Alpencross mit dem Rad

Eine Alpenüberquerung mit dem Mountainbike ist ein ganz besonderes Erlebnis – Herausforderung und Hochgenuss. Globetrotter Mitarbeiter Mirko Kloevekorn hat das Abenteuer gewagt.

Switzerland Tourism – swiss-image.ch/Andre Meier

Eine Alpenüberquerung ist für viele Mountainbiker ein Wunsch, den sie sich unbedingt erfüllen wollen. Wir haben jemanden getroffen, der es schon ausprobiert hat. Ein Gespräch mit Globetrotter-Onlineshop-Mitarbeiter Mirko Kloevekorn über sein Transalp-Abenteuer.

Die Idee

»Es war bei einem Urlaub in den Alpen. Mein Freund Christian war am Urlaubsort zu Besuch und wir fuhren ein paarmal mit den Bikes in den Bergen umher. Da entfuhr uns – eher beiläufig und nur halb ernst gemeint –, man müsse mal so eine Alpenüberquerung mit dem Mountainbike machen«, erzählt Mirko und erinnert sich, dass das Thema damit zwar im Raum stand, aber nicht weiter angegangen wurde. Immer wieder tauchte die Idee auf, schwirrte im Kopf herum, während Freund Christian – der ursprünglich gar kein Mountainbiker war – über die Zeit immer mehr vom MTB-Fieber gepackt wurde und seine Technik und Ausdauer verfeinerte.



Geht’s los?

Ungezählte »Man-müsste-eigentlich-mal-wirklich-Sprüche« später kam von Mirkos Lebensgefährtin ein trockenes: »Dann macht’s halt einfach!«

Und da man schlauerweise auf die Frauen hören sollte – im Allgemeinen –, wurde es eben einfach gemacht!

»Das war im Frühjahr. Ich habe Christian angerufen. Der hat sofort zugesagt und wir haben einen Termin für Anfang September geblockt. Allerdings hatten wir zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, welche Strecke man am besten fährt. Man will ja möglichst wenig auf der Straße fahren. Gleichzeitig kann man nicht einfach irgendwelche Wanderwege nutzen. Also haben wir Mr. Google befragt und sind auf die Website von Andreas Albrecht gestoßen.«

Andreas Albrecht ist ein Pionier des Mountainbike-Tourismus und hat zahlreiche Routen beschrieben. Seine bekannteste ist die Alpenquerung Albrecht-Route, die er 2004 zum ersten Mal auf seiner Website vorgestellt und seitdem immer wieder angepasst und verbessert hat.

»Da wir keine Ahnung hatten, kauften wir uns das Roadbook der Albrecht-Route. Das Buch und die Route besitzen mittlerweile Kultstatus in der Szene! Wir sind eins zu eins die Hauptroute – von Garmisch zum Gardasee – gefahren und haben auch alle empfohlenen Hotels vorgebucht. Auch die Packliste war uns eine hilfreiche Checkliste.«

Die Vorbereitung

»Doch zunächst – und das würde ich allen Alpencross-Novizen empfehlen – haben wir eine 2-Tages-Tour im Harz gemacht. Um die Ausrüstung zu testen! Wir haben uns eine Route mit ordentlich Steigung und Schiebepassagen gesucht und dann unser Equipment (und unsere Kondition) bei Kälte und Dauerregen auf Herz und Nieren getestet. Mit dem Ergebnis, dass ich danach meine komplette Regenbekleidung ausgetauscht habe! Warum? Weil ich dachte, ich könne in Wanderklamotte aufs Rad … beim Wandern hat man aber eine komplett andere Körperhaltung, und die Sachen haben für’s Radeln definitiv den falschen Schnitt. Über den Lenker gebeugt, gegen Wind und Regen anstrampelnd, lief mir also ständig kaltes Regenwasser in die sich auftuende Lücke in der Nierengegend. Herrlich! Und mit Aha-Effekt!«

Zusätzlich zu diesem Test-Wochenende hatte Mirko vor dem eigentlichen Alpencross mehrere 100-km-Runden mit vollgepacktem Rucksack (6-7 kg) unternommen und war täglich die 25 km zur Arbeit mit dem Rad gependelt.

