Schon 2020 entschieden Simon und ich uns dafür, auf unseren Gravelbikes im leichten, minimalistischen Bikepacking Stil quer durch die Republik von Dresden aus gen Ruhrgebiet zu rollen, um der Familie dort einen Besuch abzustatten. Und da wir seitdem beim Thema Bikepacking richtig Blut geleckt haben, darf es dieses Jahr im Juni gerne eine neue Tour sein – diesmal von unserer Heimat Dresden nach Rostock an die Ostsee – laut Google Maps mehr als 430 km und wir haben eine Woche Zeit dafür. Und so beginnt die Tourenplanung mit der Festlegung unseres Ziels.
Kurz vor der Bikepacking Tour verspricht uns ein Blick auf den Wetterbericht brennende Hitze für die zweite Hälfte unserer Radtour, sodass wir uns dazu entschließen, die Regenhose und die wasserdichten Socken mal ganz risikobewusst zu Hause zu lassen. Mut zur Lücke und wieder ein paar Gramm im Gepäck gespart. Wie heiß es letztendlich werden sollte, konnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
Genau wie wir uns gegen Regensachen entschieden haben, entscheiden wir uns für Papierkarten vom ADFC im Maßstab 1:150000. Wir mögen es einfach, immer einen weiten Überblick zu haben und nicht auf einem kleinen Display navigieren zu müssen. Morgens kurz festlegen, wo in etwa die Etappe enden soll und dann mal gucken, wie man dort am besten hingelangt. Ansonsten lebt das Bikepacking, was wir mittlerweile so mögen, von einem ganz einfachen Packstil. Wenig Stauraum in den kleinen Radtaschen ermöglicht es, schön leicht unterwegs zu sein, und dank der leichten Gravelbikes mit dicker Bereifung ist das Ganze dann auch super geländetauglich, ohne sperrig zu sein. Wir sind bereit und mal mehr als 100 Kilometer pro Tag schrecken uns auch nicht – kann losgehen!
Bikepacking Tag 1 – Dresden – Bornsdorf – 116 km
Es ist ein kühler Frühsommer-Sonntag in Dresden, die letzten Sachen werden am Morgen in den kompakten Radtaschen verstaut, Snacks und Getränke vorbereitet, die Kompassnadel Richtung Berlin gesetzt – und los geht’s!
Die erste Herausforderung folgt auf dem Fuße. Kaum haben wir den ersten Kilometer hinter uns, steht bereits der größte Anstieg der ganzen Tour an, den wir von zahlreichen Tagestouren zu genüge kennen – raus aus dem Elbtal und rauf in die nordsächsische, leicht hügelige Feld- und Heidelandschaft. So kommt der Kreislauf direkt in Schwung, als wir das Ortsausgangsschild von Dresden passieren. Die frischen Temperaturen und das bewölkte Wetter sind optimal für den ersten Tourentag, ja, manchmal stellt sich sogar ein leichtes Frösteln ein, wenn man es bergab mal rollen lässt.
Feldwege wechseln sich mit wurzeligen Waldwegen und etwas Asphalt ab – perfekt! Und sind wir einmal „oben“, fliegen die Kilometer auch nur so dahin, als wir uns auf dem Heidebogen-Rundweg langsam nach Norden vorarbeiten. Schon bald stellen wir wieder einmal fest, wie hervorragend beschildert die (Fern-)Radwege in Deutschland sind. Bei Ortrand passieren wir unauffällig die Grenze nach Brandenburg. Wir sind direkt beeindruckt – hier wird Service am Radler richtig groß geschrieben! Die Radwege sind nicht nur top markiert und sehr gepflegt, sondern das Wegenetz beinhaltet gut sichtbar beschilderte, durchnummerierte Knotenpunkte mit Karten und Wegweisern zu den jeweils nächsten Punkten – optimal!
»Wir fühlen uns wohl und verstanden, so macht Fernradeln Spaß!«
Zudem gefällt uns die Wegeführung durch lichte Fichtenwälder und vorbei an Getreidefeldern mit vielen leuchtend rot blühenden Kornblumen ganz hervorragend.
In Ruhland entschließen wir uns, den riesigen ehemaligen Tagebau bei Kostebrau an seiner östlichen Seite zu umfahren. Wir befinden uns nun immerhin in der Lausitz, deren Landschaft von der Braunkohlegewinnung maßgeblich geprägt und teils auch neu geformt worden ist. So lassen wir uns auch einen kleinen Abstecher zum Besucher-Bergwerk F60 nicht entgehen, in das wir von außen reinlunschen können. Die Dimensionen der gewaltigen, über 500 m langen Förderbrücke sind schier erschlagend, der Stahlkoloss schon über Kilometer vorher zu sehen. Beeindruckt rollen wir durch Finsterwalde und knacken die 100 Kilometer der Bikepacking Tour für heute. Nur noch über ein paar ruhige Landstraßen durch verschlafene Dörfchen, dann biegen wir ab Richtung Campingplatz Bornsdorf – unserem Tagesziel!
