Mit dem Kanu auf der Elbe: Elbharmonie

Dresden und Meißen gelten als schönste Städte Sachsens und liegen an der Elbe. Was liegt da näher als eine Anreise auf dem Wasser? Und die Wanderschuhe nicht vergessen, denn los geht’s im Elbsandstein.

Michael Neumann

Links oder rechts vorbei? Aktuell befinden wir uns auf direktem Kollisionskurs mit der »PD Pirna«. Der Schaufel­raddampfer stampft in Strommitte elbaufwärts Richtung tschechischer Grenze. Und wir ihm in unserem rot-schwarzen Kanu unaufhaltsam entgegen. Ein Zurüc­­k gegen die Strömung ist schwierig. Wie ein Mahlwerk arbeiten sich die meter­breiten Schaufelräder durchs braune Flusswasser. Während unser Gegenüber dank Kapitänspatent seiner Sache ziemlich sicher ist, müssen wir uns kurz sammeln. Links oder rechts? Zum Glück haben wir vor dem Stapellauf einen Blick in die Binnenschifffahrtsverordnung geworfen und wissen: Für uns gilt grund­sätzlich das Rechtsfahrgebot. Und wenn möglich bitte außerhalb des Fahrwassers, was aber durch den minimalen Tiefgang unsere­­s Kajaks kein Problem darstellt. Bis auf einen leichten Wellenschlag, der für nasse Hosen­böden sorgt, ist diese Begegnung mit dem Personendampfer auf Höhe König­stein der einzige knifflige Moment unserer dreitägigen Kanutour von Bad Schandau bis hinter Dresden.

Mit dem Kanu vor der Elbe
Michael Neumann

»Wer mag, kann die vorgestellte Paddelstrecke durch Wanderungen im Elbsandstein leicht auf eine Woche ausdehnen.«

Begonnen hat dieses Abenteuer auf dem Campingplatz an der Ost­raue­­­r Mühle bei Bad Schandau in der Sächsischen Schweiz. Dieser ist nicht nur ein perfektes Basislager für Wanderungen auf dem Malerweg oder zu den nahen Schrammsteinen, sondern liegt auch nur zwei Kilo­mete­­­­­r vom Einstieg am Elbparkplatz in Bad Schandau entfernt. Dort laden wir unseren Grabner Riverstar aus dem Kofferraum und blasen ihn auf. Das schlanke Zweierkajak aus österreichischer Fertigung hat so gar nichts gemein mit unserem bisherigen schwimmenden Untersatz, einem Kaufhaus-Schlauchboot un­bekannte­­­r Herkunft namens Tahiti. Sogar ein Steuer ließe sich am Riverstar montieren, worauf wir leichtsinnigerweise jedoch verzichten. Doch dazu später mehr.

Im knallroten Gummiboot

Schnell sind die wenigen Siebensachen in wasserdichten Trockensäcken verstaut und diese wiederum nach etwas Kopfzerbrechen im Kanu. Schon konstruktionsbedingt bietet ein Zweier weniger Stauraum als ein Einer, und im Gegensatz zu einem Festrumpf- oder Faltboot kosten die voluminösen Luftschläuche zusätzlich Stauraum. Wohl dem, der sein Gepäck auf möglichst viele kleine Beutel aufteilt, denn diese sind variabler und lassen sich auch noch ins kleinste Eck stopfen.

Jetzt noch das Auto in einer Seitenstraße geparkt, in die Schwimmweste geschlüpft und die Faszination Wasserwandern kann beginnen. Schon mit dem ersten Paddelschlag nach dem Ablegen änder­­t sich die Perspektive. Die Fahrradwege am Ufer sind nur wenige Meter entfernt, scheinen aber doch unendlich weit weg. Ähnlich verhält es sich mit dem Alltag. Eben noch studierte man Halteverbotsschilder, nun trägt einen das Wasser mühelos elbabwärts und man kann Beine wie Seele baumeln lassen.

Es ist unsere erste Paddeltour des Jahres und dementsprechend haper­t es noch mit der Koordination. Nicht ohne Grund werden Zweie­r auch Scheidungsboote genannt und manche Ente schaut etwas irritier­­t, bis wir den Takt raushaben und die Pirna kommen kann.

Unterhalb von Königstein steht der erste Landgang an. In Rathen tauschen wir Wasserschuhe gegen Wanderschuhe und besteigen die Bastei. Diese Felskanzel hoch über der Elbe gehört sicher zu den Top-5-Touristenhotspots in Deutschland und dementsprechend voll ist es. Was für ein krasser Gegensatz zur Ruhe auf dem Wasser. Etwas genervt verlassen wir die Aussichtsplattform schleunigst wieder. Liebe­r dehnen wir den Rückweg noch ein bisschen aus und nehmen nicht die Direttissima zurück, sondern laufen mit einem Schlenker über den Amselsee zurück.


Tourenatlas Elbe 1

Wasserfeste Kartensammlung für Radfahrerer und Paddler für den Elbabschnitt vom Elbsandstein bis Magdeburg. Einschließlich Navigationssoftware JONA. Art-Nr. 1100503, 29,90 Euro.

