Patagonia – the coolest company on the planet

Das liegt zum einen an den Produkten, mehr aber noch an der Pionierrolle in Sachen Umweltschutz.

Patagonia
So wurde Patagonia vom US-Wirtschaftsmagazin Fortune bezeichnet. Das liegt zum einen an den Produkten, mehr aber noch an der Pionierrolle in Sachen Umweltschutz.

Der charismatische Firmengründer Yvon Chouinard (rechts) nutzt den wirtschaftlichen Erfolg Patagonias, um aktive Umweltpolitik auf allen Ebenen zu betreiben: »Patagonia verklagt die USA«, »Chouinard gegen Trump«, »Der Präsident stiehlt euer Land« – es sind Schlagzeilen wie diese, mit denen die US-amerikanische Outdoorbekleidungsfirma seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump nicht nur in den USA viel Aufsehen erregt. Hinzu kommen diverse Statements in den sozialen Medien, in denen Patagonia etwa erklärt, dass man die gesparten zehn Millionen US-Dollar aus Trumps Steuer-senkung in voller Höhe an Umweltschutzorganisationen abtreten werde. Auch den gesamten globalen Umsatz des verkaufsstärksten Black Friday der Firmengeschichte spendete man Ende 2016 für Umweltschutzprojekte – ebenfalls rund zehn Millionen Dollar, das Vierfache des Black-Friday-Umsatzes vom Vorjahr. Was für ein Statement der Kunden an der Kasse, denen die Aktion schon vorher angekündigt wurde.

2017 und 2018 waren zwar wirtschaftlich sehr erfolgreiche, aber dennoch schwierige Jahre für Patagonia: Die Waldbrände, die in Kalifornien wüteten, hatten auch die Hügel rund um die Stadt Ventura erreicht, seit jeher Patagonias Firmensitz. Dieser blieb zwar in letzter Minute von den Flammen verschont, doch die Häuser von fünf Mitarbeitern verbrannten. Nach den Bränden folgten Erdrutsche und Schlammlawinen. Diese gehäuft auftretenden Katastrophen, die Experten auf die extreme Trockenheit durch den Klimawandel zurückführen, lastete Trump bei seinem Vor-Ort-Besuch dem schlechten Waldmanagement Kaliforniens an und drohte mit Streichung staatlicher Fördermittel.  

David gegen Goliath

In diese Zeit fiel auch, dass Trump den von Präsident Obama erlassenen Schutzstatus des Bears Ears National Monument in Utah wegen der dort vorkommenden Bodenschätze aufhob und das Schutzgebiet um 85 Prozent verkleinerte. Dieser Vorstoß eines amerikanischen Präsidenten ist bislang einmalig in der Geschichte der USA und rechtlich umstritten. Nachdem Patagonia daraufhin auf der Firmenwebsite und in Pressemeldungen in großen Lettern den empörten Hinweis veröffentlicht hatte »Der Präsident stiehlt euer Land« und eine Klage gegen die Regierung der USA einreichte, erfolgte prompt ein medialer Appell des US-Bundesamts für Bodenschätze: »Patagonia – don’t buy it!« Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Eine staatliche Behörde ruft im Mutterland der Demokratie zum Boykott eines vergleichsweise kleinen Familienunternehmens auf, weil sich dieses das verbriefte Recht nimmt, gegen die rechtlich fragwürdige Entscheidung des neuen Präsidenten zu klagen. 

Patagonia hat mit seinen Aktionen schon immer viel Aufmerksamkeit erregt. Nun scheint es aber, als steige die Firma gegen eine Regierung in den Ring, die alle Werte, für die Patagonia steht, mit Füßen tritt. 

Erst Surfen, dann Arbeiten

Bereits in den 1990er-Jahren verpflichtete sich Patagonia zu einem ehrgeizigen Leitbild: Stelle das bestmögliche Produkt her, belaste dabei die Umwelt so wenig wie möglich und inspiriere andere Firmen, dem Beispiel zu folgen, und finde gemeinsam Lösungen zur Umweltkrise. 

Schon als Yosemite-Kletterer und »Dirtbag«, wie man damals die jungen Leute nannte, die in den 1960er-Jahren im wilden Camp IV gratis zelteten und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielten, hat Yvon zuerst die Felshaken, dann die Technik im Klettern und Eisklettern revolutioniert. 

Auch als Unternehmer war er ein großer Freigeist und schrieb darüber sogar ein sehr erfolgreiches Buch: »Let my people go surfing«. Es erschien in einer Zeit, in der Betriebe den Gang zur Toilette von der bezahlten Arbeitszeit abzogen. Der Titel des Buches war Programm. Die Arbeit musste getan werden, aber es störte niemanden, wenn sich die halbe Belegschaft in der Mittagspause am Strand vergnügte und am Abend in Ruhe weiterarbeitete. Der Frauenanteil war von Anfang an hoch und ist heute in etwa gleichauf mit dem der männlichen Mitarbeiter, auch in Führungspositionen. Das war und ist bis heute ziemlich cool in einer Branche, die sehr lange als reine Männerdomäne galt. 

Bevor Yvon als Unternehmer erfolgreich wurde, gehörte er jahrzehntelang zu den markantesten Persönlichkeiten der amerikanischen Bergsteigerszene und war maßgeblich an der Einführung jener ethischen Prinzipien beteiligt, die unter den Schlagworten »clean climbing« und »by fair means« bekannt wurden. Als Alpinkletterer brauchte man früher viel mehr Vertrauen in seine Kletterkünste und war es gewohnt, mitunter unkalkulierbare Risiken einzugehen, weil es keine Alternative gab. Vielleicht war es diese Schule, die ihn als Unternehmer ermutigte, wenn es darum ging, neue Wege einzuschlagen und vor hohen Risiken nicht zurückzuschrecken.

»Stelle das bestmögliche Produkt her, belaste dabei die Umwelt so wenig wie möglich.«

1991 etwa untersuchte Patagonia die Folgen der eigenen unternehmerischen Tätigkeit als Bekleidungsproduzent im Hinblick auf die Umweltverschmutzung und den Rohstoffverbrauch von Wolle, Baumwolle, Polyester und Polyamid. Dabei stellte sich heraus, dass traditionell angebaute Baumwolle die umweltschädlichste Nutzpflanze der Welt ist. 1996 änderte Patagonia daher die Marschrichtung und stellte mit hohem wirtschaftlichem Risiko seine komplette Produktion von Baumwollbekleidung komplett um auf Bio-Baumwolle aus kontrolliertem Anbau. Zusammen mit Polartec entwickelte Patagonia zudem funktionale Fleecebekleidung aus recycelten PET-Flaschen und bot bereits damals den Kunden ein Recyclingprogramm an. 2012 sorgte die gewagte Kampagne »Don’t buy this jacket« für viel Aufmerksamkeit und dafür, dass sich Kunden die Frage stellten, ob sie die neue Jacke wirklich benötigen oder sie nur besitzen wollen. 

Wissen für alle

Es sind die Themen Langlebigkeit durch hohe Qualität, ein gut funktionierender Reparaturservice, eine Internetplattform zum Verkauf von gebrauchten Produkten und der Appell an die Kunden, Produkte möglichst lange zu nutzen, dann zu verschenken oder im Internet weiterzuverkaufen, die Patagonia als erstes Unternehmen formulierte. 

Wer Patagonias Aktionen bisher für Greenwashing hielt, schob seine Bedenken spätestens dann zur Seite, als das Unternehmen betonte, wie wichtig Kooperation in der Branche sei. Auf Worte folgten Taten: Die online einsehbaren »Footprint Chronicles« enthielten genaue Angaben zum firmeneigenen ökologischen Fußabdruck samt einer Liste der nachhaltigen Produktionspartner und Zulieferer weltweit. Mehr Transparenz geht kaum. All das, was bisher als größtes Firmengeheimnis und als Basis des Vorsprungs gegenüber den Mitbewerbern galt, wurde publik gemacht. Kleinere Firmen, die unter den asiatischen Zuliefererbetrieben beispielsweise eine Näherei suchten, die den westlichen CSR-Standards bezüglich fairer Bezahlung und Arbeitsbedingungen sowie Sicherheit am Arbeitsplatz entsprachen, konnten sich daran orientieren.

Kampf gegen Staudämme

In letzter Zeit steckte Patagonia viel Energie in die Kampagne »Blue Heart of Europe«. Damit will Patagonia in Kooperation mit einheimischen Umweltschützern die Banken davon abhalten, den Bau von mehr als 3000 neuen Wasserkraftprojekten zwischen Slowenien und Albanien zu finanzieren, um dort auch noch die letzten wilden Flüsse und Seen im blauen Herzen Europas durch riesige Staumauern und Kraftwerke zu zähmen.

Wer selbst Kletterer, Bergsteiger oder Fliegenfischer ist, der wundert sich sicherlich immer wieder darüber, dass jemand wie YC für seine Überzeugungen über viele Jahre hinweg das Wertvollste opfert, was er besitzt: seine Zeit. Aber Zeit ist endlich, unsere Umwelt hoffentlich nicht. Danke dafür, Yvon.