Unsere Kolumnistin ist leidenschaftliche Backpackerin und wird auf Reisen magisch angezogen von skurilen Situationen. In der letzten Folge erkundet sie die Unterwasserwelt von Mikronesien.
Diese Episode erlebte ich zu einer Zeit, als Reisewarnungen und Hygienevorschriften noch in weiter Ferne lagen. Damals buchte ich einen Flug nach Palau in Mikronesien – geködert von Fotos winziger Inselhaufen und einem noch winzigeren Preis. Was ich erst danach erfuhr: Auf Palau ist nicht viel los, unter Palau umso mehr. Die starken Strömungen treiben hier alles vorbei, was der Ozean zu bieten hat. Und so beschloss ich, auf die Schnelle noch einen Tauchschein zu machen.
»Nur eins fehlte mir noch zu meinem Reiseglück: ein Tauchschein.«
»Palau? Du fängst also mit dem Ferrari an«, lacht Tauchlehrer Otto, der mir noch in Deutschland zum Schein verhelfen soll. Zuversichtlich warte ich auf meinen ersten Tauchgang – in einem Tank einer früheren Erdinger Sauerkrautfabrik. Schwungvoll will ich aufstehen. Vergeblich. Die schwere Tauchflasche nagelt mich auf der Bank fest. Kleinlaut watschle ich an Ottos Arm zum Becken. Mit einer Rückwärtsrolle soll ich hinein und danach an der Oberfläche treiben. Ich atme durch, dann stürze ich mich ins kalte Wasser – und sinke wie ein Stein auf den Fliesenboden. »Du musst schon Luft in deine Weste pumpen«, schimpft Otto und hievt meinen schreckensstarren Körper über den Beckenrand. Wäre mir diese Schusselei im Meer passiert, hätte ich den Tiefseefischen ein »Deep Five« geben können. »Das Schlimmste im Wasser ist Panik«, bläut Otto mir noch ein.
Sein Satz hallt noch nach, als ich mich wenig später in Palau wiederfinde – gemeinsam mit acht Profitauchern, die mich für eine von ihnen halten, bis ich vor Aufregung meinen Wetsuit verkehrt herum anziehe. Zwei Mal. Aufmunternd klatschen sie mich ab. Nur die Rentner Dieter und Siegfried teilen meine Sorge, dass ich uns alle aufhalten werde. Wieder muss ich rückwärts ins Wasser. Nur sind diesmal keine Fliesen in Sicht. Skeptisch beäugt von Dieter und Miesfried lasse ich mich fallen – und eine neue Welt tut sich auf. Über uns kreisen Rochen. Ein Schwarm Barrakudas glotzt Dieter und Grinsfried hinterher, die glücklich in einem Schiffswrack verschwinden. Und alle paar Meter sagt ein Hai »Hi!«.
Sechs Rückwärtsrollen später tauche ich wie ein Profi zwischen den Profis. Links die Korallenwand, rechts das tiefe Blau, wo ich gerade nach einem neuen Schwarm suche. Da sticht es in meinen Ohren. Ich blicke hinauf. Dietmar und Sinkfried sind miniklein und werden immer kleiner. Tauchguide Chris schießt zu mir herab, wirft mich in Richtung Riff und performt eine Pantomime, die ich erst als YMCA, dann als »Bleib da!« deute. Während Chris zur nächsten Taucherin rast, kralle ich mich in den Fels, beiße Furchen in meinen Atemregler und sehe minutenlang keinen mehr, außer ein paar Haien, die nicht zum »Hi!«-Sagen kommen, weil sie senkrecht in die Tiefe brausen. Eine Ewigkeit später kehrt Chris zurück und wir klettern die Steilwand empor, bis der Sog uns endlich freigibt. Zurück im Boot bei Keuchfried und Dieter erzählt Chris: Das war die stärkste Abwärtsströmung seines Lebens.
Meine Tauchtaufe ist also bestanden. Und ich habe immer noch Lust auf Meer.
DORIS MÜLLER
ist 33 Jahre alt und Comedy-Autorin für TV und Radio. Weil sie nebenbei die Welt mit dem Rucksack erkundet, hat sie an dieser Stelle oft von spannenden und kuriosen Begegnungen unterwegs erzählt. Leider verlieren wir Doris jetzt an das Autorenteam der »heute show« im ZDF. Das Globetrotter Magazin wünscht ihr dort viel Erfolg!