Den Spruch »Schuster, bleib bei deinen Leisten« kennt jeder. Gemeint ist, man solle sich auf die Dinge konzentrieren sollte, die man am besten kann. Aber was sind überhaupt Leisten? Wikipedia weiß weiter: »Der Leisten ist ein Formstück aus Holz, Kunststoff oder Metall, das der Form eines Fußes nachempfunden ist und zum Bau eines Schuhs verwendet wird. Das Wort, das ursprünglich Spur und Fußabdruck bedeutete, ist verwandt mit dem Verbum leisten (schaffen), nicht aber mit Leiste.« Aha. Ein künstlicher Fuß also. Über diesen wird nun ein Prototyp geschustert, von dem man im Anschluss die Schnittmuster für die Serienproduktion ableitet.
Szenenwechsel. Ein Nachmittag unter der Woche in der Globetrotter Filiale Hamburg. Schuhabteilung. Hochbetrieb! Ein halbes Dutzend Verkäufer balanciert Schuhschachteln und bedient zeitgleich bis zu drei Kunden. Wer eine ausführlichere Beratung möchte, muss eine Nummer ziehen und sich etwas gedulden. Es ist augenfällig: der Bedarf an wirklich perfekt passendem Schuhwerk scheint enorm – und der Weg dahin führt nur über eine ausführliche Anprobe möglichst vieler unterschiedlicher Modelle. Beziehungsweise: unterschiedlicher Leisten.
Die meisten Schuhmodelle dieser Welt liegen exakt einem Normleisten zugrunde, von dem es zu jeder Schuhgröße eine proportionale Entsprechung gibt. Nicht so bei Hanwag. Dort unterscheidet man mittlerweile zwischen neun verschiedenen Leisten. Und auch wenn letztlich jeder Fuß so individuell ist wie der Rest vom Menschenkind, so kommt man mit dem Faktor 10 dem Ideal von der perfekten Passform schon sehr nahe. Zumal ein Gros der Leute ohnehin wenig »Auffälligkeiten« bei der Fußform hat. Den meisten passen deswegen Hanwag-Schuhe vom Normleisten, der den schlichten Namen »Standard« trägt.
Das Passform-Geheimnis: Spezialleisten
Wem dieser nach einer gründlichen Anprobe passt, kann sich freuen, ihr oder ihm stehen nun zig Modelle aus dem Hanwag-Sortiment zur Verfügung – vom hochtechnischen Alpinschuh Ferrata II GTX bis zum edlen Tashi, einem Zwiegenähten aus Yak-Leder.
Wer außerhalb des Normalbereichs liegt, bekommt bei Hanwag weitere Alternativen: Zum »Standard« kommen mit Alpin, Rock und Trek drei erweiterte Leistenkonzepte, und dazu nochmal fünf Spezialleisten, die daraus abgeleitet wurden. Zum einen der Narrow-Leisten, welcher schmalen Füßen einen deutlich besseren und definierteren Halt bietet. Auf der anderen Seite der Skala rangiert der Wide-Leisten. Sein Fersenbereich ist normal geschnitten, doch im Ballen- sowie im Vorfußbereich bietet er spürbar mehr Platz.
Hallux Valgus: Der lateinische Begriff beschreibt den Schiefstand der Großzehe samt Versteifung des Großzehengrundgelenks.
Ein absoluter Megahit in der Hanwag-Leistenparade ist der Bunion-Leisten: Bunion ist die englische Bezeichnung für Hallux Valgus. Alles klar? Nö? Nun, der lateinische Begriff beschreibt den Schiefstand der Großzehe samt Versteifung des Großzehengrundgelenks. Vor allem Frauen kennen dieses Problem, neuerdings sind aber auch immer mehr Boulderer und Sportkletterer jeden Geschlechts betroffen, die ihre Füße in viel zu enge Patschen zwängen. Der Bunion-Leisten bietet eine entsprechend große Aussparung im Bereich der Großzehe und erlöst all jene, die bisher von einer operativen Behebung des Hallux Valgus abgesehen haben. Auf den weiteren Plätzen rangieren Straight Fit und Alpin Wide.
Danke Hanwag – und alles Gute zum Hundertsten
Das Fertigen eines Leistens ist anfangs pure Handarbeit. Ein Holzrohling wird zunächst grob in Form gebracht und dann sorgsam zurechtgeschliffen. Zwischendrin wird immer wieder Maß genommen und gegebenfalls etwas Masse aufgespachelt, um dann wieder langsam runtergeschliffen zu werden. Bei dieser Arbeit kommt es allein auf die Erfahrung des Schuhmachers an. Was auch erklärt, warum die meisten schon ein paar Berufsjahre auf dem Buckel haben, bevor man sie an den Leisten lässt.
Erst wenn das Endprodukt dem Schuhmacher ein Lächeln ins Gesicht zaubert, kommt der Computer ins Spiel. Die Form wird abgetastet und steht fortan in einem CAD-Programm zur Verfügung. Dort kann man dann etwa Aspekte wie Schrumpfungsprozesse je nach später verwendeten Materialien simulieren und sich die Größenläufe ausrechnen lassen. Ist diese Arbeit erledigt, fräst eine Maschine sämtliche Leisten millimetergenau aus dem Vollen, und der nächste Schritt kann beginnen, wieder in Handarbeit: das Austüfteln der Schnittbogen fürs Ober- und Futtermaterial.
Im Anschluss werden die Schnittbögen zu Stanzschablonen und aus den Holzleisten Plastikleisten in dutzendfacher Ausführung. Dann kann die Serienfertigung beginnen. Damit dabei nichts schiefgeht, verbleibt der formgebende Leisten bis zum Einfädeln der Schnürbänder im Schuh.
Also, liebe GlobetrotterInnen: Wenn ihr dann bei eurer Anprobe in der Filiale plötzlich ganz geschmeidig in einen der Kandidaten hineingleitet, sofort dieses besondere Gefühl habt und das Ganze in dem magischen Satz zusammenfasst: »Ich glaube, der passt!« – dann steckt dahinter jede Menge Arbeit und Erfahrung. In diesem Sinne: Danke Hanwag – und alles Gute zum 100. Geburtstag.
Mehr von Hanwag: Die Hanwag Stories
Zum 100. Geburtstag darf man sich auch selbst beschenken: Hanwag tut dies mit der toll gemachten Website »Hanwag Stories«. Hier geht’s weniger um Schuhe, sondern mehr um die Menschen, die Hanwag-Schuhe benutzen. So wie die Hamburger Illustratorin Sanna Wandke (Zeichnung rechts), die den lengendären Pacific Crest Trail bewältigt hat: 4300 Kilometer, 120.0000 Höhenmeter. Das Ganze in fünf Monaten und mit nur einem Satz Schuhe – einem Paar Hanwag Tatra. Sarahs Geschichte und noch viele andere erzählen die Hanwag Stories.