Kolumbiens Verlorene Stadt

Mit ihrem Freund Christoph war Anja Mörk vier Wochen auf Roadtrip durch Kolumbien. Ihr Highlight: der Dschungel-Trek zur Verlorenen Stadt »Ciudad Perdida«.

Mit ihrem Freund Christoph war Anja Mörk vier Wochen auf Roadtrip durch Kolumbien. Ihr Highlight: der Dschungel-Trek zur Verlorenen Stadt »Ciudad Perdida«.

Providencia – Inselvibes und Hängematten

Platsch! Vor mir fällt der nächste Pelikan ungelenk wie ein Stein vom Himmel ins glasklare, karibisch-türkise Wasser, weil er einen Fisch erspäht hat. Das könnte ich mir stundenlang ansehen. Neben mir döst mein Freund Christoph. Ich hebe meine vergrabenen Zehen an und lasse den Sand von meinen Füßen rieseln. Die Blasen, die ich mir im Dschungel gelaufen habe, sind schon fast verheilt. Über eine Woche ist der viertägige Hike zur Ciudad Perdida, der Lost City, der Verlorenen Stadt, jetzt her. Die Insel Providencia mit ihren 4000 Einwohnern, auf der wir inzwischen hier am Strand liegen, ist der letzte Stop auf unserer vierwöchigen Reise durch Kolumbien. Zu erreichen ist sie mit einer winzig kleinen Propellermaschine.

Die Wanderung auf den höchsten Gipfel dauert gerade mal eineinhalb Stunden. Ein bisschen Inselleben haben wir uns zum Finale selbst verordnet, denn sonst würde unser Abenteuergeist uns nicht erholt zurück nach Deutschland lassen. Wir haben unsere Standup Paddle Boards dabei, so dass wir die Buchten vom Wasser aus erkunden können. Diese Insel bringt einen auch sonst von 100 auf 0 in wenigen Stunden: die Tiefenentspanntheit der Providencianer ist ansteckend und die tägliche Dosis Raggae, Hängematte, Schnorcheln mit Haien, Rollerfahren auf der einzigen Straße der Insel und Sonnenuntergang am Strand tut einfach unglaublich gut. Gefühlt ist es hier deutlich mehr Jamaica als Kolumbien.

Erst läuft eine Krabbe seitwärts an mir vorbei, dann beobachte ich eine Mücke, die dank Moskitospray wieder umkehrt und mich erst mal nicht ins Bein sticht. Unseren Knien geht es auch erstaunlich gut – denke ich. Oh je, bei dieser Erkenntnis muss ich direkt an den US-Amerikaner Ian mit seiner Kniebandage denken, den wir zu Beginn unserer Reise in den grünen Bergen von Salento kennengelernt haben. 

Die Geschichte der Lost City – Ciudad Perdida

Im Jahr 1525 landet der spanische Eroberer Rodrigo de Bastidas an der Küste des heutigen Kolumbiens und entwickelt schnell großes Interesse an den Goldschmiedekünsten der indigenen Völker. Die friedlichen Ureinwohner werden von den Spaniern bedrängt und ziehen sich in die Berge der Sierra Nevada de Santa Marta nach Teyuna zurück. Doch sie werden von den Eroberern immer weiter verfolgt und durch deren Krankheiten dahingerafft oder vertrieben. Die Ciudad Perdida gerät in Vergessenheit.

Im Jahr 1976 erreichen (leider vor den Archäologen) Goldgräberbanden die Verlorene Stadt. Sie schänden Gräber und stehlen Schätze von unbeschreiblichem historischem Wert. In den kommenden Jahren entwickelt sich eine Art Schatzsucher-Tourismus. Parallel beginnen Drogenhändler, den Schutz des Dschungels zur Produktion von Marihuana und Kokain zu nutzen.

Heute steht das Gebiet unter Schutz der Regierung und wird vom kolumbianischen Militär bewacht. Das ist derzeit wohl die sicherste Lösung – auch für die Tayrona-Stämme.



