Kanada ist Ehrengast der Frankfurter Buchmesse vom 20. bis zum 24. Oktober 2021. Unter dem Motto »Singular Plurality« präsentiert das Ahornland die unglaubliche Vielfalt der Kultur des Landes – großartige indigene Geschichtenerzähler, anglo-kanadisch und franko-kanadische Autoren sowie Migranten, die ihre Sprache und Kultur mitgebracht und die kollektive Identität Kanadas geformt haben. Die Reise in die Gegenwartsliteratur Kanadas führt in seine atemberaubend weite Natur und in pulsierende Städte, zu spannender Geschichte und den Menschen, die davon geprägt wurden. – Mit etwas Glück könnt ihr ein Exemplar von Robin Wall Kimmerers »Geflochtenes Süßgras« gewinnen. Teilnahme am Ende des Beitrags!
– Gewinnspiel und Redaktion in freundschaftlicher Zusammenarbeit mit Destination Canada. Fotos: Destination Canada
LOUISE PENNY
»DER VERMISSTE WEIHNACHTSGAST«
Mit dem kanadischen Hercule Poirot die Idylle Québecs entdecken
Die Eastern Townships im südöstlichen Teil Québecs sind die zweite Heimat der aus Toronto stammenden Schriftstellerin Louise Penny, die mit ihren Inspector-Gamache-Krimis regelmäßig in den deutschen Bestsellerlisten landet. Bezaubernde Kleinstädte mit viktorianischen Villen liegen dort inmitten hügeliger Landschaft mit Seen und Wäldern, die sich im Herbst in leuchtendes Rot oder Orange färben und im Frühjahr den berühmten Ahornsirup liefern.
Inspiriert von dieser Postkartenidylle entwarf Louise Penny die fiktive Gemeinde »Three Pines«, in der in all ihren Krimis das Grauen spielt – so auch im neunten Fall »Der vermisste Weihnachtsgast«.
Fans der Krimi-Reihe können den Spuren Gamaches folgen und die Lebensfreude und besondere Kultur der Region entdecken, die in all ihre Geschichten eingewebt ist: Auf einer Reise zu Dreh- und Angelpunkten rund um »Three Pines« oder kreuz und quer durch Québec, von den Eastern Townships über die Städte am Sankt-Lorenz-Strom bis in die pulsierende Metropole Montréal.
ANNIE L’ITALIEN
»ÉMILIE UND DAS KLEINE RESTAURANT«
Kultur, Leidenschaft und gutes Essen in Québec
»Émilie und das kleine Restaurant« erzählt mit Herz und Humor die Geschichte dreier Frauen in der kanadischen Provinz Québec, die eines gemeinsam haben: Sie widmen sich mit Leib und Seele dem Kochen und machen ihre Leidenschaft gegen alle Widerstände zum Beruf. Inspiriert wurde die Montréalerin Annie L’Italien zu diesem Wohlfühlbuch von den zahlreichen Kochshows. Kein Wunder, denn die Stadt vor ihrer Haustür weiß so einiges über Leidenschaft und gutes Essen.
