Wanderlust in Patagonien

Unendliche Weiten, türkisblaue Seen inmitten grüner Urwälder, riesige Gletscher, die in Fjorde kalben – Patagonien ist ein Sehnsuchtsziel für Globetrotter.

Julian Rohn
Unendliche Weiten, türkisblaue Seen inmitten grüner Urwälder, riesige Gletscher, die in Fjorde kalben – Patagonien ist ein Sehnsuchtsziel für Globetrotter. 

Wir sind am Ende der Welt. Zumindest, wenn man der Landkarte trauen kann. Viel südlicher geht es kaum. Der exponierten Lage angemessen, lässt es die Natur ordentlich krachen: Trockene Steppen, Graslandschaften, steile Granitspitzen, Gletscherfjorde und Regenwälder der gemäßigten Zone reihen sich aneinander. Für diese Vielseitigkeit sorgen die Gipfel der Anden und die vorherrschenden Westwinde. Sie halten den chilenischen Teil Patagoniens feucht und den argentinischen Teil trocken. Durchzogen wird Patagonien von der berühmten argentinischen Nationalstraße RN40 und der chilenischen Carretera Austral. Als Straßen selbst schon eine Reise wert, verbinden sie die Wanderhighlights Patagoniens perfekt miteinander.

Torres del Paine

Beginnen wir im Süden und gleich mit dem Inbegriff Patagoniens: einem Besuch im Nationalpark Torres del Paine. Der Park verdankt seinen Namen den berühmten »Torres del Paine« – drei nahezu senkrecht auf-ragenden, nadelartigen Granitbergen. Sie stehen fast im Zentrum des riesigen, 2400 Quadratkilometer großen Nationalparks und bilden dessen Hauptattraktion. Gleichzeitig gibt es die ganze patagonische Vielfalt zu bewundern. Innerhalb des Parks sind zahlreiche Wanderwege und Rundwege angelegt. Der beliebteste ist der fünftägige »W-Trek«, der sich in Form eines – genau – »W« durch den Park schlängelt. Kürt man die schönsten Treks der Welt, diese Rundtour gehört stets dazu – das fanden auch die Leser des Globetrotter Magazins und wählten den W-Trek 2017 in ihre Hitliste der »50 ziemlich besten Trips der Welt«. 

Wir haben weniger Zeit und fahren mit dem Mietwagen durch den Nationalpark und verbringen eine Nacht in einer der klassischen Wanderhütten. So kann man in kurzer Zeit möglichst viel vom Park sehen und auch abseits der bekannten Rundwege die Natur genießen. Zum Beispiel am »Base de las Torres«: Der Weg führt entlang von Gebirgsketten, grünen Wäldern und plätschernden Bächen. Am Ende wird es nochmal richtig anstrengend und wir müssen teils die Hände zum Klettern zur Hilfe nehmen. Nach fünf Stunden werden wir jedoch mit dem berühmten Ausblick auf die drei Torres belohnt. Und vielleicht zeigen sie sich sogar – wie es die Übersetzung ihres Namen aus der Sprache der Mapuche-Indianer andeutet – vor einem blauen Himmel.

Fitz-Roy-Massiv

Die nächste Station unserer Reise liegt in Argentinien. Mit dem Bus fahren wir in das kleine Städtchen El Calafate. Hier lebt man vom Tourismus am Perito-Moreno-Gletscher. Das blaue Eis des beeindruckenden Gletschers fällt direkt in eine Lagune ab. Da er einer der wenigen Landgletscher der Welt ist, der nicht abschmilzt, sondern tendenziell zulegt kalbt er fast unermüdlich und dicke Eisbrocken fallen in das milchige Gletscherwasser. Ein Minitrekking auf dem Eis  ist unser Highlight. Mit dem Boot fahren wir zum Ausgangspunkt der Wanderung und stehen schon bald auf dem ewigen Eis. Ein Guide führt uns vorbei an mächtigen Spalten und Séracs, bevor er uns einen echten »Whiskey on the Rocks« serviert. Für den Rückweg nehmen wir wieder das Boot und  lassen uns noch einmal in den Bann des steil aufragenden Gletschers ziehen.

Von El Calafate aus fahren wir in vier -Stunden mit dem Bus nach Norden in das Bergsteigerdorf El Chaltén am Fuße der Anden. Der kleine Ort hat sich zu dem Wander-paradies Argentiniens gemausert. Zahlreiche gut gekennzeichnete Tageswanderungen laden hier zum Erkunden der Gegend ein. Und über allem thront der mächtige Fitz Roy mit 3406 Metern. Wir entscheiden uns für eine der schönsten Wanderungen Südamerikas: eine Tagestour im nördlichen  Parque Nacional Los Glaciares zur legendären Laguna de los Tres – dem See vor dem Fitz-Roy-Massiv, das hier zum Greifen nah scheint.

Rund um Bariloche

Unser nächstes Ziel erreichen wir mit dem Flugzeug. Das argentinische Bariloche, die Stadt am Nahuel Huapi, einem Gletschersee inmitten der Anden. Das Klima ist hier schon nicht mehr so rau wie im Süden. Und so bietet das bekannte Urlaubsgebiet von Skifahren, Rudern, Kajakfahren bis hin zu Klettern eine Vielzahl an Outdooraktivitäten. Auch hier lassen sich rund um die Llao-Llao-Gegend wunderbare Tageswanderungen unternehmen. Die Natur zeigt sich von anderer Seite: Man läuft durch riesige, naturbelassene Wälder, vorbei an türkisblauen Seen. Wir entscheiden uns — zur Abwechslung von all den intensiven Wanderungen im südlichen Teil, mit dem Auto über die bekannte Sieben-Seen-Route nach San Martín de los Andes zu fahren und nur kürzere Abstecher von der Hauptroute zu wandern. Diese knapp 200 Kilometer lange »Ruta 231« führt durch wunderschöne Seenlandschaften, unberührte Wälder und vorbei an schneebedeckten Vulkangipfeln. Die meisten der Seen werden von Gletschern gespeist, so ist das Wasser klar und oftmals spiegelt sich die gesamte Umgebung auf der Wasseroberfläche wunderbar wider.

Was bleibt? Von den spektakulären Urlaubsfotos einmal abgesehen, kehren wir mit wunderbaren Erinnerungen an atemberaubende Landschaften zurück, in denen sich die Wanderlust von ganz allein einstellt.