Salento – Riesenpalmen mitten in den Anden

Salento war der erste große Stop unseres Kolumbien-Trips. Ian, den wir dort trafen, hatte eben diesen Trek zur Lost City schon hinter sich und hat sich dermaßen die Knie ruiniert, dass das Thema Wandern für seine restliche Südamerikareise erledigt war. Sehr schade, denn rund um das süße Städtchen Salento in der Region Quindío gibt es die vielleicht schönste Landschaft, die wir in Kolumbien gesehen haben. Für uns war die Tageswanderung durchs »Valle de Cocora« ein Warmup, zwei Wochen bevor es zur Lost City gehen sollte. Unsere erste Wanderung in Kolumbien – und sie war atemberaubend. Alles ist grün in der Zona Cafetera.

Das ist die Region, in der der berühmte Hochlandkaffee angebaut wird. Kolibris schwirren um die buntesten Blüten, Blätter erreichen eine ungewohnte Größe und Mangos, Bananen und Papayas wachsen am Straßenrand. Im Valle de Cocora stehen außerdem die Quindío-Wachspalmen, die mit einer Höhe von bis zu 70 Metern größten Palmen der Welt. Wolken ziehen mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit über die Hügel hinweg und lassen die kerzengeraden Palmen immer wieder verschwinden und erscheinen. Zwischendurch führt der Wanderweg durch den Dschungel zu wunderschönen Wasserfällen, bevor sich dann die nächste atemberaubende Perspektive auf die Palmen auftut. Das Wanderfieber hat uns schon wieder gepackt. Am liebsten würde ich morgen zur Lost City aufbrechen, doch zwei große Stops stehen vorher noch auf dem Plan.

Medellin – die unglaubliche Verwandlung einer Stadt

Dank der Serie »Narcos« ist Medellin als Heimatstadt des legendären Drogenbarons Pablo Escobar fast jedem ein Begriff. Für die Bewohner der ehemals gefährlichsten Stadt Kolumbiens ist diese Serie allerdings zu reißerisch und das Bild, das von Escobar gezeichnet wird, viel zu glamourös. Dass es Touristen gibt, die nur deshalb nach Medellin kommen, tut den Locals natürlich weh. Denn sie haben in den letzten 20 Jahren alles dafür getan, die Stadt sicher und schön zu machen. Rooftop Bars und Salsaclubs locken Backpacker und Feierwütige an. Und auch tagsüber gibt es in Medellin viel zu sehen, wie beispielsweise die Comuna 13. Vor nicht einmal 20 Jahren flogen in diesem Stadtteil noch die Kugeln zwischen Guerillas, Drogenbanden und dem Militär. Täglich mussten Unschuldige ihr Leben lassen. Das große Geld konnten die Bewohner nur mit illegalen Geschäften verdienen – als Drogenkuriere oder Auftragskiller.

Heute ist das zum Glück anders. Die großen Hoffnungsträger sind Tourismus und Kunst. Täglich werden viele Gruppen durch die Comuna 13 geführt. Die Anwohner können deshalb Cafés eröffnen, als Breakdance-Crews mit Auftritten Geld verdienen oder ihre Bilder, Kleidung und Musik verkaufen. Auch wenn wir erst mal ein seltsames Gefühl hatten, als verwöhnte Europäer in das Stadtviertel mit dieser unvorstellbaren Leidensgeschichte geführt zu werden, um danach in unser gemütliches Hotel zurückzukehren, haben wir schnell verstanden, dass genau das den Wandel weiter vorantreibt. Die grausame Vergangenheit zeigt sich heute in wunderschönen, bunten Graffitis an den Hauswänden. Was genau sich hinter den liebevoll gesprayten Gesichtern, Tieren und Mustern verbirgt, erklären die Guides in der Comuna 13. Unser Guide, der Rapper »Blow Rasta«, hat selbst mit 12 Jahren auf dem Boden im kleinen Häuschen seiner Familie gelegen, als Kugeln die dünnen Wände durchschlagen haben. »Damals haben wir in der Hölle gelebt – heute leben wir hier im Himmel« sagt er auf unserer Tour. Wellblechhütten und vereinzelte nächtliche Schießereien mit wenigen Toten sind wohl kaum das, was wir als »Himmel« bezeichnen würden, doch verglichen mit der Geschichte der Comuna 13 ist es das wohl heute. Auch wenn in Medellin City nicht die großen Outdoor-Aktivitäten winken, würde ich diese Tour jedem ans Herz legen, der das Bedürfnis hat, mal wieder ein wenig über den eigenen Tellerrand zu schauen und sein Weltbild etwas zurechtzurücken.

