Die Sonne scheint und ein leichtes Lüftchen treibt uns auf unseren Standup Paddle Boards über den bilderbuchartigen Geirangerfjord – vorbei an hunderte Meter hohen Wasserfällen und grünen Hängen, bevor wir zum Grillen zurück zu unserem Camper paddeln. So haben wir uns unseren SUP-Roadtrip nach Norwegen vorgestellt. Die Realität sah allerdings anders aus – weniger sonnig, dafür aber auch viel abenteuerlicher! Eine Reise in das Land der gigantischen Wasserfälle, der Elche, der schroffen Berge und malerischen Fjorde.
Ab in den Norden!
Unsere erste Nacht verbringen wir nach über 13 Stunden Fahrt im dänischen Nørre Vorupør, auch Cold Hawaii genannt. Dieser Ort ist das absolute Surferparadies, besonders für Norddeutsche und Dänen. Auch wenn wir zu gern unsere Standup Paddle Boards aufgepumpt hätten, gibt es für uns jetzt erstmal keine SUP- oder Surf-Session. Um 22 Uhr sehen wir gerade noch die rote Sonne über dem Meer hinter den Sanddünen untergehen, bevor es morgen ab auf die Fähre nach Norwegen geht.
In Hirtshals fahren wir also bei strahlendem Sonnenschein in das Unterdeck der Fähre ein, um wenig später im norwegischen Kristiansand bei Nieselregen wieder ausgespuckt zu werden. Bei einer Reise nach Norwegen rechnet man ja auch nicht immer mit Sommerwetter, also macht uns der Regen erst einmal nichts aus. Wir bleiben über Nacht am südlichsten Punkt des Landes am Lindesnes Fyr, einem wunderschönen Leuchtturm auf dicken grauen Felsen. Drumherum nichts als das Meer und ein paar weiße Holzhäuser. Unsere Fotografenherzen hüpfen, die Speicherkarten füllen sich – und so bemerken wir weder den Regen, noch wie die Zeit vergeht.
Die nächsten Tage verbringen wir hauptsächlich auf den Straßen. So gerne hätten wir die ein oder andere Wanderung (zum Beispiel auf den Prejkestolen) oder eine SUP-Tour auf einem der Fjorde gemacht, aber bei 8 Grad, ergiebigem Regen und Wind ändern wir unsere Pläne. Vorbei an vielen der berühmten, meist roten, Holz-Fischerhütten, kleinen Seen und immer größer werdenden Fjorden schlängeln wir uns Richtung Norden, springen dabei immer wieder aus dem Auto und fotografieren, bis wir zu nass und ausgekühlt sind. Die Landschaft ist wirklich einmalig.
Doch jetzt freuen wir uns auf ein ganz besonderes Treffen: Meine Eltern haben sich selbst zum Renteneintritt einen Campervan geschenkt und sind momentan ununterbrochen unterwegs – aktuell hier in Norwegen. Nachdem ich sie zu Hause also nur selten sehe, verlegen wir das Familientreffen einfach hierher!
Unser erster SUP Spot in Norwegen – der Rullestadvatnet
Wir treffen uns an einem kleinen See an der Spitze des Akrafjords, der uns so sehr verzaubert, dass wir für drei Tage hier bleiben. Hier in der Gegend gibt es gleich zwei der berühmtesten Wasserfälle: Latefossen und Langfossen. Ihnen statten wir in voller Regenmontur kurze Besuche ab. Praktischerweise ist es hier ganz egal, ob es regnet, denn innerhalb von wenigen Sekunden sind wir durch das Spritzwasser der Wasserfälle patschnass. Die restliche Zeit verbringen wir einfach an unserem kleinen See namens Rullestadvatnet. Meine Eltern und wir haben auf dem kleinen aber feinen Campingplatz die einzigen zwei Stellplätze direkt am Seeufer ergattert, mit Blick auf einen hunderte Meter hohen Wasserfall auf der anderen Seite. Als es am zweiten Tag gegen Abend endlich aufhört zu regnen, können wir unser Glück kaum fassen. Wir pumpen unsere Standup Paddle Boards auf, schnallen die Gopros an die Paddel und starten. Das Wasser in diesem See ist ganz dunkel, fast schwarz, was zwischen den grünen Hängen ein mystisches Bild ergibt. Je näher wir dem Wasserfall kommen, desto sprachloser werden wir, denn umso mehr wird uns seine enorme Höhe bewusst. Nur direkt am Fuße ist davon kaum etwas zu sehen. Hier teilt er sich in mehrere Äste auf, die sanft zwischen den mit Farn bedeckten Felsen ins Wasser geplätschert kommen, als wären die Wassermassen nicht gerade noch gemeinsam hunderte Meter tosend in die Tiefe gerauscht. Besonders groß ist der See zwar nicht und auch die Sonne ist langsam hinter den Bergen verschwunden, doch das ist uns egal. Endlich in Norwegen auf den Boards zu stehen, fühlt sich einfach großartig an!