Montréal hat die meisten Restaurants pro Kopf der Bevölkerung in Kanada. Die Bandbreite der Restaurants, Menüs und Spezialitäten spiegelt die einzigartige Stadtkultur der Vier-Millionen-Metropole wider. Innerhalb der Stadtgrenzen wird in etwa 120 Sprachen kommuniziert – ganz klar also, dass Gerichte aus aller Welt serviert werden, und das mit französischem Touch und von jungen Chefs, deren Hintergrund ebenso multikulturell ist wie die Stadt und deren Kochkunst selbst. Lange waren es frische Bagels aus den Backöfen im Viertel Mile End, das Smoked Meat-Sandwich aus den Kantinen am Boulevard St-Laurent und Poutine, Québecs nationales Fastfood-Gericht aus Pommes Frites, Käsebruch und Bratensoße. Heute dagegen sind es argentinische Teigtaschen, als Verneigung vor Québecs kulinarischen Traditionen gefüllt mit Entenherzen statt mit Rindfleisch. Oder Heilbutt mit Currykürbis, dessen Kokosnuss- und thailändische Makrut-Limetten-Akzente die Hausmannskost in Mauritius zitieren. Die von den jungen Chefs verwendeten Produkte und Zutaten stammen von den großen Wochenmärkten Montréals wie dem Marché Atwater im Viertel Saint-Henri und dem Marché Jean-Talon in Petite-Italie. Beide werden vor allem von den organischen Gärten und Bio-Farmen im Umland der Stadt beliefert. Schicke Bistros, zwanglose Esslokale und Pop-up-Restaurants, die neue kulinarische Konzepte testen, machen das Essen gehen – das in Montréal rituell zelebriert wird und »diner au restaurant« heißt –, zum Vergnügen.
Dieser Titel ist momentan noch nicht bei Globetrotter Ausrüstung verfügbar.
TANYA TAGAQ
»EISFUCHS«
Über eine Kindheit als Inuit-Mädchen tief in der Arktis
In die raue, von Eis überzogene Wildnis des größten und am dünnsten besiedelten geographischen Teil Kanadas führt das literarische Debüt der Musikerin Tanya Tagaq: »Eisfuchs« erzählt von einer Kindheit in den 1970er-Jahren am nördlichen Polarkreis im nordkanadischen Territorium Nunavut, einem Archipel gut sechsmal so groß wie Deutschland.
Dort, wo die Luft so sauber ist, dass man – so Tanya Tagaq – den Unterschied zwischen glattem und zerklüftetem Fels riechen kann. Wo die Schule ausfällt, wenn Eisbären gesichtet oder Temperaturen ab minus 60 Grad Celsius gemessen werden.
Durch die Augen der jungen Ich-Erzählerin wandern ihre Leser durch die Tundra in der Heimat der Inuit, paddeln auf improvisierten Flößen übers Eiswasser und sehen das Leuchten der Polarlichter oder die Schönheit des Polarfuchses.
Wer die Heimat Tanya Tagaqs, die Inuit-Kultur und die ursprüngliche Wildnis Nunavuts selbst entdecken möchte, der besucht Cambridge Bay an der legendären Nordostpassage, bereist die drei Nationalparks des Territoriums oder besucht Festivals der Inuit.
JOCELYNE SAUCIER
»EIN LEBEN MEHR«
Aussteigen und in den Wäldern Ontarios in die Natur abtauchen
Tom und Charlie, zwei Greise in den Achtzigern, haben beschlossen, den Rest ihres Lebens zu ihren eigenen Bedingungen zu leben – versteckt vom Rest der Welt in den endlosen Wäldern Nord-Ontarios. Die Aussteiger jagen, fischen, und werkeln an ihren Hütten. »Ein Leben mehr« der Frankokanadierin Jocelyn Saucier zeigt den Traum des Lebens in absoluter Ungebundenheit. In der Freiheit, nichts zu verlieren zu haben.
Dass die Autorin als Schauplatz die nordkanadische Wildnis gewählt hat, ist kein Zufall. Wundervoll und zugleich voller Unwägbarkeiten, ist sie das Symbol dieser Freiheit. In Kanadas Nationalparks zeigt sich die Natur in ihrer ganzen Schönheit und Großartigkeit, in der jeder Besucher seinen Traum von Freiheit und Abenteuer selbst erleben kann. 48 Nationalparks warten auf Besucher. Sie schützen mit über 340.000 Quadratkilometern eine Fläche, die fast so groß ist wie Deutschland.