Guatapé – der wahrscheinlich bunteste Ort Kolumbiens

Nur 80 Kilometer von Medellin entfernt finden wir das kleine Städtchen Guatapé. Vor allem sind wir wegen der ungewöhnlichen Landschaft hergekommen. Ein verwinkelter, surreal wirkender Stausee umgibt nicht nur den süßen Ort, sondern auch »El Peñol«. Das ist ein riesiger Felsen, der aus geschätzten 10 Millionen Tonnen Gestein besteht. Eine Treppe mit über 700 Stufen führt nach oben – ein schönes kleines Zwischentraining, wahrscheinlich das letzte vor dem viertägigen Lost City Trek. Das Städtchen Guatapé selbst ist unglaublich farbenfroh. Reliefkünstler haben alle (!) Häuser in der Innenstadt mit den verschiedensten bunten Figuren verziert. Außerdem kann man in Guatapé sehr gut essen gehen. Es gibt Steaks oder das kolumbianische Nationalgericht Bandeja Paisa, das alleine wirklich nur sehr schwer zu bewältigen ist (eine Art Grillteller mit Maisfladen, Reis, Kochbanane, Spiegelei und Avocado). Vegetarier finden aber auch süße kleine Cafés, die eine Geschmacksexplosion an Wraps, Bowls und Salaten zaubern.

Selbst die Tuk Tuks, die einen hier von A nach B bringen, sind bunt und leuchten abends in allen Farben. Doch natürlich zieht es uns wieder zurück in die Natur. Mit unseren Standup Paddle Boards bekommen wir noch einmal eine ganz andere Perspektive auf den See und sein Ufer. Was man nicht dabei hat, kann man sich mieten – vom Jet-Ski über das Fischerboot bis zum Kajak. Aber das große Abenteuer – das kommt für uns beim nächsten Stop!

La Ciudad Perdida – das Abenteuer beginnt

Ein bisschen nervös waren wir schon, als wir am Vorabend die letzten Einkäufe in Santa Marta gemacht haben. Kann natürlich auch daran liegen, dass ich an diesem Tag mehrere nervenaufreibende Stunden damit verbracht habe, meinen Reisepass wiederzubekommen, den ich in der Sitztasche im Flugzeug vergessen hatte. Aber das nur am Rande. Jedenfalls stehe ich hier, mit dem Moskitospray in der Hand, bin etwas aufgeregt und sage mir: »Ach, es sind doch nur knappe 60 Kilometer«. Ich muss direkt über meinen eigenen gescheiterten Beruhigungsversuch lachen, denn mir ist sehr wohl klar, dass es anstrengend werden würde.

Über dreißig Grad, zum Teil pralle Sonne, hohe Luftfeuchtigkeit und unsere Rucksäcke, die vor allem dank Fotoausrüstung (und trotz mehrerer Ausmist-Versuche) jeweils über 10 Kilo wiegen – von alleine wird sich diese Strecke nicht laufen. Gleichzeitig kann ich es kaum erwarten, in diese Parallelwelt einzutauchen: Für vier Tage tauschen wir Handyempfang und Internet gegen Dschungel, frische Luft und die Geschichte der Sierra Nevada de Santa Marta – das kann doch nur großartig werden! Auch das Timing ist perfekt: in Shakiras Heimatstadt Baranquilla, nur 100 Kilometer entfernt, tobt zur gleichen Zeit der zweitgrößte Karneval der Welt, weshalb wir mit deutlich weniger Wanderern auf der Strecke sein werden, als es sonst der Fall ist.

