Zelthersteller Big Agnes

Eine kleine Marke mit großartigen Produkten und spannenden Geschichten: Wo Big Agnes seine Zelte aufschlägt, ist Abenteuer garantiert.

Noah Wetzel

Steamboat Springs, ein kleiner, beschaulicher Ort im Nordwesten von Colorado am Fuße der Rock­y Mountains. Vor der Haustür liegt das legendär­­e Skigebiet, hinter dem Haus verläuft der längste Fernwanderweg der USA, der Continental Divid­­e Trail. In den Yampa River steigen die Paddler mitten im Zentrum ein, während sich in der Bergwelt ringsum ein schier endloses Netz an Bikerouten und Wanderwegen entspinnt. So auch um den Big Agnes, einem Gipfel in der Mount Zirkel Wilderness Area. Mit seinen 3647 Metern ist er bei Weitem nicht der mächtigste unter den Rocky Mountains. »Aber es ist einer unserer Hausberge, an dem man alles erleben kann, was wir lieben. Wandern, Biken, Klettern, Angel­­n. Und die Gegend ist so abgeschieden und weitläufig, dass du tagelang unterwegs sein kannst, ohne jemandem zu begegnen.«

Ausgezeichneter Arbeitsplatz

Fragt man Bill Gamber nach dem Grund, warum er seine Camping-Marke ausgerechnet nach diesem Berg benannt hat, verfällt er unweigerlich ins Schwärmen. Er hat zig Tourenvorschläge parat, berichtet von unvergessliche­­n Erlebnissen, bis er schließlich kurz durchschnauft und mit einem Schmunzeln anfügt: »Außerdem ist es ein wirklich witziger Name für einen Berg und für eine Marke sowieso.« Nicht, dass sie ihre Arbeit nicht ernst nehmen würden bei Big Agnes, ganz im Gegenteil, beeilt sich Bill zu ergänzen: »Aber nur wer Spaß hat, kann einen guten Job machen.« Und beides – gute Arbeit und viel Spaß – scheint der Grundstock der Marke »BA« zu sein. Der Produzent von hochwertigen Zelten, Schlafsäcken und Isomatten hat über die Jahre nicht nur unzählige Awards für sein Equipment eingeheimst, sondern auch wiederholt die »Best Place to Work«-Auszeichnung des Outside Magazine­­s bekommen. 

Big Agnes ist heute einer der größten Arbeitgeber in diesem kleinen Ort. Entsprechend eng ist man miteinander befreundet und entsprechend stark liegt der Erfolg der Marke jedem Einzelnen am Herzen. »Die Motivation ist bei uns wirklich kein Problem«, sagt Bill über seine 76 Angestellten. »Keiner zieht nach Steamboat Springs, um das große Geld zu machen. Hierher kommt man, weil man ein anderes Leben führen will. Ein Leben in und mit der Natur. Und dafür machen wir die beste Ausrüstung – eigentlich motivieren uns also egoistische Gründe. Wir wollen die beste Ausrüstung für uns selbst schaffen.« So kann es aber durchaus passieren, dass die Big-Agnes-Räumlichkeiten auch unter der Woche verlassen wirken. »An einem Powder-Tag ist unser Büro eher ausgestorben. Aber dafür sitzen manche schon um sechs Uhr am Schreibtisch oder abends um acht Uhr.« In den Anfangszeiten, ergänzt Bill, da »haben wir einfach den Anrufbeantworter eingeschaltet und sind raus«. 

In das Camping-Business ist Bill im Jahr 2001 hineingerutsch­­t – wortwörtlich: Er hatte endgültig die Nase voll, ständig bei seinen Nächten unter freiem Himmel von seiner Isomatte zu rollen. Also beschließt er, ein Schlafsystem – eine zusammenhägende Einheit aus Schlafsack und Isomatte – zu entwickeln, das ihn an Ort und Stelle hält und das obendrein sowohl leicht wie komfortabel ist. Gedacht, getan – und das sehr schnell sehr erfolgreic­­h.

Ein süßes Familienerbe

Aus seinem Hobby einen Beruf zu machen, das liege ihm wohl im Blut, klärt Bill auf: »In den 1940er-Jahren hat sich mein Großvater drei Bienenstöcke zugelegt, weil er einen Ausgleich zur stressigen Arbeit suchte.« Als Entschleunigung diente die Imkerei jedoch nur für kurze Zeit. Dann nahm der Gamber-Geschäftsgeist Fahrt auf und das Ehepaar Ralph und Luella machte aus den drei Bienenstöcken eines der größten Honi­g-Unternehmen der USA. 