NAOMI FONTAINE
»KLEINE SCHULE DER GROSSEN HOFFNUNG«
Ein neuer Blickwinkel auf die Kultur der Innu
Acht Autostunden von Québec City entfernt liegt das Reservat Uashat, bekannt als Sept-Îles (Sieben Inseln), in Innu-Sprache »die Bucht«. Es ist Naomi Fontaines Heimat im hohen Norden Québecs, die sie als siebenjähriges Mädchen verließ, um mit ihren Eltern in die Hauptstadt zu ziehen. Doch die Erinnerungen an ihre Kindheit und ihr kulturelles Erbe haben die preisgekrönte kanadische Autorin nie losgelassen. Nach ihrem Studium an der Université Laval in Montréal kehrte sie als Lehrerin zurück zu ihrer Gemeinschaft am Ufer des mächtigen Sankt-Lorenz-Stroms und schrieb gleich zwei Romane über ihre Rückkehr.
Ihr zweites Werk »Die kleine Schule der großen Hoffnung«, entführt ihre Leser in die vielschichtige Welt der Inuit Québecs, ihrem Leid, aber auch ihren Träumen und Sehnsüchten. Naomi Fontaine ist es wichtig, ein authentisches Bild ihres Volkes zu zeigen, und die Rückkehr der First Nations zu ihrem Erbe, ihrer Sprache und ihren Traditionen.
Auf den Spuren dieser Traditionen reisen Besucher tief ins Herz des Innu-Landes, in die Region Duplessis. Mit Landschaften voller riesiger Wälder, Seen und Flüsse. Der Sankt-Lorenz-Strom ergießt sich hier in den mächtigen Sankt-Lorenz-Golf. Wale ziehen durch das Gewässer, Vögel nisten in den Klippen. Rund 500 Kilometer von Sept-Îles entfernt liegt die Innu-Gemeinde Unamen Shipu, in der der die Innu-Kultur praktisch intakt ist und Reisenden Einblicke in die traditionelle Hummerfischerei oder alte Handwerkstechniken bietet.
MICHELLE WINTERS
»ICH BIN EIN LASTER«
Tief in die akadische Kultur eintauchen auf dem Acadian Coastal Drive in New Brunswick
Liebe gegen Verlust, Symbiose gegen Emanzipation, Rock gegen Folk, Ford gegen Chevy: »Ich bin ein Laster« ist Krimi und Emanzipationsgeschichte, Roman und Erzählung. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Agathe und Réjean Lapointe, die das Geheimnis einer harmonischen Ehe entdeckt haben: großzügig akzeptierte kleine Lügen. Als Réjean, nachdem er sich mit einem Anglofonen angefreundet hat, von einem Angelausflug nicht mehr heimkehrt und sein vielgeliebter Chevy Silver aufgefunden wird, tun sich allerdings ein paar Fragen auf.
Die englische Originalausgabe trägt dem akadischen Hintergrund mit eingestreuten, komplett auf akadisch geführten Dialogen à la »Ben, je drive mon truck« Rechnung. Die deutsche Übersetzung hat zum Glück viele davon stehenlassen.
Der akadische O-Ton von Nouveau Brunswick, bei dem selbst die Vettern aus Québec die Ohren spitzen müssen, lässt sich leicht bei einer Fahrt auf dem Acadian Coastal Drive von Moncton nach Caraquet hören. Auf der alten – zum Acadian Coastal Drive gehörenden – Küstenstraße 11 hören Besucher akadisch, sobald sie »Bonjour« sagen. Ein Roadtrip klingt wie die originelle Begleitmusik zur Geschichte von Agathe und Réjean. Das typisch akadische Feeling mit bunten, weit auseinander stehenden Holzhäuser auf beiden Straßenseiten, neben denen sich Hummerreusen stapeln, gibt’s inklusive.
DAVID CHARIANDY
»FRANCIS«
Auf den Spuren einer Kindheit in Torontos Bezirk Scarborough
In der Natur des Rouge Valley, der »grünen Narbe«, die sich durch ihre Nachbarschaft zieht, träumen Michael und Francis im Roman »Francis«, den der Guardian als »elegant, wichtig, fulminant, das bewegendste Buch des Jahres« betitelte, oft von einer besseren Zukunft.
