Nachhaltigkeit hat bei Globetrotter eine lange und spannende Geschichte. Und die kennt keiner besser als Geschäftsführer Andreas Bartmann.
Moin Andreas. Dass »Nachhaltigkeit Teil der Firmen-DNA« sei, behaupten ja viele. Du bist bereits bei der Globetrotter Gründung 1979 dabei gewesen. War Nachhaltigkeit damals schon ein Thema?
Nachhaltigkeit oder Kreislaufwirtschaft waren noch keine gesellschaftlichen Schlagworte, doch im Gründer-Team gab es engagierte Umweltschützer, Entdecker, Naturfotografen und Ornithologen. Auch der Globetrotter Kundschaft liegt die Natur und deren Schutz seit jeher am Herzen. Dieses ökologische Grundrauschen führte bald zu konkreten Kooperationen, etwa mit dem Bund für Naturschutz (Nabu). Für die Hamburger Filiale wurden Fledermaus-Brutkästen konzipiert und installiert. Dieses bauliche Engagement setzte sich fort – heute in weitreichenden Ladenbau- und Sanierungskonzepten, aber auch in Details wie einem Bienenhotel in der 2021 eröffneten Filiale Hannover.
Dem Nabu Hamburg ist Globetrotter noch immer verbunden?
Ja, das sind alte Freundschaften. Seit 1995 sind wir Partner und Sponsor beim Hanse-Umweltpreis. Seit 2008 läuft diese Kooperation über die Globetrotter Stiftung, die sich vornehmlich dem Naturschutz, der Völkerverständigung und der Armutsbekämpfung widmet.
Was ist dran an dem Gerücht, Globetrotter habe Greenpeace das Klettern beigebracht?
Greenpeace Deutschland wurde kurz nach Globetrotter gegründet. Eine der ersten Aktionen war 1980 die Besetzung eines Industrieschornsteins in Hamburg, um auf den Ausstoß von Dioxin und anderen Umweltgiften aufmerksam zu machen. Sagen wir mal so: Bei Kletter-Equipment und -Training für die Jungs hatten wir ein bisschen die Hände im Spiel. Greenpeace und Globetrotter haben damals einiges voneinander gelernt.
Was hat Globetrotter denn von Greenpeace gelernt?
Als Greenpeace später besonders umweltfreundliche Produkte vermarkten wollte, stiegen wir als Partner ein. Die Greenpeace-Leute stellten dabei sehr klare Forderungen – damals habe ich zum ersten Mal realisiert, wie groß der Aufwand ist, wirklich nachhaltige Ausrüstung zu konzipieren und herzustellen. Zum Beispiel haben wir mit Ortlieb die erste PVC-freien Fahrradtaschen entwickelt. Die Taschen waren deutlich teurer und wurden uns nicht gerade aus den Händen gerissen. Der Marktanteil lag unter zwei Prozent. Wir reden hier über das Jahr 1999. Es wurde klar: Das wird ein langer Weg – und wir müssen die Hersteller ins Boot holen, aber auch die KundInnen.
Die Kooperation war also kein Erfolg?
Doch, denn damals wurde eine ganz entscheidende Weiche gestellt. Wir haben gelernt: Es geht nicht nur um Preis und Marge, sondern um eine ganzheitliche Betrachtung. Wir müssen und wollen nicht alles anbieten, was der Markt hergibt. Mittlerweile haben wir klare Regeln für unser Sortiment entwickelt und verzichten bewusst auf bestimmte Produkte – mit der Konsequenz eines niedrigeren Gesamtumsatzes von bis zu 15 Prozent.
Wie schwer ist es, solch nachhaltige Konzepte umzusetzen?
Zunächst müssen es alle Beteiligten wirklich wollen: die Mitarbeitenden, die EigentümerInnen, die Lieferanten, die KundInnen. Mit dieser Grundlage legst du dann in verschiedenen Bereichen los, wobei die Methoden immer professioneller geworden sind: Heute läuft vieles über Audits und Zertifikate, das reicht von Footprintanalysen einzelner Produkte bis zum Monitoring des gesamten Unternehmens.
Sind nachhaltige Standards und Labels eine Hilfe?
Einer der ersten Standards im Globetrotter Sortiment war bluesign – mit Schwerpunkt nachhaltiges Chemikalienmanagement in der Textilproduktion. Dann folgten weitere Standards, die soziale Arbeitsbedingungen oder auch Tierwohl in den Mittelpunkt stellten. Viele gute Initiativen. Um den Zugang für die KundInnen zu vereinfachen, haben wir mit »Eine Grünere Wahl« ein eigenes Programm konzipiert und so ein klares Gateway geschaffen. Das klingt jetzt alles einfach, hat aber weit über zehn Jahre harte Arbeit erfordert.
Was wäre deine Idealvorstellung von einer nachhaltigen Produktion?