Auch wenn sich die beiden Biker selbst eher eine normale Kondition zuschreiben und bestätigen, dass man diese Alpenüberquerung auch ohne eine Hochleistungssportler-Kondition schaffen kann, so sollte man ein solches Unterfangen nicht unterschätzen und auf jeden Fall die eigene Kondition vorher einem Selbsttest unterziehen.

Zum einen ist ein Scheitern auf halber Strecke nicht zwingend die erbaulichste Erfahrung, und zum anderen geht es in hochalpines Gelände und somit (wie immer in den Bergen!) in eine Region, der man mit dem nötigen Respekt begegnen muss. Kondition und Fahrtechnik müssen selbstverständlich in angemessener Form vorhanden sein.

Es geht los!

»Dann war es endlich so weit«, erzählt Mirko, »von Garmisch-Partenkirchen ging es auf dem alten Fernpass in Richtung Landeck.« Vorfreude auf die Tour, während sich die Waden an den Rhythmus für die nächsten Tage gewöhnen. Die Albrecht-Route startet mit beeindruckenden Passagen auf der alten Römerstraße Via Claudia. Die türkisblau schimmernden Fernpass-Seen geben einen winzigen Vorgeschmack auf das Ziel: den Gardasee. Schon nach ein paar Tritten in die Pedale ist man dem Alltag weggeradelt und gibt sich dem Flair der Berge hin, die einen langsam umarmen. In sich aufnehmen. Ein gemächliches Eintauchen in die Gebirgswelt!

»Mein erstes Highlight auf der Reise war in jedem Fall die Einfahrt in das Verwalltal. Du biegst um eine Kehre, und es tut sich eine Landschaft auf, die lässt dein Herz höherschlagen. Das ist Postkarten-Alpen-Flair der allerfeinsten Sorte.« Mirko schwärmt beim Zurückdenken. Das Tal steigt relativ gemächlich an und ist mit seiner geradezu idealtypischen Landschaft ein Genuss auch für Normalbiker. Radeln, rollen, genießen!

»Dieses Tal! Der langsame Aufstieg bis zur Heilbronner Hütte … Gebirgsbäche, Wald. Dann die Baumgrenze, und es wird hochalpin. Das Plateau mit den Scheidseen und zur Krönung die Ankunft in der Berghütte mit Blick auf die Silvretta-Bergkette. Unvergesslich!«


»Das Tolle an dieser Transalp-Route«, so Mirko, »ist ja, dass man von Deutschland nach Österreich, dann durch die Schweiz und schließlich nach Italien fährt.

Wenn man zum Beispiel am dritten Tag – auf immerhin etwa 2000 Höhenmetern – in die Schweiz einreist, hat man tatsächlich – und das ist eine ulkige Sache, wenn man bedenkt, wo man gerade ist – das Gefühl, alles ist plötzlich irgendwie anders. Schweizerisch. Andere Schilder. Man überquert tatsächlich Grenzen. Auch hörbar, wenn einen die Einheimischen plötzlich mit einem rätoromanischen Allegra! begrüßen.«


Man wundert sich

Ein weiterer Beweis für die kulturelle Vielfalt der Alpen begegnet einem an Tag sechs, bei Überquerung der Montozzo-Scharte. Allerdings einer, der dem Besucher eher einen Schauer über den Rücken laufen lässt.

Als Biker quält man sich natürlich freiwillig und mit einem gewissen Stolz auf die über 2500 Meter bis zur »Forcella di Montozzo«; warum um alles in der Welt man auf dieser Höhe allerdings im Ersten Weltkrieg glaubte, Schlachten schlagen zu müssen, und was genau dort oben verteidigt werden sollte, erschließt sich wohl nur dem eingefleischtesten Militaristen.

Für uns ist es eine Strapaze, die wir gerne und freiwillig – und mit Hightech-Ausrüstung – in Angriff nehmen, wohl wissend, dass oben angekommen zur Belohnung Endorphine, Ruhe und erhabener Ausblick warten. Auf die Soldaten in ihren schweren Baumwoll- und/oder Filzuniformen wartete höchstens der Feind oder unsäglich mühsame Arbeit beim Anlegen der Stellungen.

»Die unvorstellbare Sinnlosigkeit dieses Gebirgskriegs, in solch gigantisch schöner Umgebung, ist mir sehr nahegegangen. Gleichzeitig – und das ist schon irgendwie absurd – profitieren wir von dieser Militäraktion heute. Die Versorgungswege, die das Militär damals angelegt hat, sind heute zum Teil die Trails, auf denen wir mit unseren Bikes fahren.« – Man merkt Mirko im Gespräch an, das diese Etappe einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen hat.