Im Zuge unserer Tourvorbereitungen haben wir vergeblich versucht, telefonisch Kontakt mit dem Betreiber aufzunehmen, weshalb sich in uns eine gewisse Unsicherheit breit gemacht hat. Nun rollen wir auf dem Campingplatz ein, der uns mit seiner idyllischen Umgebung am See und seiner gemütlichen Biergarten-Terrasse, auf der bereits einige Stammgäste Platz genommen haben, direkt begeistert. Als wir dann sogar noch Brandenburgs überraschend besten Veggie Burger plus mehrere verdiente Kaltgetränke im Bauch haben, stellt sich vollendete Zufriedenheit ein. Schnell das Lager errichtet, noch einmal am Horstteich ausgeruht, geduscht und schon fielen die Augen zu. Den ersten Tag haben wir schon mal gut gemeistert!
Tag 2 Bikepacking – Bornsdorf – Großer Seddiner See – 113 km
Schon am zweiten Tag ist es vorbei mit den angenehmen Temperaturen, denn das Thermometer klettert rasch in für uns eigentlich so Nordlandbegeisterte in grenzwertige Höhen. Obwohl wir große Fans von skandinavischen Sommertemperaturen sind, ist das Motivationslevel ungebrochen hoch. Nur heißt es jetzt, gut eincremen und vor der Sonne schützen. Eine über den Tag immer dicker werdende Schicht aus Staub und Dreck dient als zusätzlicher Sonnenschutz.
Noch früh am Tag gelingt uns unser erster richtiger Schnitzer bei der Routenfindung. Manchmal reichen selbst vier Augen nicht aus, um die Markierung zu sehen, doch mit dem Rad ist man doch flexibel und schnell genug unterwegs, dass auch ein paar Kilometer „Umweg“ nicht zu sehr ins Gewicht fallen.
Die Route führt uns auch heute grob Richtung Nordwesten mit dem Tagesziel Großer Seddiner See im Speckgürtel von Berlin bzw. Potsdam. Kurz folgen wir der Dahme in ihrem Tal, dann biegen wir ein in den bekannten Fläming Skate – ein komplett asphaltiertes Wegenetz für Skater und Radfahrer von insgesamt etwa 230 km Länge und hervorragender Beschilderung. Wir genießen es, durch den lichten Fichtenwald zu rollen und uns einfach treiben zu lassen. Kaum 400 Höhenmeter überwinden wir auf den langen Tagesetappen, da fällt es selbst mir als mäßig trainierter Radlerin leicht, gut voranzukommen; zumal die Skatestrecken natürlich keine übermäßig steilen Anstiege oder Gefälle bereithalten. Zudem lässt es der leichte, minimalistische Packstil beim Bikepacking zu, das Gesamtgewicht das Rades so weit herunterzuschrauben, dass die Beine nicht mehr zu arbeiten haben als unbedingt nötig.
In beschaulichen Wahlsdorf erwartet uns eine willkommene Überraschung: ein kleiner Dorfladen mit Imbiss sorgt nach fast 50 km für Stärkung und eine schöne kalte Cola mit gemütlichem Sitzplatz im Schatten – Radlerherz, was willst du mehr? Besonders freuen wir uns darüber, weil die Wasserversorgung sich doch allgemein etwas schwieriger gestaltet als wir dachten.
Weiter geht es Richtung Luckenwalde, wo wir uns mit einem großen Eisbecher versorgen. Auch hier winkt wieder ein zusätzliches Kaltgetränk samt ein paar Snacks, um dem penetranten Radlerhunger etwas entgegen zu setzen. Der Tank muss immer gut gefüllt sein!
Noch am selben Tag der Bikepacking Tour kommt richtiges Skandinavienfeeling auf. In Ahrensdorf passieren wir ein Schild mit einem Elch-Symbol und dem Hinweis „Einstandsgebiet“. Verrückt!
»Sollte es uns etwa vergönnt sein, das größte europäische Landsäugetier hier in Brandenburg zu Gesicht zu bekommen?«
Der Blick schweift im anschließenden Waldstück zumindest etwas intensiver denn je ins Dickicht der Nadelwälder ab. Eine Google Recherche zum späteren Zeitpunkt ergab jedoch, dass in dieser Gegend lediglich ein Elch angesiedelt worden ist, und dieser lässt sich auch nicht jedes Jahr im Fläming blicken. Kurios!