Mehr Literatur gibt’s unter www.globetrotter.de/buecher


Erst Kajüte, dann Hilleberg

Zum Glück sind wir heute früh gestartet, denn bis Dresden sind es noch fast 30 Kilometer. Viel, aber machbar. Die Strömung schiebt mit fünf Kilometern, und ein leichter Rückenwind legt noch eine Schippe drauf, so dass wir nach etwas über drei Stunden im letzten Büchsenlicht die Elbbrücke Blaues Wunder erreichen. Es folgen drei weitere, zwische­­n denen wir uns dicht am rechten Ufer entlanghangeln. Hier im knietiefen Wasser laufen wir keinerlei Gefahr, von den nach wie vor verkehrenden Motorbooten übersehen zu werden. Staunend genießen wir die imposante Barockkulisse der Sachsenmetropole, die sich bereits im besten Scheinwerferlicht präsentiert.

»Da es in Dresden keine zentrumsnahen Campingplätze gibt, ziehen wir in der Schiffsherberge Pöppelmann ein.«

Obwohl wir auch ein Zelt dabeihaben, verbringen wir die erste Nacht unserer Tour absolut standesgemäß: in der Schiffsherberge Pöppel­mann. Deren ausrangierter Schaufelraddampfer hieß früher »Karl Marx« und schipperte bis 1988 die Elbe hoch und runter. Heute beherberg­­t er in den Kajüten 106 zentrumsnahe Betten, die sich natür­lich mit dem Kajak perfekt erreichen lassen.

Den Plan, nach dem Verstauen der Siebensachen noch ein bisschen die nächtliche Stadt zu erkunden, müssen wir jedoch einkassieren: So rechtschaffend müde wie heute waren wir schon lange nicht mehr. Nach einer erholsamen Nacht im Schiffshotel genießen wir das gute und reichhaltige Frühstück, um danach noch einmal loszuziehen und uns jetzt endlich die beeindruckende Altstadt Dresdens mit Frauenkirche, Zwinger und Semperoper anzusehen.

Derart kulturell angereichert machen wir uns bereit, beladen unser Kanu und paddeln bei bestem Wetter weiter. Dank Rückenwind und Strömung kommen wir wieder gut voran, genießen den wolkenlosen Himmel und die Ruhe auf dem Fluss. Diese Simplizität des Paddelns begeistert immer wieder: Dank einer leicht transportablen und aufblasbaren Gummiwurst scheinen wir für die Welt unerreichbar. Auch das Gewicht des Gepäcks muss einen allenfalls beim Umtragen etwaiger Staustufen sorgen. Grundsätzlich kann man aber bedenkenlos einladen, sofern man die Zuladung beachtet. Die schöne Flasche Rotwein für das abendliche Lager ist daher stets an Bord.

Nur eines nervt: Da wir aus Bequemlichkeit das vorhandene Steuer nicht montiert haben, gerät das Kanu trotz heftiger Korrekturen manchmal außer Kontrolle. Wir nehmen es mit Humor und drehen hier und da einfach eine Pirouette. Über die Ursache können wir nur spekulieren: der Wind, die Strudel der Elbe … am Ende wir?

Wir beobachten die unterschiedlichsten Vögel: Milane, Grau­reiher, Wildenten, Möwen … Sehr selten überholt uns ein Schiff oder gar andere Paddler. Wir haben den Fluss nahezu für uns allein­e.

Das Zelt am Flussufer
Michael Neumann

Am frühen Abend beschließen wir, an einem schönen Strand mitten im Nirgendwo mit dem Kanu anzulegen und dort zu übernachten. Hier im Hochwassersaum der Elbe wird das einmalige Übernachten meist toleriert – sofern es nicht auf Privatgrund ist und man den Platz hinterher sauberer verlässt, als man ihn vorgefunden hat. Das Zelt ist schnell aufgebaut und die vorsorglich eingepackte Trekking­mahlzeit im Nu heiß. Im Anschluss beobachten wir geduldig Fische beim Mückenfangen. Sendeschluss ist mit Untergang der Sonne, höchste Zeit für den kuschligen Schlafsack.

Frühstücksfernsehen GEZ-frei

Am nächsten Morgen ist das Zelt durch die Nähe zum Wasser tropfnass, und es braucht ein bisschen, bis die Sonne ihr Werk geta­n hat. Macht aber nix, denn auch das morgendliche Erwachen am Fluss ist perfektes Frühstücksfernsehen, nur hin und wieder untermalt vom Fauchen der Espressokanne.

Unsere nächste Landmarke ist das wunderschöne Städtchen Meiße­­n mit seinem beeindruckend restaurierten Stadtkern. Hier vertreten wir uns die Beine und schauen mal, ob die Meißener auch Cappuccino können. Können sie.

Eigentlich wollten wir ja hier in Meißen die Fahrt beenden und ganz bequem per S-Bahn zurück zum Auto in Bad Schandau fahren. Doch die warme Mittagssonne lockt unwiderstehlich zurück ins Kanu. Also gut, tuckern wir einfach noch ein Weilchen flussab Richtung Riesa und machen noch ein drittes Mal Quartier am Ufersaum, das Auto wird schon nicht weglaufen. Und nächstes Jahr, so viel ist sicher, fahren wir bis Hamburg weiter.

Blick auf die Stadt von der Elbe
Michael Neumann
Text: Jochen Hitzemann