Die Bergregion um den Seebergsee im oberen Diemtigtal in den Berner Voralpen ist ein kleines Juwel. Am idyllischen Bergsee kann man gut und gerne Zeit verbringen – Badesachen an warmen Sommertagen sind obligatorisch. Will man noch etwas aktiv sein, bietet sich eine kleine Familienwanderung an – mit ein paar Lamas im Schlepptau wird daraus ein unvergessliches Erlebnis.
Bereits wenige Minuten nachdem wir losgelaufen sind, kommen wir über eine kleine Kuppe und plötzlich liegt er vor uns: der türkisblaue Seebergsee, eingebettet in eine wunderbare Berglandschaft, saftig grüne Wiesen, die dazu einladen, sich im flachen Gras niederzulassen. »Können wir baden?« höre ich sofort aus vereinter Kinderkehle rufen. »Sparen wir doch lieber die Zeit und haben dafür mehr Zeit für ein längeres warmes Bad« antworte ich. Schließlich haben wir eine Vorreservierung gemacht: für einen Hot Tub auf der Alp Stierenberg. Da wir allerdings noch fast eineinhalb Stunden Wanderung bis dahin vor uns haben, lassen wir uns nur für eine kurze Pause im Gras nieder, ohne unsere Badesachen auszupacken.
Ausrüstungstipps fürs Wandern mit Kindern
Kinder sind mehr als kleine Erwachsene. Ihr Material beanspruchen sie stark, gleichzeitig lassen sich Rucksäcke und Co. nicht einfach schrumpfen und so kindertauglich machen. Wir haben für euch zahlreiche Kaufberatungen und Tipps für Wanderungen und Trekkingtouren mit Kindern.
Schlechte Laune beim Stier – lieber nicht
Eine herrliche, aussichtsreiche und äußerst kinderkompatible Wanderung führt uns zur Alp Stierenberg. Und tatsächlich: vor der rustikalen Alphütte steht ein großes, rundes Etwas, das dampft! Bevor wir uns überhaupt auf der Hütte vorstellen können, haben die Kinder schon ihre Kleider vom Leibe gerissen, sind schnell in die Badehose geschlüpft und strecken ihre Zehen in den Hot Tub. Letzteres wird von einem lauten Schrei begleitet, was uns Erwachsene auf eine Wassertemperatur von mindestens 40 Grad schließen lässt. Während wir bald alle im heißen Nass sitzen, mit diversen, schön kalten Getränken in unserer Hand, verlässt die ganze Kuhherde nebst Ziegen den Stall und zieht unmittelbar an unserem Badebottich vorbei.
Die zwei Jungs in der Kinderclique kommen auf die Idee, sich in einem großen Brunnen zehn Meter nebenan zum Abkühlen zu begeben. Just als sie sich ins kalte Wasser lassen wollen, kommt ein Senner mit einem riesigen Bullen aus dem Stall. »Stopp, ihr dürft da nicht hinein! Das ist der Trog von unserem Stier, und er schmeckt, wenn ein Mensch in dem Brunnen war – dann will er nicht mehr trinken und wird sauer.« Mann kann sich vorstellen, wie schnell die Jungs wieder zurück in den Hot Tub gesprungen sind.
Die Kuh-Duftmarken bleiben über Nacht
Aufgeheizt, hungrig und mit schrumpeliger Haut dürfen wir nach dem Bad einen Blick in die kleine rustikale Küche werfen. Während der Hüttenchef der Alp Stierenberg auf einem alten Feuerofen in großen, gusseisernen Pfannen herrliche Röstis für das Abendessen zubereitet, zeigt er uns noch nebenbei den Käsekessel, der mitten im düsteren Raume steht. Alpleben pur! Mehr Alpleben sollen wir dann noch erfahren, als man uns das Schlaflager zeigt, welches sich unmittelbar über den Kuhställen befindet. Das stört an für sich ja gar nicht, da die Kühe über Nacht auf der Weide bleiben. Ihre Duftmarke ist allerdings im Stall geblieben und schickt eine dezente Note einen Stock höher in unser Schlafgemach.
Ein Alpaka und drei Lamas
Am nächsten Morgen ist frühes Aufstehen angesagt, das Frühstück auf der Hütte lassen wir ausfallen. Schließlich haben wir ein Treffen arrangiert. Ein morgentlicher Spaziergang bringt uns in 20 Minuten zum Seebergsee. Kaum dort angekommen, taucht über der Kuppe vom Vortag unsere Verabredung auch schon auf – ein drahtiger Mann mit Pferdeschwanz, ein Alpaka und drei Lamas. Der Mann ist Hugo Frieden, seine Begleiter sind Tapiok, Pan und Legolas, der aufgrund seines hellen Felles seinen Namensgeber aus »Herr der Ringe« hat. Etwas aus der Reihe fällt Tristan, ein sympathisch dreinschauendes Alpaka.
Hugo hat einige Jahre in Zentral- und Südamerika verbracht, wo er zum ersten Mal mit Lamas in Kontakt kam. Nach seiner Rückkehr in die Heimat hat er sich noch eingehender mit den Tieren auseinandergesetzt und bietet nun zusammen mit seiner Lebensgefährtin Angelika Lamawanderungen an – mit ebenjenen Lamas, mit welchen wir unterwegs sind, aber auch mit Ziegen. Es fällt sofort auf, wieviel Freude und Herzlichkeit Hugo den Tieren entgegenbringt.