Während sein Vater Dutch Gold Honey (die Firma ist bis heute in Familienhand) noch größer macht, studiert Bill und wird vom erfolgreichen Ringer zum noch erfolgreicheren Triathleten. Als er keine Rad­hose findet, die seinen Ansprüchen genügt, schneidert er sich selbst Shorts und gründet kurzerhand die Marke »BAP!«. Er ist Anfang 20, als er seine Produkte bei Events aus dem Kofferraum verkauft. Nach dem Studiu­­m zieht es ihn aus dem heimatlichen Pennsylvania immer weiter gen Westen. Dorthin, wo es wilder wird, wo man in der Einsamkeit fischen und klettern kann. Bis er schließlich in Steamboat Springs landet, einem Skiort, der abgeschiedener und landschaftlich beeindruckender kaum sein kann.

Auch wenn es »BAP!« noch gibt, sind Bills Equipment-Interessen mehr und mehr in Richtung Outdoor gewandert. Er möchte mit Big Agnes Produkte schaffe­n, mit denen die Menschen rausgehen und ihre Abenteue­­­r leben können. »Jeder, der viel draußen ist, weiß, wie wichtig es ist, qualitativ hochwertige Ausrüstun­­g zu haben. Das Material ist entscheidend, Zuverlässigkeit und durchdachte Features. Und mit leichtem Gepäck kommst du weiter und höher.« 

Natürliches Engagement

Big Agnes kann sich nur so beharrlich und erfolgreich auf dem umkämpften Markt positionieren, weil sie stets mit neuen Innovationen aufwarten. Den Input dafür holen sie sich von ihren gesponserten Athleten wie Chhiring Dorje Sherpa, der ihre Zelte schon zigmal auf dem K2 und Mount Everest aufgestellt hat. Aber natürlich auch von ihren eigenen Unternehmungen. »Wir sind allesamt Anhänger von dem, was man heute als Microadventure bezeichnet«, sagt Bill. »Zu Fuß oder mit dem Bike einfach von der Haustür in die Natur starten.« Aus diesem Grund ist auch Bike­packing bei Big Agnes ein großes Thema. 

Dazu gibt es regelmäßig gemeinschaftliche Com­pany-Campouts und 2018 beschließt Big Agnes ein besonderes Team-Event und legt in Gruppen etappenweise die kompletten 1200 Kilometer zurück, die der Continental Divide Trail durch den Staat Colorado verläuft. Über drei Monate wird gewandert und ge­bikt, bei Hitze, Gewittern und Regengüssen – und das alles natürlich während der Arbeitszeit. Auch heut­e sind sie immer wieder auf dem berühmten Trail ­unter­­­­­­wegs, schließlich hat Big Agnes einen 120-­­ Kilo­meter-Abschnitt »adoptiert« und ist für seinen Zustan­d verantwortlich. 

»Je mehr wir als Marke wachsen, desto mehr können wir der Gemeinschaft zurückgeben«, erklärt Bill. »Wir engagieren uns auch besonders für Jugendprogramme. Es ist immer etwas Besonderes, draußen in der Natur zu sein. Diese Erlebnisse kann man nur jedem wünschen. Ich glaube, darin liegt eine der großen Herausforderungen der Zukunft: den Kids bewusst machen, was die Natur alles parat hält, wie viel Kraft sie gibt, aber auch, wie sensibel sie ist.« 

»Unser Firmensitz ist mitten in der Natur – Motivation vorprogrammiert.«

Bill Gambler, Präsident und Co-Gründer von Big Agnes

Ihr Wachstum ermöglicht der Marke auch, Druck auf Zulieferer in Sachen Nachhaltigkeit auszuüben. Ein höheres Ordervolumen bringt mehr Entscheidungsgewalt. Unter anderem ist Bill das sogenannte Dope-Dye-Verfahren wichtig: Millionen von Litern an Wasser werden gegenüber der traditionellen Färbe­methode eingespart, indem die Faser direkt während des Spinnprozesses gefärbt wird. 

Auch wenn die Leichtgewichtzelte der Marke zu den Bestsellern in den USA zählen, ist Big Agnes bei Weitem kein Big Global Outdoor-Player. Aber nachdem das Team aus Steamboat Springs schon auf seinem Heimatkontinent so erfolgreich seine Zelte auf­­ge­schlagen hat, ist es seit ein paar Jahren auch auf dem europäischen Markt vertreten. Gibt es für die Expansion denn eine besondere Strategie? Bill nickt eifrig und fügt mit glänzenden Augen hinzu: »In Europa lässt es sich ganz hervorragend biken, wandern und Ski fahren. Big Agnes liefert uns die perfekte Ausrede, zu euch zu kommen und eure Landschaften zu erkunden.« Eine großartige Firmenstrategie.

Noah Wetzel