Interview mit Jana Erb – Womens Gear Award

Gründerin von #sheisoutdoors – dem ersten Women’s Gear Award

© Sarah Domandl – SARIPICTURE Phototgraphy

It’s time to stop adapting and start developing!

Jana ist selbstständige Fotografin und ein echter Geek, wenn es um Outdoor-Ausrüstung geht: „In der Anfangszeit meiner Selbstständigkeit habe ich als zweites Standbein bei Globetrotter gearbeitet. Da ich schon als Kind mit meinem Vater in den Bergen unterwegs war, habe ich mich immer auch für Outdoor-Ausrüstung interessiert – durch meine Arbeit wurde ich dann aber zum richtigen Ausrüstungs-Geek.“ Wenig verwunderlich also, dass die Münchnerin im vergangenen Jahr den weltweit ersten Women’s Gear Award ins Leben rief. Im Interview mit Globetrotter berichtet Jana, wie sie auf Idee zu #sheisoutdoors gekommen ist, was gutes Outdoor-Equipment für Frauen ausmacht und warum es überhaupt einen Outdoor-Award für Frauen braucht.

Jana, Awards gibt es auch in der Outdoorbranche wie Sand am Meer – warum noch einer?

Frauen haben in der Outdoor-Welt lange Zeit keine große Rolle gespielt: Es ist noch gar nicht mal so lange her, dass sich die ersten Kletter-Pionierinnen heimlich aus dem Haus schleichen mussten, um ihre Träume zu verwirklichen. In langen Röcken hat damals die erste Generation weiblicher Kletterer Gipfel und Felswände erobert. In den 80er und 90er Jahren haben Vorreiterinnen wie Lynn Hill in den USA, Catherine Destivelle in Frankreich und Marietta Uhden in Deutschland dann endlich Abenteurerinnen in den Fokus gerückt.

Dominiert wird die Branche aber nach wie vor von männlichen Kollegen – und das ist sehr schade, denn es gibt eine Menge starker und inspirierender Frauen da draußen! Wir haben schon viel erreicht und einen langen (steinigen und steilen) Weg hinter uns – aber es gibt noch immer viel zu tun – auch in puncto Outdoor-Ausrüstung.

Mit dem zunehmenden Anteil von Frauen, die sich für Trekking, Klettern und Co begeisterten, haben in den 90-Jahren auch die ersten Marken angefangen, Equipment für Frauen zu entwickeln. Dabei ging es allerdings zunächst vor allem um Prints und Farben – so ein wenig nach dem Motto „shrink it and pink it“. Mittlerweile hat sich in der Branche glücklicherweise einiges getan, aber es gibt noch immer viel Luft nach oben!

Inwiefern Luft nach oben?

Naja, es gibt zwar inzwischen eine breite Auswahl an Frauen-Outdoorprodukten in den Geschäften, aber immer dann, wenn das Equipment sehr spezielle Anforderungen erfüllen muss, gibt es nur wenige Produkte, die auf weibliche Bedürfnisse und Körperformen ausgerichtet sind. Ich habe zum Beispiel schon viele längere Reisen ins winterliche Skandinavien sowie einige alpine Wintertouren unternommen. Auf einer Winterreise nach Island musste ich aber einsehen, dass die Witterung dort wesentlich anspruchsvoller ist.Wenn einen die klimatischen Bedingungen an die eigenen körperlichen und geistigen Grenzen bringen, gibt es keinen Platz für „try and error“. Dann muss ich auf meine Ausrüstung verlassen können – ohne Wenn und Aber. Auch als Frau.

Leider werden immer noch die meisten Produkte erst einmal für Männer bzw. ‚Unisex‘ entwickelt und dann lediglich in Größe, Schnitt und Farbe angepasst. Da die Entwicklung von Produkten viel Geld kostet, ist das natürlich nachvollziehbar. Dass es aber für Frauen vielleicht besser wäre, wenn Reißverschlüsse oder Taschen an anderer Stelle verlaufen würden oder die Jacke an einer Stelle mehr oder weniger isoliert wäre, wird dabei oftmals nicht beachtet.

Wie entstand die Idee für #sheisoutdoors?