Die Brüder trinidadischer Herkunft wachsen Mitte der 1980er-Jahre in Scarborough am Stadtrand Torontos in schwierigen Verhältnissen auf. Einheimische nennen das Viertel damals auch »Scarle« oder »Scar-bro«.
Die Parallelen zu Chariandys eigenen Wurzeln sind offensichtlich, auch seine Eltern kamen aus Trinidad nach Scarborough. Im Gegensatz zu seinen Romanfiguren hatte Chariandy jedoch das Glück, die Kindheit in Scarborough in relativer Stabilität zu erleben. Er hing mit coolen Kids aus der Hip-Hop-Szene und der DJ-Kultur ab, darunter Andrew Kishino, heute auch bekannt als Rapper Big Kish.
Die Vielfältigkeit des Bezirks, die Chariandy erlebt hat und die er in seinem Roman beschreibt, kann heute selbst erleben, wer sich auf Spurensuche begibt: Auf ungewöhnlichen Wegen geht es am Rande Torontos zu multi-kulturellen, kulinarischen Highlights, verblüffend schöner Natur, wie den berühmten weißen Klippen Scarborouh Bluffs, oder zu Outdoor-Abenteuern im Rouge Valley.
LISA MOORE
»UND WIEDER FEBRUAR«
Eine Geschichte des Glücks in Neufundland
Lisa Moores Roman »Und wieder Februar« erzählt eine Geschichte rund um den Untergang der Ölplattform Ocean Ranger 1982 in Neufundland, bei dem alle 84 Männer an Bord getötet wurden. Trauer durchströmt das Buch wie ein Fluss, der alles vor sich herträgt. Nebenarme münden aus der Vergangenheit in die Gegenwart, in das Leben von Helen, die bei dem Unglück ihren Mann verloren hat. Und dennoch ist der Roman auch eine Geschichte von der Möglichkeit des Glücks – und damit eine typisch neufundländische Geschichte.
Die Neufundländer Neufundländer gelten als die freundlichsten Kanadier! Ob es nun das keltische Erbe ist, ihre Autarkie oder das Leben in den kleinen Fischerdörfern, Lichtjahre entfernt von St. John´s, der einzigen Großstadt: Ihre Gemütsart ist auf jeden Fall einzigartig.
Visionäre Einheimische sind die treibenden Kräfte, wie die Unternehmerin Zita Cobb, die mit dem Ziel, die Communities zu stärken die Shorefast Foundation gegründet und das luxuriöse Fogo Island Inn gebaut hat, das ausschließlich mit Mobiliar einheimischer Handwerker eingerichtet ist. In vielen Orten gibt es kleine aber feine Ateliers, die handgemachte Teppiche, farbenfrohe Quilts und Keramik anbieten. Und die einzigartige Natur liegt in Neufundland vor jeder Haustür: Wale, Eisberge und wilde Weite.
MICHAEL CRUMMEY
»DIE UNSCHULDIGEN«
Ein literarischer Blick in die raue Seele Neufundlands
Auf Neufundland reicht es, das Fenster zu öffnen, um Großartiges zu sehen: Schwarze Rückenflossen von Schwertwalen, die das Meer teilen. Eisberge, die im Sommer vor der Küste treiben, angeschoben vom Labradorstrom. Oder die bunten Holzhäuschen der vielen Fischerdörfer und der Hauptstadt St. Johns, die sich auf steilen Hügeln aneinander reihen. »Es ist spektakulär schön und andererseits eine Herausforderung, hier zu leben«, sagt Michael Crummey, der 1965 auf Neufundland geboren wurde und seit 2001 mit seiner Familie nahe der Hauptstadt St. John‘s im Südosten der Insel lebt.