Die spezielle Challenge des Tages steht uns allerdings noch bevor: Als wir in Stücken in Richtung Seddin abbiegen, verwandelt sich der erst feste Waldweg in eine fünf Kilometer lange, weiche Sandpiste, auf der wahrscheinlich nur Radler, die im Besitz eines Fatbikes sind, ihre wahre Freude hätten. Wir aber quälen uns mit bereits über 100 km in den Beinen etwas ob des fehlenden Grip und es zieht sich wie Kaugummi. Ein Vorteil der Aktion: eine super Übung für Koordination und „Trittsicherheit“!
Endlich am Zeltplatz am Großen Seddiner See angekommen lassen wir uns zunächst ein gediegenes Abendessen im integrierten italienischen Restaurant munden. Kulinarisch hat diese Tour wirklich einige Highlights zu bieten, das steht einmal mehr fest. Und als ob es der „Learnings“ und Lektionen noch nicht genug waren, machen wir den Fehler, unser Zelt direkt unter einer Laterne aufzubauen. Augen auf bei der Zeltplatzwahl! Davon abgesehen können wir den Zeltplatz Icanos e.V. uneingeschränkt empfehlen.
Tag 3 – Großer Seddiner See – Oranienburg – 78 km
Unser dritter Tag der Bikepacking Tour soll uns über fast 80 Kilometer nach Oranienburg führen, wo wir bereits ein Hotel vorgebucht haben. Zum einen darf es im Urlaub dann doch auch mal ein richtiges Bett sein, zum anderen nutzen wir die Gelegenheit, um Deutschland gegen Frankreich in der EM spielen zu sehen. Außerdem wollen wir unsere Bekannte Geertje in Potsdam zum Mittagskaffee treffen – also nochmal ein Plus an Motivation für den sehr heißen Tag.
Los geht es direkt nach Norden über eine Bundesstraße mit Radweg. Wieder sind wir begeistert, wie Brandenburg einfach an so vielen Straßen eine tolle Infrastruktur für Radler ermöglicht. In Potsdam angekommen sitzen wir eine Weile mit Geertje beim Schnack in einem schönen Parkcafe am Wasser auf der Freundschaftsinsel, bevor es alsbald historisch wird – wir überqueren die berühmte Glienicker Brücke. Diese bildete einen Teil der innerdeutschen Grenze und wurde z.B. durch den Agentenaustausch im Kalten Krieg zum Denkmal. Der historisch aufgeladene Ort regt uns zum Nachdenken an, wobei mich das Gefühl, das in mir aufkommt, stark an das erinnert, was ich vor einem Jahr auf unserer Ost-West-Tour am ehemaligen Grenzpunkt Point India an der Innerdeutschen Grenze hatte. Ein bisschen beklemmend, aber dennoch dankbar über das Hier und Jetzt; darüber, dass wir nun einfach über diese Brücke rollen können, als wäre es das Normalste der Welt!
Dann also das große Berlin. Per Fähre geht es über den Wannsee, auf dessen nördlicher Seite wir den Havelradweg unters Profil nehmen. Freuen wir uns zunächst über den durchaus hübschen, ruhigen, wassernahen Radweg, so bekommen wir beim Durchqueren von Spandau einen Geschmack von rabiatem Großstadtverkehr inklusive Bepöbeleien aus dem fahrenden Auto, auf den wir getrost verzichten können. Berlin, du bist so sonderbar! Vor allem für Leute, die die Ruppigkeit der ganz großen Stadt nicht so ganz gewohnt sind.
Nachdem wir in Oranienburg einrollen, ist dort ein Graben, der ist weder breit noch tief, dann kommt auch gleich der nächste Getränkemarkt, so haben wir das lieb. Besonders genießen wir danach, dass so manche große Supermarktkette mittlerweile über eine Salatbar verfügt, an der man sich ganz einfach und nach Gusto mit frischem Gemüse und Vitaminen versorgen kann – und dass wir mit dem Rad flexibel genug sind, diese auch problemlos anzufahren. Denn nur Chips und Cola auf Tour sind auf Dauer auch keine Lösung. Während des Fußballspiels genießen wir das bequeme Hotelbett und die hochliegenden Füße, waschen ein paar Klamotten durch und freuen uns des Lebens. Nur die Mannschaft enttäuscht ein wenig, aber das ist eine andere Geschichte.
