern und Globetrotter-Insidern hat das kleine Land an drei Tagen von Nord nach Süd durchstreift und erstaunlich abwechslungsreiche Touren entdeckt. Ein kleines Land mit großen Trails!

Fotos: André Schösser, Tom Jutzler Text: Tom Jutzler

Summer in the City

Wir treffen uns auf der Terrasse des Hotels Mama Shelter im modernen Museums- und Europaviertel Kirchberg. Hier ist Luxemburg Metropole. Im Hintergrund die goldglänzenden Türme des Europäischen Gerichtshofs. Das Hotel ist cool, witzig, modern, gemütlich und spielt mit den Klischees, wie ein mondänes Hotel zu sein hat. Ironischer Schick.

Unsere kleine Reisegruppe, bestehend aus Mountainbike-Cracks und absoluten Anfängerinnen, muss sich erst einmal kennenlernen. Dafür eignet sich die geführte E-Bike-Tour durch Luxemburg-Stadt. Die Bike-Klamotten von VAUDE, die die Radfahrer außerdem gewonnen haben und in den nächsten Tagen testen können, bleiben erst noch im Schrank. Die erste Tour wird eine lockere Stadtrundfahrt. Noch ist kein Schwitzen, keine Anstrengung vorgesehen. Erst mal ein bisschen einrollen und sich kennenlernen. Ein paar der Vaude-Rucksäcke dürfen schon einmal Luxemburg-Luft schnuppern.

In die Stadt geht es mit der kostenlosen Tram. Es ist ein seltsames Gefühl, ohne Ticket einfach einzusteigen und sich chauffieren zu lassen. Aber im ganzen Land ist der öffentliche Nahverkehr kostenlos. Während in Deutschland über die Nachfolge eines Neun-Euro-Tickets diskutiert wird, fährt man im Großherzogtum schon seit einiger Zeit mit dem noch günstigeren Null-Euro-Ticket!

Wir treffen uns mit Guide Gregory von »sightseeing.lu«. Er hat Citybikes für uns und mit diesen machen wir Selbige unsicher. Was wortwörtlich gemeint ist. Die Dinger haben einen starken Motor und sind schnell.

Wir sausen über Fahrradwege problemlos die vielen Steigungen hinauf. Es ist ein ständiges auf- und abfahren. Die City ist verwinkelt. Die Architektur ist eine Mischung aus modernen Neubauten mit glatten Fassaden, dem märchenhaften Regierungssitz des Großherzogs, hippen Cafés und aufwendig renovierten Läden. Mittelalterliche Ruinen verstellen den Blick auf das ultramoderne Kirchberg-Viertel mit seinen Hochhäusern.

Luxemburg Stadt ist geteilt in einen oberen und unteren Teil. Der eigentliche Stadtkern mit Einkaufsstraßen, Restaurants und Regierungssitz liegt auf einem Plateau.

Entlang der Flüsse Alzette und Pétrusse, die sich hier tief ins Gestein gegraben haben, liegt der sogenannte Grund. Ein Stadtviertel wie ein Dorf. Dieser älteste Teil der Hauptstadt ist umschlossen von hohen, steilen Felswänden und mächtigen Mauern. Es erinnert ein wenig an das berühmte kleine gallische Dorf. Ein heimeliger, gemütlicher Ort, ringsum der Blick auf die großen und wichtigen Gebäude der Oberstadt.

Es klappert das Rad am rauschenden Bach – das Müllerthal

Die vielleicht bekannteste Region Luxemburgs ist das Müllerthal. Seinen Namen verdankt die Gegend den zahlreichen Mühlen, die früher an den Bächen und kleinen Flüssen aufgereiht waren. Zum einen floss das Wasser reichlich, zum anderen konnten die Menschen aus dem Sandstein der offen liegenden Felsen ihre Mühlsteine schlagen.

Aus der Ferne betrachtet ist es eine Landschaft mit sanft geschwungenen Hügeln. Wälder wechseln sich mit Kornfeldern ab. Nichts deutet auf Spektakuläres hin. Eine liebliche Landschaft. Wenig Abenteuerliches zu entdecken aus der Ferne. Auch bei der Ankunft an der Touristeninformation in Berdorf, wo wir mit Gian Marco (unserem Guide für das Müllerthal) verabredet sind, noch wenig Hinweise auf ein ausgewiesenes Mountainbikegebiet. Endlich darf die Ausrüstung ihr Können unter Beweis stellen. Guter Sitz? Schnelltrocknend? Der Rucksack angenehm zu tragen? – Wo allerdings soll man hier aus der Puste kommen oder sein technisches Können vorzeigen? Ist doch nur so eine mitteleuropäische Hügellandschaft. »Wartet es ab«, grinst Gian Marco, »ihr wärt nicht die Ersten, die sich hier übernehmen«. Sprachs und ward vom Wald verschluckt.