Packliste für den Trek zur Ciudad Perdida:

  • Rucksack mit hohem Tragekomfort und Rückenbelüftung
  • 2 Paar möglichst dünne Shorts
  • 4 schnelltrocknende Sport-Shirts (und Mädels: 4 Sport-BHs!)
  • 2-4 Paar schnelltrocknende Wandersocken
  • Stirnlampe
  • Trinkblase oder große Flasche
  • Leichte Regenjacke
  • Cap und Sonnenbrille
  • Wanderstöcke
  • lange, helle Kleidung für mückenreiche Abende in den Camps und zum Schlafen
  • leichter Reiseschlafsack
  • Anti-Mücken-Spray (reichlich! Unser Guide nennt Teyuna auch die Weltmückenhauptstadt)
  • Sonnenschutz
  • Bikini / Badehose
  • Mikrofaser-Handtuch
  • Kamera und Akkus, evtl. Powerbank
  • Outdoor-Duschgel und -Shampoo, Zahnbürste, Zahnpasta
  • kleine Reiseapotheke

Tag 1 – Eingrooven im Dschungel

Noch kurz werden Versicherung und Co geklärt und es gibt einen letzten Kaffee, bevor unsere kleine Gruppe mit dem Jeep gute zwei Stunden zum Startpunkt gefahren wird, einem kleinen Ort mit dem coolen Namen Machete. Hier erwartet uns ein Mittagessen und eine Lagebesprechung mit unseren Guides Wolfgang (wusstet ihr, dass das ein populärer Vorname in Venezuela ist?) und Yair. Jetzt kann ich es kaum mehr erwarten. Noch kurz eine Whatsapp-Nachricht an meine Eltern – und ab in den Flugmodus. Endlich geht es los. Das erste Teilstück (ca. 4 Stunden) ist heiß, sonnig und staubig. Nach 5 Minuten sind wir schweißnass – und das würde sich für die nächsten vier Tage auch nicht mehr ändern. Nach 10 Minuten sehe ich die erste riesige, gelbschwarze Spinne neben mir im Bananenbaum sitzen. »Oh super« denke ich, »können es keine Schlangen oder Skorpione sein?«. Irgendwer hatte mir erzählt, dass es hier kaum Spinnen gibt. Fake News!

Die sitzen hier überall. Ich frage unseren Guide Yair, ob sie giftig sind. »Achso, nein, nicht so sehr« sagt er, »also nicht so, dass dich EIN Biss töten kann. Aber zwei.« Okay, cool. Doch das Schöne ist: diese Spinnen mögen die Bäume, in denen sie ihre Netze spannen (und bleiben auch dort), so dass wir uns sogar trauen, sie zu fotografieren. Meine Kamera packe ich inzwischen gar nicht mehr ein. Denn immer wieder haben wir einen atemberaubenden Blick über die grünen Berge der Sierra Nevada de Santa Marta. Am späten Nachmittag kommen wir im ersten Camp an. Erst winkt die kalte Dusche, dann das überraschend leckere Abendessen. Unser Koch Juan Carlos wird nach jeder Mahlzeit kurz abwaschen, dann locker flockig an uns vorbeisprinten und bis wir das nächste Camp erreichen, schon wieder gekocht haben. Ein Phänomen, der Mann! Die Moskitonetze im Camp halten, was sie versprechen und um 21 Uhr liegen wir in unseren Betten. Ich denke noch kurz drüber nach, ob die Frösche lauter quaken als die Grillen zirpen oder andersherum. The sound of silence. Gute Nacht. 

