Sieben Prämierungen erhielt der Hollywood-Blockbuster »Der mit dem Wolf tanzt« bei der Oscarverleihung 1991. Das knapp vierstündige Westernepos begeistert mit spektakulären Bildern von den endlosen, eindrucksvollen Landschaften Nordamerikas. Wildnis, Weite, Wälder – das hat auch Winfried Schechinger, den Firmengründer der deutschen Outdoormarke Tatonka, nachhaltig beeindruckt. Allerdings blieb ihm eine ganz andere Szene aus Costners Kassenhit in Erinnerung: »Tatonka«, sagt Sioux-Medizinmann »Strampelnder Vogel« anerkennend, als er beobachtet, wie Costner über die staubige Prärie kriecht und versucht, einen Bison nachzuahmen. »Tatonka« meint Bison in der Lakota-Sprache, das größte Landsäugetier Amerikas.
Inspiriert vom Filmklassiker, schenkte Winfried Schechinger 1994, drei Jahre nach dem Kinostart des Westerns, seinem Unternehmen einen neuen Namen. Der deutsche Hersteller von Outdoorausrüstung sollte fortan Tatonka heißen. Dabei war Schechinger zu diesem Zeitpunkt bereits ein alter Hase in der Branche. Oder sollte man sagen: ein alter Büffel? Bereits 1980 gründete Winfried Schechinger die Mountain Sport GmbH, eine Vertriebsgesellschaft für Bergsportartikel.
Ausdauernd wie ein Büffel
Der Outdoorsport war Anfang der Achtziger gerade erst dabei, sich selbst zu erfinden, und Schechinger zählte zu den Pionieren der ersten Stunde. Der Bayer hatte ein gutes Gespür für erfolgreiche Marken, übernahm zum Beispiel früh den Vertrieb der Kult-Sandalen von Teva.
»Der Erfahrungsschatz altgedienter Mitarbeiter wird oft unterschätzt. Doch diese sind ein großer Teil unseres Erfolgs.«
Andreas Schechinger, Geschäftsführer Tatonka
Im Lauf der Jahre entwickelte sich das Familienunternehmen mit Hauptsitz in Dasing im Landkreis Aichach-Friedberg bei Augsburg von einem reinen Handelsvertrieb zu einem renommierten Hersteller von Outdoor- und Freizeitartikeln. Bereits im Jahr 1989 wurde die erste unternehmenseigene Produktionsstätte in Ho Chi Minh City (Saigon) aufgebaut. Damit produziert Tatonka seit über 30 Jahren sein Sortiment von inzwischen mehr als 2000 Freizeit- und Outdoorprodukten als einer der wenigen Outdoorhersteller ausschließlich selbst und beschäftigt weltweit etwa 900 Mitarbeitende.
Seit 2004 lenkt Sohn Andreas Schechinger als Inhaber und Geschäftsführer die Geschicke des Familienunternehmens, das inzwischen auf 40 Jahre Firmengeschichte zurückblicken kann. Tatonka – der Büffel – spiegelt seitdem mit Wort, Bild und seinem Wesen perfekt das Leitbild der Traditionsfirma wider. Der Präriegigant ist ein Symbol für Natur, Wildnis und Stärke, aber er steht auch für Ruhe, Präsens und Beständigkeit. Das sind Werte, die dem schwäbisch-bayerischen Unternehmen gut zu Gesicht stehen. Hier, wo ein Handschlag noch etwas zählt und man nicht jedem kurzlebigen Trend folgen möchte. Schechinger setzt lieber auf Kontinuität im Betrieb: »Alles, was mein Vater und ich erwirtschaftet haben, steckt im Unternehmen – die Marke ist unsere Vergangenheit und unsere Zukunft.« Auch bei der Mitarbeiterführung vertraut Andreas Schechinger lieber auf dauerhafte Lösungen: »Mitarbeiter brauchen Zeit, das Unternehmen zu verstehen. Der Erfahrungsschatz altgedienter Mitarbeiter wird oft vergessen und unterschätzt. Deshalb sehen wir vor allem unsere langfristigen Mitarbeiter als Teil unseres Erfolgs.« Produktmanager Jan Loschinski kann dem nur beipflichten. »Wir sind eigentlich eine urkonservative Firma, kurz vor langweilig«, sagt er ein wenig kokettierend mit dem eigenen Firmenleitbild. Dabei weiß Loschinski genau: Sie arbeiten in einer Branche, in der ihre Kunden großen Wert auf solide, langlebige und zuverlässige Ausrüstung legen. »Viele unserer Kunden und Händler verstehen genau, dass Beständigkeit etwas Gutes ist.«