Und genau so toll geht dieser Abend auch weiter: wir werfen den Grill an und es gibt Fiskekaker! Das klingt für uns mit unserem deutschen Gehör etwas ungewohnt, doch die Frikadellen aus Fisch schmecken richtig gut! Und als wäre der Tag nicht schon perfekt, macht Christoph auch noch eine Wahnsinns-Entdeckung. Dieser Campingplatz hat tatsächlich einen Whirlpool! Für ein paar norwegische Kronen können wir Holzscheite kaufen, mit denen das kleine Becken beheizt wird. Knappe zwei Stunden später hat das Wasser eine angenehm warme Temperatur erreicht, so dass wir mit einem kühlen Radler in der Hand in den Whirlpool steigen. Zum Glück ist es hier so lange hell. Blubberbläschen sucht man in diesem Whirlpool natürlich vergebens, aber nach Standup Paddling und Grillen im warmen Wasser zu sitzen und auf den See zu schauen, ist auch so unbezahlbar! Das Wasser wird immer wärmer. Als meine Mutter nur knapp am Kreislaufkollaps vorbeischrammt und wir uns langsam wie Suppenhühner fühlen, beschließen wir, doch noch etwas kaltes Wasser nachlaufen zu lassen und bleiben weiter im Becken sitzen. Es ist einfach zu schön.
Gletscher, Felsen und Regenbögen – die Wanderung zum Buarbreen
Auch der nächste Tag startet mit nur wenigen Regenschauern. Deshalb verabschieden wir uns von meinen Eltern und peilen heute unsere erste Wanderung in Norwegen an: sie soll uns zum Buarbreen Gletscher in der Nähe von Odda führen. In einem Kessel zwischen steilen Bergen liegt ein kleiner Parkplatz, der Startpunkt für unsere Wanderung. Hier angekommen gibt es gleich zwei Gründe zur Freude: erstens scheint gerade die Sonne und zweitens grasen auf dem Grünstreifen süße schottische Hochlandrinder. Wir legen ein kleines Fotoshooting mit den haarigen Kühen ein, als plötzlich ein großes Exemplar mit stattlichen Hörnern vom Grünstreifen herab hopst und sich zwei Parkplätze von unserem Camper entfernt zwischen zwei nebeneinanderstehenden Autos durchdrängelt. Wir können gar nicht hinsehen! Hinter den Autos ist eine Steinmauer, doch die ca. 20 Grashalme, die am Fuße dieser Wand aus der Fuge wachsen, sehen wohl besonders saftig aus. Also schiebt sich das ausgewachsene Rind jetzt durch den kleinen Spalt zwischen der Wand und dem Kleinwagen, bleibt kurz stecken und befreit sich mit einem Ruck, der das Auto einen knappen halben Meter weit zurückschiebt. Wir fragen uns kurz, ob wir unseren geliehenen Campervan wirklich hier parken wollen, doch die Vorfreude auf die Wanderung zum Gletscher bringt uns dazu, den Rindern zu vertrauen.
Vorbei an Pferden, Schweinen und noch mehr Rindern wandern wir los. Nach einer Kurve eröffnet sich schnell der Blick auf unsere Wanderstrecke. Oben auf dem Berg thront der Buarbreen, ein Teilgletscher des Folgefonna, dem mit 214 Quadratkilometern drittgrößten Festlandgletscher Norwegens. Von ihm aus bahnt sich ein mächtiger Wasserfall den Weg zu uns herunter, der von großen Felsbrocken und kleinen Waldstücken eingerahmt wird. Genau hier steigen wir nach oben. Der Pfad ist steil, aber zum Glück mit dicken Seilen gesichert, an denen wir uns immer wieder über die glatten Steinflächen hochziehen. In unregelmäßigen Abständen führt uns der Weg nah an den Wasserfall heran, so dass wir den Wassermassen lauschen, die kleinen Regenbögen im Spritzwasser beobachten und die verbleibende Strecke zum Gletscher einschätzen können. Nach dem doch recht anstrengenden Aufstieg wissen wir schließlich gar nicht, wo wir zuerst hinsehen sollen. Der Gletscher, der von unten noch recht überschaubar aussah, ist nun fast zum Greifen nah und sieht mit seinen türkis leuchtenden Spalten absolut gigantisch aus. Wie immer, wenn wir einem Gletscher so nahe kommen, beschleicht uns ein wehmütiges Gefühl. Was diese eisigen Riesen schon alles miterlebt haben! Und trotzdem schrumpfen sie immer weiter und schicken ihr Schmelzwasser kontinuierlich in die Täler. Der atemberaubende Ausblick und die Dankbarkeit dafür, heute hier sein zu können, machen uns dennoch unendlich glücklich. Auf der anderen Seite eröffnet sich ein postkartenwürdiges Panorama. Unsere Blicke folgen dem Wasserfall nach unten in das von grünen Hügeln eingefasste Tal. Dort unten, ganz am Ende, fließt das Wasser in den blau glitzernden See Sandvevatnet. Eine ganze Weile verbringen wir hier oben, schauen einfach in die Gegend und versuchen, diesen Moment und unsere Glücksgefühle auf Bildern festzuhalten. Als ein Schauer vom Gletscher aus über uns hinweg zieht, machen wir uns auf den Rückweg, nur um nach wenigen Minuten ungläubig stehenzubleiben. Eigentlich hätten wir nicht gedacht, dass diese Szenerie noch perfekter werden kann, doch jetzt spannt sich genau über das Tal auch noch ein wunderschöner Regenbogen. Danke Norwegen, für diesen Traumtag!