Völlige Transparenz der Lieferkette. Es gibt schon positive Einzelfälle bei unseren Lieferanten, etwa Ortlieb, die bis heute alles in Deutschland produzieren. Es geht aber auch international: Tatonka, Stammsitz in Bayern, besitzt in Vietnam eine eigene Produktion, die Mitarbeitenden sind fest angestellt, man kann da jederzeit auftauchen und sich alles transparent anschauen – das haben wir auch schon gemacht.
Wie reagieren die KundInnen auf dieses Engagement? Das hat ja seinen Preis, Globetrotter gilt nicht als Billiganbieter …
Mit all diesen Maßnahmen, die weit über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen, haben wir uns einen hohen Vertrauensvorschuss erarbeitet, den wir auf keinen Fall verspielen dürfen. Die KundInnen verlassen sich darauf, dass wir ihnen das bestmögliche Sortiment anbieten. Das ist auch meine größte Motivation: immer am Ball zu bleiben. Wir bieten Second-Hand-Ware, Ausrüstungsverleih, Reparaturwerkstätten – kommerziell ist das derzeit nicht wirtschaftlich, aber eben im Sinn der Kreislaufwirtschaft zukunftsweisend.
Aber die KundInnen ziehen mit?
Da hat sich sehr viel getan. Früher haben wir – siehe Greenpeace-Kollektion – sicher Überzeugungsarbeit leisten müssen. Als wir 2007 alle Globetrotter Standorte auf Öko-Strom umstellten, kam die Idee auf, auch die KundInnen für das Thema zu sensibilisieren. Drei Jahre später konnte man dann direkt Verträge mit unserem Partner Lichtblick abschließen. Das wurde sehr gut angenommen. Heute ist es so, dass unsere Kundschaft nicht nur begeistert mitzieht, sondern weitere Verbesserungen regelrecht einfordert.
Wo steht Globetrotter denn bei der eigenen Klimaneutralität?
Schon seit 2015 sind wir klimaneutral im eigenen Betrieb und den eigenen Prozessen – das sind im Fachchinesisch die sogenannten Scopes 1 und 2. Aktuell arbeiten wir am letzten Schritt, dem Scope 3: Dieser gilt für die gesamte Lieferkette, also auch für die Produkte unserer Lieferanten. Da haben wir wenig direkten Zugriff, können aber fördern und fordern. Und wenn uns das gelungen ist und wir komplett klimaneutral sind, steht wahrscheinlich schon eine klimapositive Bilanz auf der Agenda – das heißt, wir wollen dann mehr nachhaltige Energie produzieren, als wir insgesamt verbrauchen. Bei der Nachhaltigkeit ist es ein bisschen wie bei Outdoor-Reisen: Der Weg ist das Ziel.
Wohin führt diese Reise in Sachen Nachhaltigkeit?
Sie wird nie enden. Es gibt immer neue Produkte, neue Techniken, neue Ansätze. Wir müssen unsere Möglichkeiten nutzen: unsere Branche und KundInnen ansprechen und mitnehmen. Wir sind nicht mehr nur Händler, wir werden immer mehr zum Enabler, also zum Initiator und Möglichmacher.
Ist Nachhaltigkeit somit zu einem regulären Unternehmensziel geworden?
Klares Ja. Die Überlastung der planetaren Belastungsgrenzen ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit und betrifft auch unser Geschäftsmodell. Deswegen arbeiten wir – aktuell und in den nächsten Jahren – an konkreten Maßnahmen und Strategien, beispielsweise im Handlungsfeld der geschlossenen Kreisläufe, des Klimaschutzes und der Energie- und Ressourceneffizienz. Wir leben in herausfordernden Zeiten – und das hat sich vielleicht auch ein Stück weit verändert. Die Integration von Nachhaltigkeit ins Kerngeschäft ist nicht nur etwas für uns als Überzeugungstäter, sondern immer deutlicher auch notwendig, um als Unternehmen langfristig zu bestehen. Klar ist aber auch, bei allem bereits Erreichten: Wir sind Teil des Problems. Dass wir sehr früh damit begonnen haben, auch ein Teil der Lösung werden zu wollen, macht vielleicht einen Unterschied.
Zum Schluss: Vor über 40 Jahren sind schon die ersten Aktionen mit Nabu oder Greenpeace gestartet, aber erst in letzter Zeit kommuniziert Globetrotter seine Nachhaltigkeitsstrategie sehr offen nach außen. Warum so spät?
Früher haben wir schon einiges getan, aber uns auch hanseatisch zurückgehalten. Nun haben wir die Erfahrung und Selbstsicherheit, damit offensiv rauszugehen. Uns zu zeigen und zu sagen: Das sind keine Lippenbekenntnisse. Den KundInnen und Lieferanten klar zu sagen: Macht mit!