Seine Romane »Sweetland« und die »Die Unschuldigen« sieht er als Hommage an die ganz eigene Kultur und den Zusammenhalt der Neufundländer. Was sie zu dem gemacht hat, was sie sind, davon erzählt Crummeys Roman »Die Unschuldigen«, der im 18. Jahrhundert spielt. Ada und Evered, neun und elf Jahre alt, haben ihre Eltern verloren und kämpfen im rauen Klima Neufundlands ums Überleben. Dabei orientieren sie sich an dem, was sie von ihren Eltern gelernt haben: Kabeljaufang, Holz hacken, Beeren suchen, Strandgut sammeln.
Wer heute durch Neufundland reist, kann an vielen Orten noch der Vergangenheit nachspüren: Unterwegs mit Fischern zu Eisbergen und Buckelwalen, auf den atemberaubend schönen Inseln wie Fogo Island oder Twillingate, das sich auch stolz die »Eisberghauptstadt der Welt« nennt, auf Hiking-Touren auf dem East-Coast Trail oder durch den Gros-Morne National Park.
MICHAEL CHRISTIE
»DAS FLÜSTERN DER BÄUME«
Eintauchen in die letzten Urwälder Britisch Columbias
Noch kann man die unberührte Natur des Great Bear Rainforests an der Pazifikküste British Columbias entdecken, der global etwa ein Viertel des gemäßigten Regenwaldes ausmacht. Auf Vancouver Island lässt man sich vom Grün des Küstenregenwalds in der Fjordlandschaft des Clayoquot Sound verzaubern. Seit dem Jahr 2000 eines von 18 UNESCO-Biosphärenreservaten Kanadas. Oder von den Mythen der Xai’xais First Nations, die seit Jahrhunderten in dieser Region leben. Lauscht den seltenen, dort heimischen sogenannten Geisterbären.
Doch was bleibt von der wilden Schönheit, wenn der Klimawandel nicht gestoppt wird? In der Familiensaga »Das Flüstern der Bäume« gibt Michael Christie darauf eine pessimistische Antwort: nicht viel. Eine Naturkatastrophe namens »Great Withering« hat im Jahr 2038 alles zerstört. Nur auf der fiktiven Insel »Greenwood« vor Vancouver können sich reiche Touristen noch ein Bild von der grünen Pracht eines verloren gegangenen Ökosystems machen. Dort sind die Urwälder noch halbwegs intakt.
Seit Generationen verbindet alle Familien auf Greenwood eines: der Wald. Wer mit eigenen Augen sehen will, was es zu bewahren gilt, sollte sich auf den Weg machen, zu den schönsten Urwalddestinationen an Kanadas Westküste: Dem Great Bear Rainforest, Chun T’oh Whudujut Provincial Park, MacMillan Provincial Park auf Vancouver Island oder auf eine Bootstour durch den Gwaii-Haanas-Nationalpark.
JOCELYNE SAUCIER
»WAS DIR BLEIBT«
Auf XXL-Zugfahrt durch die Weiten Kanadas
Wie in einer Blase, in der die Zeit stillsteht. So würde man sich in einem Zugwaggon fühlen, der nachts durch die Wälder schneidet, sagt Jocelyne Saucier. Warm und geschützt. Die 72-jährige Bestsellerautorin, die seit 1961 in Eouyn-Noranda im Westen der Provinz Québec lebt, schreibt nicht nur auf Zugreisen; sie lässt sich auch von vorbeiziehenden Landschaften und Begegnungen mit Passagieren inspirieren. So entstand die Initialzündung für ihren neuesten Roman auf einer rund zehnstündigen Zugfahrt zwischen Cochrane und Toronto. »Ich sah eine ältere Dame, die alleine reiste. Irgendwann hielt der Zug und alle Passagiere sprachen miteinander, nur diese alte Dame verließ ihren Platz nicht. Fasziniert fragte ich mich: Warum verhält sie sich so reglos wie eine Wachsfigur. Läuft sie vor etwas davon? Weiß sie, wohin sie geht?« Der Charakter der Gladys war geboren.
