Herstellerporträt: Aku

Aku ist ein traditioneller Bergschuhersteller in zweiter Generation. Ihre Unternehmensphilosophiefanden die Italiener fast zufällig, als sie bemerkten, dass sie bereits ziemlich umweltfreundlich produzieren.

Julian Rohn

Dort, wo die Voralpen sanft in die Ebene von Venedig aus­laufen, umgeben von Glera-­Reben für den Prosecco, liegt Montebelluna. In der zu­nächst unscheinbaren norditalienischen Kleinstadt befindet sich so etwas wie die Weltzentrale der Outdoor-­Schuhproduktion. Die berühmte italienische Schuhmacher­kunst entwickelte sich in der Region, weil Leder ein leicht erhältlicher Rohstoff war, den die arme Landbevölkerung gut verarbei­ten konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg formte sich daraus eine Industrie. Dank des neuen Freizeitverhaltens der Menschen in Europa waren Berg-­ und Skistiefel gefragt. Man findet in der Region heute viele Herstel­ler, Zulieferer und Gerbereien. Einer der Hersteller ist Aku.

Das Familienunternehmen produziert hoch­wertige Berg-­ und Wanderschuhe, hergestellt in traditionellem Schuhmacherhandwerk. Gleich am Stadtrand, wo die Weinfelder enden, steht das flache Firmengebäude. Während vorne in den Büros die neuen Designs entworfen und vermarktet werden, pocht das wahre Herz der Firma weiter hinten in der Produktionshalle.

Hier stößt man in der Regel auf Galliano Bordin. Der Seniorchef ist noch fast jeden Tag im Betrieb. Prüft hier an einer Maschine, probiert dort mal etwas aus, nimmt Entwürfe und Prototypen unter die Lupe. Ruhestand? Für den 81­-Jährigen nicht vorstellbar. Aku ist sein Baby. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg geboren, verließ Galliano wie damals üblich im Alter von zehn Jahren die Schule, arbei­tete auf dem elterlichen Hof und lernte das Schuhmacherhandwerk in einer kleinen Werkstatt. Weil er zunächst vor allem Schuhe reparieren musste, erkannte er ganz neben­bei ihre Schwachstellen. Als Galliano merkte, dass Berg­ und Wanderschuhe ein großer Teil des Geschäfts in der Region wurden, spezia­lisierte er sich auf diesen Bereich und grün­dete schließlich in den 1970er­-Jahren seine eigene Produktion. Damals noch unter dem Namen Dinsport.

Julian Rohn

Volle Kontrolle

Auch die meisten der heutigen Angestellten haben hier in der Produktionshalle schon als Jugendliche gelernt. Erfahrung braucht Zeit. Die Schuhproduktion ist immer noch Hand­arbeit und wird lediglich von Maschinen un­terstützt. Die Arbeiter haben es im Gefühl, wie eng sie den Schaft auf den Leisten schnü­ren oder wie sehr man den Gummischutz­rand dehnen muss, damit er sich faltenlos um die Schuhspitze legt. Die Schäfte werden in Rumänien genäht, aber die Endmontage und Prototypenfertigung finden in Montebelluna statt. 15 bis 20 Paar Schäfte gehen pro Stunde über die Produktionsstraße. Sie wer­den auf die Leisten gezogen, mit der Brand­sohle verzwickt, bekommen den Gummi­schutzrand und werden anschließend auf die Außensohle geklebt.

Vielleicht günstiger in Asien zu produzieren, habe für ihn keinen Sinn, erklärt Paolo Bordin. Der 47­-Jährige ist selbst begeisterter Bergsportler und Mountainbiker und hat die operative Führung des Unternehmens 1998 von seinem Vater übernommen: »Wir wollen volle Kontrolle über die Herstellungsprozesse und das verarbeitete Material, deshalb arbei­ten wir nur in Europa«, sagt Paolo. »Außer­dem ist es ein Teil unserer sozialen Verant­wortung für die Region, dass wir weiterhin auch in Montebelluna produzieren.«

Wie verantwortungsbewusst man arbeitet, darüber war man sich bei Aku lange nicht im klaren. Ziel ist es immer gewesen: haltbare und komfortable Schuhe produzieren – für Menschen, die in die Berge gehen. Erst ein Blindtest der Stiftung Warentest öffnete einige Augen. Im Jahr 2013 nahmen die deutschen Verbraucherschützer 15 Paar Trekkingstiefel unter die Lupe. Aku gewann nicht nur die Gesamtwertung mit Trage­komfort, Funktion und Haltbarkeit – zum eigenen Erstaunen hatten die Italiener auch in Sachen Schadstoffbelastung die Konkur­renz teilweise weit hinter sich gelassen.

Julian Rohn Alles beginnt mit einem Strich: Neue Modelle werden per Hand entworfen, dann gescannt und mit Schablonen auf dem Leisten modelliert.

»Vorher wollten wir einfach bequeme und haltbare Schuhe in italienischer Tradition herstellen«, sagt Vittorio Forato, der Marke­tingmanager von Aku, »Aber nun hatten wir noch eine weitere Stärke, deren wir uns bis­lang gar nicht bewusst gewesen waren.« Anschließend beschäftigte man sich noch genauer mit der Zulieferkette. Wo kann man weitere Ressourcen schonen, wie kann man noch verantwortlicher produzieren? »Wir sagen bewusst: verantwortlich produziert. Nachhaltig ist nicht richtig, denn im Laufe einer Schuhproduktion werden zum Beispiel doch noch Kleber verwendet, die nicht 100­-prozentig umweltfreundlich sind«, er­ klärt Vittorio. »Wir können aber dafür sor­gen, dass unsere Schuhe sehr lange halten und somit auf die Dauer auch nur sehr wenig dieser Substanzen benötigt werden.«

»Aku ist eine Gottheit der Osterinseln, die die Erde und die Menschen beschützt.«

Materialien aus Italien

Aus dem Bestreben, so verantwortlich wie möglich zu produzieren, ist die Plus­-Serie entstanden, die auch bei Globetrotter im Sortiment ist. Die Materialien stammen zum allergrößten Teil aus Italien, oft sogar direkt aus der Region. In der Gerberei Dani, die nur 80 Kilometer westlich liegt, hat Aku dafür einen Partner gefunden, der nicht nur einen kurzen Liefer­weg hat. Das Gerben gehört sonst zu einem der schmutzigsten Prozesse der Schuh­ herstellung. Die Lederspezialisten haben aber ein Verfahren entwickelt, bei dem Chrom und Schwermetalle durch Enzyme und Polysaccharide ersetzt werden. Gleich­zeitig konnte Dani den CO2­-Ausstoß um fünf Prozent senken und kompensiert den Rest durch Wiederaufforstungsprojekte in Italien. Einen Teil der Profilsohlen fertigt die Branchengröße Vibram aus recyceltem Gummi. Die passende EVA­Zwischensohle, die zu 30 Prozent aus Produktionsresten be­steht, liefert ein anderer italienischer Herstel­ler. Die weiteren Außensohlen kommen von Michelin. Der Vorteil: Michelin gehört die ganze Produktionskette direkt ab der Kaut­schukplantage. So kann man besser nachvoll­ziehen, was wo herkommt. Insgesamt stam­men 99 Prozent aller Komponenten der Plus­Serie aus Italien und Europa.

Julian Rohn Schuhproduktion ist immer noch Handarbeit und wird lediglich von Maschinen unterstützt. Die Arbeiter haben jeden Arbeitsschritt teils seit Jahrzehnten optimiert.

Bei den anderen Modellreihen ist man noch nicht ganz so weit, gerade arbeitet Aku an einer ID­-Card, mit der sich in Zukunft die Kunden über die Herkunft jedes Bestandteils aller Aku­-Schuhe informieren können. Auch in Sachen Marketing legt man Wert auf Verantwortung. Ein gesponsertes Athleten­team sucht man bei Aku vergebens, lieber unterstützen die Bordins Umweltinitiativen wie »Protecting Ice Memory«. Das internati­onale Wissenschaftsprojekt entnimmt den weltweit schwindenden Gletschern Eis­proben. Weil im Gletschereis die Daten über das Klima der letzten Jahrhunderte gespei­chert sind, teilweise aber die nötigen Mess­methoden noch fehlen, um all diese Informa­tionen zu entschlüsseln, sollen die Eisproben in der Antarktis für zukünftige Forscher­ generationen aufbewahrt werden.

Aku Fast noch täglich im Betrieb: Galliano Bordin, der 81-jährige Gründer von Aku.

Das nötige Feedback zu den eigenen Produk­ten holt man sich stattdessen über Tester und Markenbotschafter, die in den Bergen leben und arbeiten – die Dolomiten sind schließlich nur eine Stunde entfernt.

Bleibt zu klären, wie aus Dinsport eigentlich Aku wurde. Neben Italien entwickelte sich mit der Zeit Deutschland zum wichtigsten Markt. Doch der Name kollidierte mit der deutschen »DIN­-Norm«. Also taufte Galliano Bordin die Firma 1985 auf den Namen Aku – nach einer Gottheit der Osterinseln, die die Erde und die Menschen beschützt. Schon er­staunlich, wie passend dieser Name in den letzten Jahren geworden ist.

Aku-Schuhe im Globetrotter-Sortiment