Tag 4 – Oranienburg – Kanustation Mirow – 97 km
Unser vierter Tag startet ebenso historisch wie auch nachdenklich – nicht weit vom Hotel besuchen wir das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen. Es macht einen sprachlos, sich vorzustellen, dass genau hier auf diesen Pflastersteinen einmal Soldaten in SS-Uniform herumliefen. Da fällt es schwer, einfach weiterzumachen als wäre nichts gewesen. Nie wieder darf so etwas passieren!
Doch weitergehen muss es. So verlassen wir nachdenklich Sachsenhausen in Richtung Gransee. Vorher warten aber noch einige kleine Highlights auf uns. Im völlig verschlafenen Dörfchen Großmutz finden wir zwar keinen Imbiss oder Supermarkt, aber einen Wurstautomaten mit geräucherter Hartwurst im Bifi-Style – lecker und kommt wie gerufen!
Der „Historische Stadtkerne Route 2“ folgend, stehen wir im nächsten kleinen Dorf Meseberg plötzlich vor einer enorm stattlichen, riesigen und hermetisch abgesperrten Schlossanlage. Später finden wir heraus, dass Schloss Meseberg als Gästehaus der Bundesregierung fungiert – kurios. Ob hier wohl Barack Obama schon mal aufs Kopfkissen gesabbert hat?
Wir nähern uns dem großen Stechlinsee, wo es auf einmal merklich touristischer wird – und extrem hügelig. Die Hitze macht uns ordentlich zu schaffen und Abkühlung ist nicht in Sicht.
Gerade als sich der Radtag langsam dem Ende neigt, muss es passieren – mein Hinterreifen ist platt! Zwangspause. Mühevoll zieht Simon den 2,1-Zoll-Reifen ab und wechselt vor sich hin fluchend den Schlauch, was bei der dicken Bereifung nicht mal eben leicht von der Hand geht. Leider will der Reifen nicht recht ins Felgenhorn ploppen, dafür reicht einfach der Druck der kleinen Handpumpe nicht aus. So muss ich erst einmal mit einem stark eiernden Hinterrad vorlieb nehmen – Hauptsache vorankommen. Und das an meinem Geburtstag 😉 In unserem Zielort Mirow angekommen besorgt Simon im Supermarkt kühle Getränke, während ich zum Campingplatz an der Kanustation vorfahre, um uns noch rechtzeitig vor Rezeptionsschluss anzumelden. Der Platz am Mirower See ist idyllisch schön und der Sprung ins kühle Nass nach fast 100 km radeln ein Muss. Abendbrot besteht heute aus unserer liebsten norwegischer Tütennahrung von Real Turmat, so darf ein ereignisreicher Tag gerne enden.
Bikepacking Tag 5 – Kanustation Mirow – Krakow am See – 89 km
Da heute Temperaturen von über 30 Grad vorhergesagt sind, und wir in den letzten Tagen doch recht fleißig geradelt sind, entschließen wir uns zu einem etwas kürzeren Tag, der dennoch an die 90 km reichen sollte. Von Mirow geht es schnurstracks Richtung Müritz, dem größten Binnensee Deutschlands. Schon morgens treiben uns die Temperaturen nicht gerade zu Höchstleistungen an, noch dazu nehmen wir einen falschen Abzweig und fahren damit einen eher sinnlosen, kraftraubenden Schlenker von 13 km Waldweg durch den allerdings sehr schönen Müritz Nationalpark. Immerhin konnten wir in Rechlin eine ordentliche Standpumpe auftreiben, um das Eierproblem am Hinterrad zu beheben, so fährt es sich direkt um Welten besser.
Im Tourizentrum Waren versorgen wir uns erst einmal mit Apfelschorle, Cola und Fischbrötchen und folgen anschließend wieder dem Fernradweg Berlin-Kopenhagen in Richtung Nossentiner/Schwinzer Heide, der touristische Trubel am Hafen ist nicht ganz so unser Ding. Durch das riesige Waldareal, gegen das unsere Dresdner Heide wie eine Baumschule wirkt, radelt es sich auch bei der Hitze wunderbar und wir schaffen die letzten Kilometer nach Krakow auf der Straße ohne Probleme. Auch hier gibt es einen gut sortierten Supermarkt mit Salatbar und ordentlich temperierte Getränke. Wie immer bewundere ich Simons Skill, mit einem 6 kg schweren Beutel am Lenker einhändig Fahrrad zu fahren – Helm ab!
Vom Zeltplatz am Krakower See sind wir begeistert – günstig, sauber, ein paar Sitzgruppen auf der Zeltwiese, keine extra Duschmarken und eine super Badestelle. Im Gegensatz zu Brandenburg merken wir in Meck-Pomm definitiv die höhere Frequentierung der Radwege und mehr Urlauber mit Wohnmobilen, die das wasserreiche Bundesland besuchen – dabei hat das große Feriengewusel noch nicht einmal begonnen!