Ah! Finalmente! Il lago!

»Ein anderes Highlight ist der erste Blick auf den Gardasee … was für ein Augenblick! Unglaublich, wozu man imstande ist. Man sollte ja meinen, man wäre traurig, dass die Tour nun bald vorbei ist, aber da ist nur pure Freude! Das Ziel (fast) erreicht! Sieben Etappen über 475 km und 12.000 Höhenmeter. Das hatte man sich in seiner Fantasie irgendwie vorgestellt, aber greifbar ist das natürlich nicht. Und wenn man dann um eine Ecke biegt und sieht tatsächlich den See … Wahnsinn! Dass man das wirklich geschafft hat.«


Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,

Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,

Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,

Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?

Kennst du es wohl?

Dahin, dahin

Möcht’ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.

– J. W. Goethe


Okay, bei Mirko war es der beste Freund, der mit ihm gezogen ist, aber Goethe muss ein ähnliches Glücksgefühl durchströmt haben wie die beiden Alpencrosser, als er nach seiner Alpenüberquerung in Italien ankam.

In Deutschland bei Nieselregen losfahren und dann – eine Woche später – in Italien bei sommerlichem Wetter an der Uferpromenade des Gardasees einrollen: Da gibt es kein Halten mehr. Da muss man einfach hinein ins Wasser. Am besten in voller Montur! Wer da kein Glück empfindet, ist selber schuld!


MIRKO KLOEVEKORN

… ist Onlineshop-Manager bei Globetrotter Ausrüstung und schon seit seinen Studententagen in dem Unternehmen. Angefangen hat er während des Studiums mit dem Päckchen-Packen für den Versand.

Als begeisterter Outdoorer ist die Affinität zu Globetrotter natürlich hoch. So ist er im Unternehmen geblieben und radelt nun (zumindest in Nicht-Corona-Zeiten) täglich mit dem Job-Rad – dem vom Arbeitgeber unterstützten Leasing-Bike – die 25 km ins Büro. Das ist ein perfekter Start in den Tag und war zudem eine gute Vorbereitung auf die Alpen-Tour!

Tipps für deine erste Alpenüberquerung –

ein Mirko-, äh, Mikro-Interview

Welche Tipps kannst du Erst-Crossern geben?

  • Das Fahrrad und die Ausrüstung auf Herz und Nieren checken
  • Während der Tour rechtzeitig (!) morgens losfahren. Auf den Körper hören und daraufhin gegebenenfalls. die Strecke anpassen
  • Man muss bereit sein, seine Komfortzone zu verlassen und leiden können

Auf welche drei Dinge würdest du nicht verzichten?

  • Auf meinen wasserdichten Ortlieb-Rucksack
  • Tubeless Bereifung
  • Sprühpflaster und Gesäßcreme

Was würdest du nicht wieder mitnehmen?

  • Meine uralten Wander-Rad-Schuhe. Sie sind am Morgen der Abreise im Hotel kaputtgegangen. (Das zum Thema Ausrüstung vorher richtig checken!)
  • Kleiner Wasserfilter. Völlig überflüssig, da am Weg genügend Trinkwasser vorhanden ist
  • Die 500-Gramm-Erdnussdose aus der ersten Hotelminibar, die ich bis zum Gardasee transportiert habe

An welche Begegnungen denkst du gern zurück?

  • Der Hotelbesitzer in Tschierv der es sich nicht hat nehmen lassen, die MTBs persönlich zu reinigen
  • Die diversen Kriegsschauplätze ließen einen manchmal in sich gehen. Dieser Gegensatz von traumhafter Hochalpinkulisse und kriegerischer Zerstörung und unsagbarem Leid
  • Die Pensionswirtin im Bergdorf Pezzo führt ein Fotoalbum, in dem sie sich mit allen ihren beherbergten Alpencrossern ablichtet. Das Album ist für jedermann einsehbar und sehr interessant

Alles für deine Transalp

gibt's bei Globetrotter


      Fotos: Christian Barti Bartels, Mirko Kloevekorn; Header-Bild: Switzerland Tourism – swiss-image.ch/Andre Meier

      Text: Tom Jutzler
      Autor: