Seenland: Wenn die Zeit verschwimmt

In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg versteckt sich eine einzigartige, weit verzweigte Wasserlandschaft. Wer sie unters Paddel nimmt, entdeckt noch wirklich einsame Seen und ganz unberührte Naturreservate.

TMV/Daniel Schramm
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Es ist still. Nur das rhythmische Geräusch des Paddels, wenn es die Wasseroberfläche des Großen Lychensees durchstößt, ist zu hören. Wie eine Fototapete zieht die Naturkulisse langsam vorbei: am Ufer ein stolzer Graureiher, dahinter die aufgehende Sonne. Kurz mal selbst gekniffen, das ist keine Fototapete, das ist echt. Auf einmal bewegt sich das Wasser, ein Biber schwimmt am Schilfgürtel entlang. Wir sind voll im Hier und Jetzt, der Alltag ist weit weg. Ich atme tief ein, genieße den Moment. Die Zeit verschwimmt. Wie viele Tage sind wir schon unterwegs? Ganz egal!

Wir paddeln durch das urige Feuchtgebiet Lewitz und überall quakt und zirpt es.

In Templin ging es los durch den Naturpark Ucker­märkische Seen, eines der ursprünglichsten ­Paddelreviere Brandenburgs, das teils sogar für Motorboote gesperrt ist. Ein Großteil des Weges führt über die kurvenreiche Havel. Vorbei an einsamen Inseln und stillen Wäldern. Von Fürsten­berg an der Havel – aufgrund seiner Flüsse und Seen auch Wasserstadt genannt – gleiten wir durch den Baalen- und Schwedtsee. Die Paddelschläge gehen leicht von der Hand, und es geht über den ­idyllischen Stolpsee nach Himmelpfort. Am Campingplatz verzückt uns die orange­farbene über dem See untergehende Sonne.

Vom Großen Lychensee ist leider schon das Ziel der Kanutour in Sicht, fünf Tage sind wie nichts vergangen: Die Flößerstadt Lychen liegt wie auf einer Insel und ist umgeben von sieben Seen. Der Titel verweist dabei auf die jahrhundertealte ­Tradition des Holztransports. Ein Abstecher zum Flößer­eimuseum lohnt sich. Dort ­erfährt man, wie die Waldbesitzer den Wasserweg nutzten, um die Holzstämme bis nach Berlin und nach Hamburg zu transportieren.

In diesem Binnenrevier sind mehrtägige Kanutouren ein ganz unkompliziertes Unterfangen. Daher, und natürlich weil es so eindrucksvoll war, nehmen wir gleich noch in Mecklenburg-Vorpommern die 120 Kilometer lange Müritz-Elde-Wasserstraße von Plau nach Dömitz unter die Paddel. 49 Höhenmeter durch 17 Schleusen gilt es zu überwinden. Start ist in Plau am See mit seinem Leuchtturm, der kurz eine ganz neue Perspektive auf die Wasserlandschaft eröffnet. Noch ein kurzer Landgang durch den 700 Jahre alten Luftkurort, dann steigen wir in die Boote und paddeln gemächlich flussabwärts. Wir lassen uns an Lübz mit seinem mittelalterlichen Stadtkern vorbeitreiben, und nach knapp 15 weiteren Kilometern ist Parchim ­erreicht. Dort besuchen wir die historische Altstadt mit ihrem Zinnhaus, bevor wir wieder in die Boote steigen. Ein besonderes Natur-Highlight auf dieser Tour ist die Lewitz: Das europäische Natur- und Landschaftsschutzgebiet ist durchzogen von zahlreichen Kanälen. Wir paddeln durch dieses urige Feuchtgebiet, es quakt und zirpt überall und schließlich können wir sogar einen Eisvogel beim Fischen beobachten. Ein Ort, der sich ganz weit weg von der ­Zivilisation anfühlt und sich tief in die Erinnerungen gräbt. Die Paddel befördern uns weiter nach ­Neustadt-Glewe und am Klosterdorf Eldena vorbei bis zum Ziel: der Hafenstadt Dömitz.

Dort überwältigen uns die Eindrücke der vergangenen Tage noch einmal: Natur und Kultur, Abenteuer und ­Erholung, Genuss und Kunst – alles scheint so verbunden und fließt ineinander. Selbst an Land fühlt sich alles noch im Flow des Paddelschlags an.


ENDLOSE WASSERLANDSCHAFTEN

Hier könnt ihr einen Trip ans Wasser gewinnen und weitere Ideen für die Erkundung von Deutschlands Seenland sammeln.

Inspiration, Tipps und Planungshilfe zu Kanu­­touren, Hausboot- und Floßurlaub, Baden und allem, was auf und am Wasser möglich ist, findet man im Netz und auf Instagram #meinseenland.

www.deutschlands-seenland.de

Text: Christiane Flechtner