Touren um Seeberg im Diemtigtal
Anforderungen
Leichtes Wandern mit den Lamas – die Wege bereiten keine Schwierigkeiten, höchstens vielleicht die Lamas, wenn sie lieber in eine andere Richtung gehen möchten.
Für eine Lamawanderung
Das Lamatrekking um den Seebergsee ist für Kinder eine großartige und äußerst motivierende Wandervariante. Es werden verschiedene Wanderungen angeboten, von rund 2 ½ Stunden bis hin zu einem 2-Tages-Trekking mit Zeltübernachtung und Älplermaccaroni vom Lagerfeuer. Mehr Infos bei Hugo Frieden unter Tel. +41 78 718 90 43 oder www.lama-und-co.ch.
Für eine reine Wanderung
Vom Parkplatz Seeberg zum Seebergsee. Rechterhand aufwärts zu der gut sichtbaren kleinen Passhöhe auf 1921 m. Der Beschilderung nach links in Richtung Obere Muntigli. Diese wird erreicht über eine weitere kleine Passhöhe. Bei Obere Muntigli links hinauf zur Alp und Gasthaus Stierenberg. Auf der Alpstraße in 20 Minuten zum Seebergsee und zurück zum Parkplatz. Wanderzeit rund 2.45 Std., Höhenunterschied 380 m.
Einkehr und Übernachtung
Berggasthaus Stierenberg (1884 m), Tel. +41 33 684 12 69, www.stierenberg.com
An- und Abreise
Parkplatz Seeberg (1748 m); von der Abzweigung nach Oey im Diemtigtal 11 km bis zur Abzweigung in Zwischenflüh nach rechts, von wo es noch 9 km auf einer gebührenpflichtigen Straße (Automat am Abzweig) bis zum Parkplatz Seeberg geht. Die Region um den Seebergsee ist auch von Zweisimmen im Simmental aus erreichbar. Hier kann man mit dem eigenen Pkw oder mit dem Wandertaxi bis zum Parkplatz Meienberg (1851 m). Wandertaxi vom Bahnhof Zweisimmen, von Juni bis Oktober jeweils Mittwoch und Freitag, Anmeldung bei Zweisimmen Tourismus, Tel. +41 33 722 11 33); vom Parkplatz in 35 Min. zum Seebergsee.
Logisch, die Kinder wollen natürlich als Erstes wissen, ob die Lamas sie womöglich anspucken werden. Hugo erzählt uns, dass Lamas keinen Grund haben, auf Menschen zu spucken. »Sie tun dies nur, um ihre Stellung in der Gruppe von Tieren zu behaupten oder sich zu verteidigen« schildert er weiter. Die Neugier der Kinder auf die Tiere hat den Hunger auf das bisher ausgebliebene Frühstück vergessen gemacht. So bemerken sie erst gar nicht, wie Hugo beginnt, die Taschen auszupacken, die die Lamas bisher auf ihren Rücken getragen haben. Hugo breitet eine große Decke aus und verteilt darauf ein Frühstücksbuffet, das auch den Erwachsenen große Augen ins Gesicht zaubert. Während die vier Tiere in der frühen Morgensonne das noch mit Tau überzogene Gras erkunden, laben wir uns an Kaffee, heißer Schokolade, frischem Zopf und vielem mehr.
Vier Tiere, fünf Kinder und die totale Harmonie
Nachdem das Frühstück zusammengepackt ist, zeigt uns Hugo, wie man die Tiere am besten an der Leine nimmt und sie beim Laufen führt. So setzt sich unser Tross langsam in Bewegung. Dabei sind vier Tiere und fünf Kinder, was bedeutet, dass sich die Kinder abwechseln müssen. Während das zuhause mit hoher Wahrscheinlichkeit Diskussionen zwischen den Kindern auslösen würde, schafft die Anwesenheit der Lamas eine Harmonie. Durch die Lamas sind die Kinder total entspannt und wir Erwachsenen genießen auch von Anfang an die gemütliche Wanderung.
Viel Zeit um Fragen zu stellen, viel Zeit für die spannenden Erklärungen von Hugo. »Man muss es ihnen beibringen, wenn sie noch klein sind, das ist die Prägungszeit«, erzählt er auf unsere Frage, wie man die Lamas daran gewöhnt, mit vielen verschiedenen Menschen in Begleitung zu gehen. »Lamas sind eher stolze Tier, die schön an der Leine mitlaufen« berichtet er weiter. »Bei Ziegentrekkings hingegen ist noch mehr Nähe zum Tier gegeben. Ziegen sind im Vergleich zu Lamas viel anhänglicher und bewegungsfreudiger.«
Zum Abschluss ein ungeheiztes Bad
Es ist schon früher Nachmittag als wir schließlich wieder auf den Wiesen am See angelangen. Es ist an der Zeit, sich von Hugo, Tristan, Legolas, Tapiok und Pan zu verabschieden. Die Kinder haben die Tiere in dem halben Tag in ihre Herzen geschlossen und fragen sogleich, wann wir Hugo und seine Freunde mal besuchen können. Die leicht traurige Verabschiedung wird schnell abgelöst von einem Drang, der in den Kindern seit der Rückkehr angewachsen ist. Schnell sind die Wanderklamotten gegen Badesachen getauscht. Gefolgt von der Überwindung, in das erfrischende Nass des Seebergsee einzutauchen – garantiert 25 Grad weniger als der Hot Tub am Abend zuvor!
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