»Es geht hinab. Im Boden tun sich Spalten auf. Wasser, Witterung und Zeit haben tiefe Klüfte in den Sandstein gegraben.«

Dann – man muss nur wenige Meter in den Buchenwald eintauchen – wird man plötzlich eines Besseren belehrt. Es geht hinab. Im Boden tun sich Spalten auf. Wasser, Witterung und Zeit haben tiefe Klüfte in den Sandstein gegraben. Verdeckt von den Baumkronen ist es aus der Ferne kaum zu erkennen. Nur wenn man es weiß, kann man die Abgründe, die sich unter dem Blätterdach verbergen, erahnen.


Die ganze Region Müllerthal ist ein Labyrinth aus Höhlen, Wanderwegen, Spalten und viel Laub und Farnen. Das Klima feucht-warm. Oben, auf den offenen Plateaus, Feldwege die zum gemütlichen Radwandern einladen. Taucht man in den Wald mit seinen Schluchten ein, erwarten die Mountainbiker anspruchsvolle Trails über Felsen, Treppen und Wurzeln. Zwischendurch teilt man sich die Hohlwege mit Wanderern. »Share the trail« ist hier die Devise. Wir versuchen so rücksichtsvoll zu fahren, wie wir können. Ein Mal müssen wir eine Gruppe Wandernde aber doch bitten, kurz ihre Tour anzuhalten und zu warten, bis wir durch sind. Die 50 Meter Downhill-Felsentreppe ist einfach zu verlockend. Die will in einem Stück gefahren werden! »Danke fürs Warten!« Gejohle und Beifall der Umstehenden. So klappt das Miteinander im Wandergebiet!

Ab in den Süden – Belval und der RedRock Bikepark

Ortswechsel. Ein neuer sonniger Tag. Der rostrote Süden steht auf dem Programm. Gregory, mit dem wir schon in der Stadt unterwegs waren, wird uns in Belval abholen. Von dort wollen wir zum »Redrock Bikepark« im Naturschutzgebiet Ellergronn.

Doch zunächst stärken wir uns zwischen den alten Hochöfen des ehemaligen Stahlwerks. Das Areal ist ein gigantisches Industriedenkmal. Auf Hochglanz poliert und konserviert stehen riesige Loren, Kessel, Röhren und andere Maschinen groß und schwer in der Gegend. Wie das Bühnenbild eines Rammstein-Konzerts sieht es aus. Man meint, es müsse jederzeit irgendwo Feuer oder sonstige Pyrotechnik herausschießen. Eine unwirkliche Szenerie. Dazwischen: Imbissbuden, Museumsräume, Bistros, eine Konzerthalle und natürlich die knallroten neuen Gebäude der Universität. Wir schlemmen im Schatten von Stahlzylindern im Cocottes. Bowles, Salate, Baguettes und Muffins schmecken. Auf in den Bikepark!

Gregory warnt uns. »Wir fahren nun in einem ehemaligen Tagebau. Es ist eine tolle Landschaft. Die Natur holt sich zurück, was ihr gehört. Aber die Abhänge, die ihr fahrt, sind von riesigen Baggern erschaffen. Da ist Schotter dabei. Spitze Steine können aus dem Untergrund ragen. Wer da falsch bremst, liegt am Boden. Und das endet blutig!« Er übertreibt extra. Besser zu viel Respekt vor dem Trail als zu wenig.

Das Naturschutzgebiet ist weitläufig. Die Wege führen durch eine offene Landschaft, die an Arizona erinnert. Das Gestein ist vom Eisenerz rot gefärbt. Sehr locker stehender Mischwald. Wir entern den RedRock Bikepark. Künstlich angelegte Rampen locken. Unsere beiden Anfängerinnen Jana und Katja trauen sich – unter fachmännischer Anleitung von Gregory – ihre ersten Drops zu springen. Alex, Carmen, Dan und Stefanie kriegen nicht genug und fahren Runde über Runde.