Tag 2 – zu Gast bei Wiwas

Heute wird es schon etwas härter. Mit einem lauten »buenos dias, muchachos« werden wir um 5 Uhr von unserem Guide geweckt. Um 6 Uhr verlassen wir nach dem Frühstück das Camp. Wir haben eine lange Strecke vor uns – immer wieder geht es steil bergauf und bergab. Doch es wird deutlich dschungeliger und damit auch schattiger, was bei diesen Temperaturen echt gut tut. Die Pflanzen werden immer größer. Manche Blätter sind so riesig, dass Christoph und ich sie als Strandmatte verwenden könnten. Auf dem Weg werden wir immer wieder von Mulis überholt, teils mit Paketen auf dem Rücken. Ob darin unser Mittagessen ist? Wir haben schon einige Angehörige der indigenen Stämme getroffen, die in Dörfern entlang des Wegs leben. Heute Mittag werden wir sogar zu Manuel, einem Wiwa, nach Hause eingeladen. Kulturclash. Da sitze ich mit meiner supermodernen Kamera und dokumentiere, wie uns Manuel die Tradition der Poporo erklärt. Ich versuche es möglichst einfach wiederzugeben: Die Poporo ist ein getrockneter Kürbis, in dem ein weißes Kalkpulver aus zuvor gerösteten Muscheln aufbewahrt wird. Die Männer der Stämme laufen alle mit einer dicken Backe herum, denn sie zerkauen den ganzen Tag Koka-Blätter (Frauen dürfen das nicht). Dazu holen sie mit einem Holzstab Pulver aus der Poporo, das sie in ihren Mund dazugeben. Es entsteht eine gelbe Masse, die sie dann mit dem Holzstab außen auf den Hals der Poporo auftragen. Manuel erklärt uns, dass sie so ihre Gedanken aufschreiben, die ihnen während des Kauens einfallen. Wie ein kleines Tagebuch, das für niemanden lesbar ist. Tatsächlich können die Tayrona-Stämme nicht schreiben. Was wirklich schade ist, denn so werden die Traditionen und die spannende Geschichte dieser Völker langsam verblassen.

Nach dem Besuch bei Manuel geht es weiter – Tag 2 ist die längste Etappe. Dafür mit gleich zwei Erfrischungen: nach dem Mittagessen können wir im glasklaren Fluss baden. Und abends im Camp gibt es eine noch kältere Dusche als gestern. Pünktlich zum Abendessen beginnt es in Strömen zu regnen. Der zu dieser Jahreszeit sehr trockene Dschungel atmet kurz auf. Tiefe Wolken drängeln sich durch die riesigen Bäume die dunklen Hänge hinauf. Abends sitzen wir im Camp zusammen und lassen den Tag Revue passieren, bevor es ab ins Bett geht, wo die Frösche uns noch lauter in den Schlaf quaken, als am Abend zuvor. Am nächsten Tag werden wir die Ciudad Perdida erreichen. Teyuna wird sie von den Tayrona genannt, was so viel heißt wie »Ursprung der Völker der Erde«. 

Tag 3 – die Verlorene Stadt

Über 1200 Stufen warten heute auf uns. Als wir um 5 Uhr aus unseren Betten kriechen, kommt uns das noch nicht so spektakulär vor. Das wird sich aber noch ändern. Eine kleine Flussüberquerung später geht es los und der Haken an der Sache wird uns bewusst: die Jahrhunderte alten Stufen sind wirklich sehr steil und dank des Regens gestern Abend super glitschig. Auch wenn Christoph und ich uns bisher vorkamen, wie typisch over-equipte Deutsche, sind wir jetzt froh um unsere Wanderstöcke. Immer wieder rutsche ich aus und habe Angst um meine Kamera, die mir um den Hals baumelt – aber sie wegzupacken ist keine Option. Riesige Blätter rahmen die schmale Treppe ein. Ein perfektes Motiv nach dem anderen. Die Stufen hinaufzuklettern wird nach kurzer Zeit fast schon meditativ. Und dann ist es soweit: wir erreichen die Ciudad Perdida, die Lost City, Teyuna. Es ist schon verrückt. Jahrhundertelang war dieser Ort im Dschungel verschollen und vergessen. Und jetzt stehen wir hier auf den steinernen Terrassen. Früher waren sie das Fundament der Hütten, in denen die Bewohner nach ihrem Tod sogar mit ihren Habseligkeiten begraben wurden. Nach zwei Jahren oder wenn die Hütte begann, zu zerfallen, wurde eine neue Hütte darauf errichtet. Nach ihrer Wiederentdeckung wurden die Terrassen teilweise restauriert. Über 200 von ihnen gibt es insgesamt. Die am höchsten gelegenen Steinkreise sind umrandet von einzelnen Wax-Palmtrees, was vor allem aus der Luft ein atemberaubendes Bild ergibt.