Abends bestellen wir ganz bequem beim Pizzaservice und lassen den Tag gemütlich bei Radler und einem Sprung in den See ausklingen.
Tag 6 – Krakow am See – Rostock – 70 km
Schon um halb 7 am Morgen treibt uns die Hitze aus dem Zelt, um den sechsten und letzten Tag unserer kleinen Tour zu bestreiten. Zum Glück können wir nachts für ein bisschen Frischluft die Frontapsis unseres Zeltes komplett offen lassen. Heute Nachmittag wollen wir in Rostock ankommen, nur noch 70 km trennen uns vom Ziel. Radshirt und -Hose stehen vor Dreck und Sonnencremeresten, wir sind zerstochen, der Hintern freut sich ebenfalls über eine Pause, und da wir wieder einmal das Zelt direkt neben einer Laterne aufgestellt hatten, war der Nachtschlaf auch nicht gerade der erholsamste. Die Zeltplatz-Lernkurve steigt noch nicht exponentiell an, wir müssen da weiter an uns arbeiten. Dennoch sollte der Tag noch ein paar Highlights bereithalten.
Durch hügelige Wälder geht es nach Mühl Rosin, wo wir die schönste Badestelle der ganzen Tour vorfinden. Im Städtchen Güstrow stärken wir uns mit Limo und Apfelschorle im Schatten der riesigen St. Marien Kirche. Weiter geht es durch kleine Dörfer und über schwach befahrene Überlandstraßen, bis wir an einem Ortsrand ein ungewöhnliches Schild erspähen „Pastamanufaktur – Mittagstisch“. Uns hungrige Radler muss niemand zweimal fragen und schon sitzen wir an einem der schattigen Tische der kleinen Real Food Pastamanufaktur und lassen uns die unfassbar leckeren Nudeln mit frischem Pesto und Rucola schmecken – perfekt, fast wie in der Toskana!
Frisch gestärkt entscheiden wir uns, vor Schwaan östlich der Warnow über die Dörfer zu fahren anstatt des Standardweges über die Route Berlin-Kopenhagen. Auf einmal stehen wir vor einem Weidegatter, durch welche „unser“ Radweg geht – spannend. Schon bald sehen wir eine große Schafherde im Schatten der Bäume fläzend, alles Mutterschafe mit ganz frisch geschlüpften, winzigen Lämmern. Wir umfahren respektvoll, aufwendig und vorsichtig die Herde und ich freue mich über den durchaus entzückenden Anblick und das wilde „Mäh-en“ in verschiedensten Tonlagen.
Durch die brüllende Hitze von über 30 Grad haben wir großen Durst, doch keine Quelle ist in Aussicht… eine Fahrradflasche mehr wäre rückblickend doch nicht ganz verkehrt gewesen.
»Als wir die Autobahn bei Niex überqueren, sehen wir am Horizont schon die Kirchtürme Rostocks, doch in unserem Kopf nur ein Gedanke: Abkühlung! Tankstelle!«
Anschließend huggeln wir über ein gutes Stück Gravel, passieren ein Pärchen mit Tourenrädern, die einen platten Reifen flicken müssen. Da haben wir mit unseren Gravelbikes wirklich Glück, denn die erlauben uns, unwegsame Strecken zu fahren, bei denen ein Trekkingrad einfach an seine Grenzen kommen würde.
Dann endlich das Ortseingangsschild von Rostock, kurz darauf die Oase in Form eines Getränkemarktes, in den wir dürstend einfallen. Kaum ist das erste Kaltgetränk leer gibt es direkt noch eines – Durst ist schließlich viel schlimmer als Heimweh! Und wir haben gerade großen Durst!
Wir schlagen ein, klatschen ab und freuen uns, dass wir es wieder geschafft haben! Beinahe eine Woche Bikepacking immer gen Norden, es hat wieder super geklappt und großen Spaß gemacht! Durch die weiten Felder, Wiesen und Wälder zu rollen und dabei erneut den eigenen Horizont zu erweitern war ein super Erlebnis und ist eine große Empfehlung für alle, die gerne auch von der eigenen Haustüre weg neue Wege entdecken wollen. Das Abenteuer beginnt direkt mit der ersten Kurbelumdrehung, wenn man das heimatliche Ortsschild hinter sich in der Ferne verschwinden sieht. Die Heimat und alles was sich dahinter erstreckt sind die perfekte Einladung für den nächsten coolen Urlaub – man muss sich nur trauen!