Einsteigen und Abenteuer erleben
Im Roman besteigt die 76-jährige Protagonistin eines Tages ohne jede Ankündigung den Northlander-Zug, um spurlos aus ihrem kanadischen Dorf zu verschwinden. Wie ein Vagabund ohne Kompass fährt Gladys über 3.000 Kilometer in Dutzenden Zügen durch die Weiten Nordkanadas, zurück an die Orte ihrer Kindheit. Der Leser begleitet ihre Suche. Erfährt von den »Schulzügen«, die zwischen 1926 und 1967 Bildung in abgelegene Gegenden brachten. Von ihrer komplizierten Beziehung zu ihrer Tochter. Von historischen Eisenbahnen, die die Weite des Nordens durchschnitten und sein Schicksal prägten.
»Der Norden inspiriert mich«, sagt Saucier. »Er ist kein bukolisches Hinterland, er hat eine ziemlich wilde Geschichte!« Sauciers Roman macht Lust darauf, selbst einzusteigen und eigene Abenteuer in den Weiten Québecs und Ontarios zu erleben. In der warmen Blase Zug die Landschaften des Nordens an sich vorbeiziehen zu lassen.
Dieser Titel ist momentan noch nicht bei Globetrotter Ausrüstung verfügbar.
DAVID A. ROBERTSON
»ALS WIR ALLEINE WAREN«
Auf indigenen Spuren
»Als wir allein waren« ist ein Kinderbuch des kanadischen Schriftstellers David A. Robertson. Robertson, ein Mitglied der Norway House Cree Nation am Lake Winnipeg, erzählt darin in einfachen Worten und Bildern ein Kapitel der kanadischen Geschichte, dessen Aufarbeitung bis heute andauert: das der Residential Schools. Diese Schulen existierten von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er-Jahre und wurden ausschließlich von indigenen Kindern besucht. In den Schulen sollten sie zu weißen Kanadiern erzogen werden. Dort lernten sie Englisch – und wurden bestraft, sobald sie ihre eigenen Sprachen benutzten.
Was hinter den Mauern dieser Schulen geschah, gelangte erst in den 90er-Jahren an die Öffentlichkeit. Manchen First Nations gelang inzwischen die schmerzhafte Aufarbeitung des Geschehenen. So folgten die Ktunaxa First Nations zwischen Cranbrook und Fort Steele (British Columbia) dem Rat ihrer Ältesten, sich zurückzuholen, was ihnen damals genommen wurde. In den neunziger Jahren erwarben sie die St. Eugene Mission, die fast einhundert Jahre als Residential School gedient hatte, und verwandelten das wuchtige Gebäude in ein attraktives Resort mit 18-Loch-Golfplatz und Kasino. Für die Gäste gibt es neben den üblichen Annehmlichkeiten ein-und mehrtägige interkulturelle Programme, bei denen die Ältesten nicht nur über ihre uralte Kultur sprechen, sondern auch über ihre oft traumatischen Erlebnisse als Schüler der St. Eugene Mission. Die Ktunaxa First Nations machten so aus einem Symbol ihrer Unterdrückung einen Motor für die Modernisierung ihres Reservates.
Nicht nur die Ktunaxa nutzen den Tourismus für soziales, wirtschaftliches und politisches Empowerment. Der Torngat Mountains National Park im Norden von Labrador beispielsweise stellt einen ausschließlich aus Inuit bestehenden Vorstand, der die Regierungsbehörde Parks Canada bei der Leitung des Parks berät. Darüber hinaus sind – vom Superintendent bis zum Bärenführer – alle Mitarbeiter des Parks Inuit, und einheimische Älteste und Inuit-Studenten empfangen Besucher im Base Camp, einer auch als Begegnungsstätte fungierenden Forschungsstation am Rand des Nationalparks. Der Ivvavik National Park im äußersten Norden des Yukon Territory ist ähnlich strukturiert. Gemeinsam haben die Initiativen in jedem Fall eins: Sie ermöglichen authentische Begegnungen und Erlebnisse, bei denen die Besucher tief in die indigene Kultur eintauchen können.