Die Idee zu diesem Award entstand direkt nach der ISPO im Februar 2021 – vielleicht schwirrte sie aber bereits länger unbewusst in meinem Kopf herum: Bei der Suche nach dem passenden Outdoor-Equipment ist mir immer wieder aufgefallen, dass es viele Produkte nicht für Frauen gibt. Konkret habe ich zum Beispiel nach einem großen Rucksack gesucht, in den mein ganzes Foto-Zubehör passt – ohne Erfolg. Immer wieder habe ich auch an den Ständen der Outdoormarken auf Fachmessen nachgefragt, warum es dieses oder jenes Produkt nicht gibt. Mir wurde dann gesagt, dass das niemand brauche, dass es dafür nicht die entsprechende Zielgruppe gäbe – aber gleichzeitig wurde hochspezialisierte Ausrüstungsstücke für Männer produziert, die sicherlich eine deutlich kleinere (aber eben männliche) Zielgruppe im Blick haben. Das wollte ich so nicht akzeptieren.

Schon 2019 konnte ich erste Award-Erfahrung als Jury-Mitglied beim Scandinavian Outdoor Award gewinnen. Kurz nachdem meine Idee geboren war, habe ich mir dann mit Miriam Mayer eine Fotografen-Kollegin mit ins Boot geholt, um meine fixe Idee Wirklichkeit werden zu lassen, und wir haben direkt losgelegt. Wir haben damals in der ersten Runde unglaublich viel Unterstützung von Außen bekommen. Kollegen und Freunde, die sich unsere Ideen und Konzepte angehört und hinterfragt haben und auch manchmal im entscheidenden Moment einfach mit angepackt haben. Schon im April konnten sich dann die ersten Marken mit ihren Produkten für die erste Award-Runde anmelden, bereits Ende Juli haben wir ersten Women’s Gear Award der Welt vergeben. 28 Marken haben damals mit 37 angemeldeten Produkten teilgenommen. Das hat uns schon sehr stolz gemacht!

Was möchtest du mit dem Award bewegen?

Ich hatte einfach dieses Gefühl, dass der Branche genau so etwas fehlt – denn solange es Marketing-Experten gibt, die davon überzeugt sind, dass Frauen nicht zu Abenteuern inspiriert werden wollen, sondern eigentlich nur auf modische Aspekte achten, solange es normal ist, dass Frauen bei der Wahl ihrer Ausrüstung Kompromisse eingehen müssen und solange in den Award-Jurys vor allem Männer sitzen, ist es mehr als notwendig, das Thema Frauen und Outdoorsport in den Fokus zu rücken!

Mit dem Award möchten mein Team und ich Unternehmen und Marken dafür sensibilisieren, Frauen von vorneherein bei der Entwicklung eines Outdoor-Produktes mitzudenken. Es ist an der Zeit, Produkte nicht einfach nur für die weibliche Zielgruppe anzupassen, sondern sie direkt für Frauen zu entwickeln. Als Frauen müssen wir aber auch lernen, unsere Bedürfnisse klar und deutlich formulieren und unsere Interessen vehementer zu vertreten. Mir geht es dabei explizit nicht darum, Männer auszuschließen. Stattdessen möchte ich die Möglichkeiten für Frauen erweitern.

Außerdem möchte ich mit dem Award die Rolle von Frauen im Outdoorsport und in der Werbung grundlegend hinterfragen. Frauen werden in der Werbung immer noch sehr häufig nett lächelnd als optisches Beiwerk eingesetzt. So nach dem Motto: Die Frau steht neben ihrem Mountainbike in spektakulärer Landschaft und schaut bewundernd ihrem Freund dabei zu, wie er den Berg runter heizt. Aber eigentlich ist der Spaß doch, die Abenteuer selbst zu erleben und dreckig, verschwitzt, erschöpft und zufrieden Abends vor der Hütte zu sitzen. Werbung soll uns inspirieren. Und Werbung für Outdoor Produkte im speziellen sollte einen davon träumen lassen, selbst mitten drin im Abenteuer zu sein.

Wer ist denn Teil der #sheisoutdoors-Jury?

Unsere Jury besteht ausschließlich aus Frauen, sie kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen: Mit dabei sind langjährige Branchen Expertinnen z.B. mit Schwerpunkt auf Textiltechnologie, Schnittmuster oder Nachhaltigkeit, eine Expertin aus dem Bereich Retail sowie Leistungssportlerinnen und Journalistinnen. Sie alle vereint ihre Outdoor-Expertise und ihre Begeisterung fürs Draußen-sein.

In welchen Kategorien wird der Award vergeben?

Es gibt eine Winter- und eine Sommerausgabe. In der Sommerausgabe vergeben wir Auszeichnungen in den Kategorien Apparel, Hardware, Footwear, Camping, Urban Outdoor, Bike und Outdoor Professionals & Expedition. Gerade die letztere Kategorie liegt mir am Herzen, da Frauen-Modelle bei Outdoor-Ausrüstung für extremere Anwendungsgebiete immer noch stark unterrepräsentiert sind.