Und wer sitzt am Ende mit blutendem Arm nassgeschwitzt und mit Endorphin vollgepumpt auf einer Bank im Schatten einer Kiefer? Gregory natürlich. Lachend streckt er uns seinen blutigen Unterarm entgegen. Das Pedal hatte sich verkanntet und dann hieß es: Abflug! »Keine Sorge, das passiert mir eigentlich jede Woche. No risk no fun!« Wie man’s nimmt. Klar ist: Hier im Süden gibt es Strecken, die für erfahrene Mountainbiker eine echte Herausforderung sind. Selbst wenn sie regelmäßig zum Fahren herkommen.

Der Norden – rund um den Obersauer-Stausee

Wir sind durch das Sansteinlabyrinth des Müllerthals gefahren und haben den roten Fels des Südens kennengelernt. Auf der Mountainbike-Bucketlist für Luxemburg fehlt noch der Schiefer des Éislek. Die Region im Norden wird auch Ösling genannt, was die fränkisch-germanische Bezeichnung für die Ardennen ist.

Auf dem Programm steht der Obersauer-Stausee. Wieder ist die Landschaft eine völlig andere. Dichter, dunkler Wald. Sehr viel Grün. Der Stausee windet sich tief unten im Tal. Im Gegensatz zum Müllerthal gibt es hier »echte« Berge. Von Weitem als solche erkennbar. Nun heißt es: Höhenmeter pedalieren. »Wollten wir hier nicht noch einmal die E-Bikes vom ersten Tag mitnehmen? – Nein? – Schade.«

Der Weg ist gesäumt von knorrigen Steineichen. Es ist deutlich zu erkennen, dass wir uns auf Schiefer bewegen. Luxemburg ist zwar relativ klein, geologisch gesehen aber überaus abwechslungsreich. Die Gruppe radelt auf schmalen Pfaden entlang des Seeufers. Mal entfernt sich der Trail vom See und es geht durch dichten Wald, mal fährt man parallel zum Ufer und hat einen guten Blick auf das zwischen türkis und grün changierende Wasser.

Der Obersauer Stausee ist eines der beliebtesten Naherholungsgebiete der Luxemburger. Angler, Kanuten, Schwimmer, Wanderer begegnen sich am Ufer und in den Seitenarmen des wild wirkenden Sees. Sie sind weniger aus der Puste als unsere kleine Reisegruppe. Die Kaffeepause ist wohlverdient. Es ist bereits der dritte Tag der Luxemburgtour und wir haben schon eine ganze Menge Höhenmeter in den Beinen. Definitiv mehr als erwartet.

Das Fazit der Gruppe fällt eindeutig aus: Das Großherzogtum ist für Mountainbike-Anfänger gut geeignet, um sich auszuprobieren, ohne gleich überfordert zu sein. Wo es schwierig wird, kann man absteigen oder eine Alternative fahren. Für Profis – oder solche, die sich dafür halten –, bieten die Trails genug Herausforderungen, um ein paar Tage ausdauernd zu fahren.

Erst kurbeln, dann schlemmen

Wer rastet, der rostet? Quatsch! Wer rastet, der kann gestärkt auf den nächsten Berg kurbeln! Genächtigt haben wir im Hotel »Mama Shelter« in der Hauptstadt. Das angeschlossene Restaurant ist italienisch angehaucht. Zum Frühstück gibt es backofenwarme Croissants und Baguettes aus der hauseigenen Bäckerei. Im Müllerthal haben wir uns in der »Heringer Millen« einen mit Spezialitäten aus der Region reichlich gefüllten Picknickkorb besorgt. Obwohl er wirklich sehr voll war, ist er komplett leer zurückgegangen. Das sagt alles!

In Echternach lohnt ein Besuch des ziemlich unscheinbar wirkenden Restaurants »Grimougi«. Es liegt an einer Straßenkreuzung mit Blick auf die Sauer und das gegenüber liegende Deutschland. Man würde es links liegen lassen, hätte man nicht den Tipp bekommen. Die Küche ist irgendwo zwischen mediterran und europäisch einzusortieren. In der Hauptstadt haben wir in dem italienischen Restaurant »Chiggerie« fantastisches Risotto gekostet.

Am urigsten war der Abstecher zum »Klenge Randschelter Bistro« im Norden. Ein winziges Dorf mit einem winzigen Bistro. Die Herrin des Hauses dafür mit einem großen Herz und einem mindestens so großen Charakter. Der gesamte Gastraum ist mit sinnigen, wahren, zweifelhaften und witzigen Sprüchen beschrieben. Unbedingt sehenswert. Das Essen ist übrigens auch sehr gut!


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