Unsere Guides erzählen uns viel über die Geschichte der Verlorenen Stadt, zeigen uns in Felsen gehauene Landkarten und die Hütten des »Mamo«, des spirituellen Führers der Kogui und seiner Frau, die hier heute leben. Persönlich lernen wir die beiden leider nicht kennen, denn sie sind zu Gesprächen nach Santa Marta gereist. Dafür können wir uns ihre Hütten von außen genau ansehen. Sie haben zwei Türen. Der Grund hat mich wahnsinnig beeindruckt: negative Gedanken werden beim nach Hause kommen vor der Eingangstür abgeladen. Wenn die Kogui in den neuen Tag starten, wollen sie diese negativen Energien nicht wieder aufsammeln. Also verlassen sie die Hütte durch die zweite Tür auf der anderen Seite und beginnen den Tag frisch und unbelastet. Seitdem überlege ich, wie wir dieses Prinzip auch zu Hause umsetzen können. Doch die Wohnung im zweiten Stock über den Balkon zu verlassen, scheint mir irgendwie nicht die perfekte Lösung zu sein. Wir hätten noch viel mehr Zeit an diesem schönen, mysteriösen Ort verbringen können, doch nach drei Stunden verlassen wir Teyuna mit einigen Eindrücken, die uns für immer erhalten bleiben werden. Wir klettern die rutschigen Stufen hinunter, überqueren den Fluss, stoppen für ein kurzes Mittagessen im Camp und laufen noch ein großes Stück weiter. Zur Belohnung können wir vor dem Abendessen wieder im Fluss schwimmen. Das Wasser ist so kalt, dass es einen nach Luft schnappen lässt. Ich lasse mich ein paar Meter treiben und versuche zu realisieren, was wir hier gerade alles erleben. Dazu mischt sich Wehmütigkeit, denn morgen wird schon der letzte Tag im Dschungel für uns sein.

Tag 4 – das große Finale

Es ist schon seltsam: zu Hause kann ich keine Stunde die Finger vom Smartphone lassen, doch hier im Dschungel vermisse ich nichts. Im Gegenteil: Beim Gedanken daran, in einigen Stunden wieder für alle dauernd erreichbar zu sein, möchte ich am liebsten umkehren und ein zweites Mal zur Ciudad Perdida wandern. Heute hätte es die Möglichkeit gegeben, sein Gepäck mit einem Muli vorzuschicken, aber ganz ehrlich: das wäre ja wie Schummeln! Also kämpfen wir uns samt Rücksäcken gemeinsam durch den letzten Tag der Wanderung. Wir sind nass und wahnsinnig staubig, unsere Füße haben ein paar Blasen abbekommen und die Sonne brennt ungebremst auf uns herunter. Ab und zu begegnen uns Gruppen, die gerade erst losgewandert sind und ich frage mich, ob unser Anblick wohl gerade so ermutigend ist. Tag vier ist hart, doch die Gedanken an alles, was wir gesehen und erlebt haben, tragen uns irgendwie zurück nach Machete.

Wir sind wieder da, doch ein kleiner Teil von mir ist in der Sierra Nevada de Santa Marta geblieben.

ANJA MÖRK

Alter: 34 // Heimat: München // Beruf: Fotografin, Filmemacherin, Journalistin // Instagram: @anja_moerk & @girls_on_sups

Anja Mörk ist Fotografin und Filmemacherin aus München. Sie liebt es, auf Reisen möglichst tief in fremde Kulturen einzutauchen, kleine und große Abenteuer zu erleben und diese in ihren Bildern festzuhalten. Sie ist außerdem eine der beiden »Girls on SUPs«, einer der weltweit größten Standup Paddle Communities. Mehr Bilder, Videos und Stories gibt es auf Instagram.

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Anja gehört zu den Girls on Sups, passionierte Stand up Paddlers mit einer großen Community. Schaut vorbei! Mehr Artikel:

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Anja und Julia sind nicht nur richtig gute Freundinnen. Sie teilen auch ihre Begeisterung fürs Stand-up Paddling. Ihre Leidenschaft hat die Beiden schon in alle Ecken der Welt gebracht. Mit ihrem Instagram-Account inspirieren Anja und Julia Follower aus mehr als 100 verschiedenen Ländern. Wie reisen die Beiden mit sperrigen Boards? Joris Gräßlin hat im Globetrotter-Podcast mal rausgehört.

Text: Anja Mörk
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