Die Produktpalette Tatonkas reicht von Taschen und Zelten über Textilien bis hin zu praktischen Ausrüstungsgegenständen wie Kocher, Campinggeschirr oder Erste-Hilfe-Sets. Der Kern von Tatonkas Produktlinie ist jedoch das große Angebot an Rucksäcken. Neben klassischen Wander- und Trekkingrucksäcken fertigt Tatonka Spezialisten fürs Klettern, Radfahren oder Tagestouren. Dazu gibt es ausgefallene Modelle wie Fischerrucksäcke mit integriertem Hocker, aber auch nützliches Rucksackzubehör wie Gepäckorganizer, Packbeutel und Schutzhüllen. Das bedeutet viel Arbeit in der Entwicklungsabteilung der Dasinger Zentrale, hier zeigt sich Tatonka alles andere als konservativ: »Ganz ehrlich, einen Rucksack kann man nicht neu erfinden. Er hat einen Deckel, Seitentaschen und ein Tragesystem«, sagt Produkt Designer Istvan Ladanyi. »Aber man kann einen Rucksack im Detail immer noch weiterentwickeln und verbessern!« Einen wichtigen Fokus setzt Tatonkas Designabteilung dabei auf die Verbesserung der Rückensysteme. So wie beim V2-Tragesystem mit seinem ausgeklügelten Skelettsystem aus Aluminium- und GFK-Stäben für eine verbesserte Lastübertragung. »Das V2-System findet vor allem bei Trekkingrucksäcken wie dem beliebten Yukon-Modell Anwendung und überzeugt mit aufwendiger Polsterung, sehr guter Belüftung und angenehmem Tragegefühl.«
Tag der offenen Fabrik
Seit Gründung der Marke Tatonka werden sämtliche Produkte in Dasing entwickelt und in mittlerweile zwei firmeneigenen Werken in Vietnam hergestellt, derzeit immerhin über eine Million Outdoorprodukte pro Jahr. Ein ungewöhnlicher Weg für ein Familienunternehmen dieser Größe, aber Firmengründer Winfried Schechinger war es von Anfang an wichtig, die Fertigung nach europäischen Standards zu etablieren, um qualitativ hochwertige Outdoorausrüstung herstellen zu können.
Schon früh etablierte Tatonka in seiner eigenen Fabrik hohe soziale Arbeitsstandards.
Gleichzeitig achtete er auf eine gute Aus- und Weiterbildung der vietnamesischen Beschäftigten, auf die Einhaltung hoher Sozialstandards und eine transparente Fertigung. Aus diesem Grund initiierte Tatonka 2011 das in der gesamten Branche einzigartige Projekt der »Open Factory«. Im Rahmen dieses Programms öffnet das Produktionswerk in Fernost jeden Freitag bei laufendem Produktionsbetrieb sein Firmentor. Markenfans, aber auch externe Branchenfachleute und NGOs können den Herstellungsbetrieb selbst besichtigen sowie das Arbeitsumfeld in Augenschein nehmen.
Gemeinsam mit der Zentrale und dem Auslieferungslager in Dasing, wo alle Fäden zusammenlaufen, sei man gut aufgestellt für neue Herausforderungen. In Zukunft möchte man bei Tatonka noch nachhaltiger werden, »auf wirtschaftlichem und vor allem auf ökologischem Gebiet«. Eine große Aufgabe, aber Tatonka – der bayerische Büffel – muss einfach nur beharrlich seinen Weg weitergehen.