Im Winter 2022 wurden die Awards in den Kategorien Urban Outdoor, Snowsports, Expedition, Apparel und Hardware, sowie ein Overall Winner und ein Sustainability Winner vergeben.

Welche Produkte haben die Chance, mit dem Women’s Gear Award ausgezeichnet zu werden?

Wir suchen echte Lieblingsprodukte, bei denen einfach das Gesamtpaket stimmt. Der Bewertungsprozess selber ist natürlich deutlich komplexer, als das jetzt auf den ersten Blick klingt: Die Jury analysiert und bewertet die Produkte in Bezug auf Funktionalität, Verarbeitungsqualität, Materialauswahl, Nachhaltigkeit, Innovation, Zweck bzw. Zielgruppe und Design. Toll ist natürlich auch, wenn das Ausrüstungsstück in verschiedenen Varianten zu haben ist, die die vielen verschiedenen Körperformen von Frauen berücksichtigen. Selbstverständlich spielen auch Aspekte der Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle: In einer Zeit, in der die Auswirkungen des Klimawandels und der schwindenden Biodiversität immer sichtbarer werden, kommt keine Marke und kein Produkt mehr an diesem Thema vorbei.

Abschließende Frage: Hast du ein weibliches Vorbild? Und wenn ja, wer ist das?

Ich habe in den letzten 1,5 Jahren einige Leute kennen lernen dürfen, die eine unglaubliche  Expertise und jahrelange Erfahrung der Outdoor Industrie haben. Als ich im April 2021 die erste Jury für den Award zusammengestellt habe, kannte ich keine der Frauen, und niemand kannte mich. Dass damals alle zugesagt haben, die ich angefragt habe, ist für mich immer noch unglaublich.

Die Jury ist inzwischen weit mehr als nur eine Jury: sie haben den Award mitgestaltet, Entscheidungen hinterfragt und immer ungefragt mit angepackt, wo es nötig war. Und sie haben ohne zu zögern ihr unglaubliches Netzwerk mit mir geteilt und damit dem Award zum Erfolg verholfen.

Dieses Kommittent und die Professionalität, mit der diese Powerfrauen Projekte anpacken und umsetzen, beeindruckt mit zutiefst und ich bin sehr dankbar, diese Erfahrung machen zu dürfen!


Am 19. Juli war es endlich soweit: Zum zweiten Mal wurde der #sheisoutdoors Women’s Gear Awards in der Summer Edition vergeben.
Ihr habt den Livestream verpasst? Hier könnt ihr euch die komplette Award-Zeremonie ansehen:

Nominiert waren unter Anderem

      Alle Gewinner des #sheisoutdoor Women’s Gear Award findest du auf der Website zum Award. Außerdem präsentieren wir ab dem 20. August alle prämierten Produkte im INNOSPACE der Berliner Globetrotter-Filiale.

      Hier gibts noch mehr Frauen Power

      Planer: Trekking in Nepal mit Kind

      Gut geplant ist halb gewonnen! Alles was du für ein Trekking mit Kind in Nepal wissen musst, erklären wir in diesem Artikel.

      Interview mit Jana Erb – Womens Gear Award

      Gründerin von #sheisoutdoors – dem ersten Women’s Gear Award It’s…

      Wildcampen in Deutschland: Was ist erlaubt und welche Alternativen gibt es?

      Wildcampen übt auf viele Outdoor-Liebhaber einen besonderen Reiz aus. Doch: Was ist eigentlich erlaubt und welche Möglichkeiten gibt es? Ein Überblick.

      Interview mit CSR-Produktmanagerin Silke über “Eine grünere Wahl”

      Das Produktlabel “Eine grünere Wahl” kennzeichnet nachhaltigere Produktalternativen im Globetrotter-Sortiment. Silke Sorgalla ist CSR-Produktmanagerin und hat das Label mitentwickelt. Im Interview erklärt sie, wofür das Label steht und welche Kriterien ein Produkt erfüllen muss, um zur grüneren Wahl zu gehören.

      Fjällräven Classic Germany – Eine Wanderung, die verbindet

      Jedes Jahr kommen Wandernde beim Fjällräven Classic zusammen, um unvergessliche Momente in Schweden, Dänemark, Schottland, Korea, den USA oder in Deutschland zu erleben. Wir waren mit dabei!

      Globetrotter Wandertage 2022

      Nach dem kleinen Jubiläum im Vorjahr laden wir dich vom…
      Page: 1 2 10

      Outdoorfrauen