MIRIAM TOEWS
»KLEINSTADTKNATSCH«
Mikrokosmos Kleinstadt in der Prärie Manitobas
Der Einfluss ihrer Biografie, die Erinnerungen an die Kindheit in den Prärien Manitobas und der Ausbruch aus der Enge der Kleinstadt ihrer Kindheit, die sie mit 18 Jahren verließ, um Europa zu bereisen, ist in Miriam Toews Romanen deutlich zu spüren. Auch »Kleinstadtknatsch«, eine humorvolle Geschichte rund um die Herausforderungen der »kleinsten Kleinstadt Kanadas«, die dafür sorgen muss, dass die Kleinstadt auch wirklich klein bleibt, nimmt den Leser mit auf eine Reise in die Vergangenheit der Autorin, tief in die Prärien der Provinz Manitoba. In einen Landstrich voller charmanter Kleinstädte inmitten weiter Natur.
Ihre Kindheit verbrachte Toews in der »Kleinen Gemeinde«, einer Gruppe von Russlandmennoniten, die sich Ende des 19. Jahrhunderts in Manitoba niederließ. Obwohl viele Mitglieder der evangelischen Freikirche heute auch ein modernes Leben führen, leben Mennoniten traditionell von der Landwirtschaft, bleiben für sich und räumen dem Glauben einen großen Platz in ihrem Leben ein. Bücher zu schreiben, das war nichts, was ein mennonitisches Mädchen aus der Prärie tun sollte.
Toew tat es. Sie schrieb »Summer of my amazing luck« (deutscher Titel: »Sommer meines Lebens«), das 1996 veröffentlicht wurde. Als sie ihren Roman in einer Buchhandlung sah, dachte sie: »Heilige Scheiße, ich bin damit durchgekommen!«, wie sie dem The New Yorker im März 2019 berichtet.
Mit ihrem Roman „A Complicated Kindness“ (Ein komplizierter Akt der Liebe), der das Leben der 16-jährigen Tochter von Russlandmennoniten beschreibt, die davon träumt, aus der Enge ihrer Kleinstadt-Welt auszubrechen, wurde sie 2004 international bekannt. Der Roman blieb über ein Jahr lang auf den kanadischen Bestsellerlisten und wurde mit dem Governor General’s Award for Fiction, dem bedeutendsten Literaturpreis Kanadas, ausgezeichnet.
Nun erscheint ihr zweiter Roman »A Boy of Good Breeding« unter dem Titel »Kleinstadtknatsch« auf deutsch.
Der Titel ist momentan nicht bei Globetrotter Ausrüstung erhältlich.
☙ G E W I N N S P I E L ❧
Die Tage werden kürzer. Der Tee dampft. Die Leseecke wartet. Wir läuten den Lese-Herbst mit einem Gewinnspiel ein. Verrate uns deine E-Mail-Adresse und mit etwas Glück gewinnst du eins von zehn Exemplaren von Robin Wall Kimmerers »Geflochtenes Süßgras«. Teilnahmeschluss ist der 30.11.2021.
Robin Wall Kimmerer flicht aus indigener Weisheit und wissenschaftlichen Erkenntnisse einen Zopf an Geschichten über die Großzügigkeit der Erde. Ein ernsthaftes Buch. Ein heiteres Buch, voller Geschichte und Geschichten.
Für alle Hüter des Feuers
meine Eltern
meine Töchter
und meine Enkel
die an diesem schönen Ort noch zu uns kommen werden
Robin Wall Kimmerer
Leider ist der Teilnahmeschluss des Gewinnspiels schon verstrichen. Melde dich zum Newsletter an und verpasse keine Gewinnspiele mehr!