Standup Paddling in der norwegischen Hochlandebene – ein unvergesslicher Moment
Nach einer Nacht in unserem glücklicherweise unversehrten Campervan unter Kirschbäumen (und mit der ausdrücklichen Bitte des Campingplatzbesitzers, diese Kirschen auch zu essen) starten wir bei Sonnenschein in den nächsten Tag. Doch noch am Vormittag erreicht uns die nächste Schlechtwetterfront mit dicken dunklen Wolken und durchgehendem Nieselregen. Der Blick auf den Wetterbericht zeigt uns, dass es auch in den nächsten Tagen nicht besser aussieht, was unsere Laune zu einer kurzen Talfahrt veranlasst. „SUPen können wir erst mal vergessen“ denken wir, doch nachdem wir auf das Wetter ja sowieso keinen Einfluss haben, zieht uns unser Abenteuergeist schnell zurück auf die Straße Richtung Norden. Die Schweinswale, die uns bei der Fährfahrt über den Hardangerfjord begegnen, werten wir einfach als gutes Omen. Unser nächstes Etappenziel ist die berühmte mittelalterliche Stabkirche Borgund. Am Aurlandsfjord angekommen haben wir deshalb die Wahl: entweder nehmen wir den mit rund 25 Kilometern längsten Tunnel der Welt, den ‚Lærdalstunnelen’, oder wir fahren eine kleine Straße entlang über eine Hochlandebene. Natürlich entscheiden wir uns für das Gebirge, schließlich macht man so einen Roadtrip ja, um etwas von der Landschaft zu sehen. In Serpentinen schlängeln wir uns also am Ufer des Aurlandsfjords nach oben. Die Gegend wird immer mehr zur Mondlandschaft: Pflanzen werden rarer, immer weniger Schafe begegnen uns, bis wir zwischen den dunklen Felsplatten nur noch Islandmoos entdecken können. Der Regen tropft auch im Hochland auf unsere Windschutzscheibe und ist bei nur noch 3 Grad kurz davor, zu gefrieren. Ein paar Höhenmeter gewinnen wir noch, als sich vor uns ganze Schneefelder und Eisplatten auftun, die in der rauen Ebene überall kleine Seen aus Schmelzwasser schaffen. Wow! Diese ganz andere Facette von Norwegen hat es uns auf Anhieb angetan.
„Es wäre ja irgendwie lustig, mit den SUPs auf einem von diesen kleinen Seen zu paddeln…“ sagt Christoph plötzlich, als hätte er meine Gedanken gelesen. Denn während viele Menschen bei widrigen Bedingungen alles lieber tun würden als nach draußen (oder sogar aufs Wasser) zu gehen, sind es genau diese Situationen, die unsere beiden Herzen höher schlagen lassen. Wenig später stehen wir in halbwegs wetterfester Kleidung auf unseren Boards und grinsen uns an. Zugegeben, ein sportliches Ereignis ist unser kleiner Ausflug sicher nicht, denn diese kleinen Seen sind so flach, dass man nur vorsichtig paddeln kann, ohne mit dem Paddel oder der Finne an den Steinen hängenzubleiben und einen uneleganten Abgang vom SUP zu provozieren. An den ins Wasser ragenden Schneebrettern vorbeizugleiten, ist trotzdem ein unvergessliches Erlebnis.
Nach einiger Zeit ziehen uns die kalten Füße zurück zu unserem Camper, wo wir sie an unserer Heizung aufwärmen und uns mit einem heißen Tee in der Hand Gedanken über die nächste Nacht machen. Sollen wir uns nach diesem kleinen Abenteuer wirklich einfach so auf einen Campingplatz zwischen andere Reisende stellen? Auf keinen Fall! Also beschließen wir, heute Nacht in der Hochlandebene zu bleiben. Der Wind pfeift um unseren Camper und durch das Aufstelldach, als wir es uns für die Nacht bequem machen. Keine Menschenseele ist weit und breit zu sehen. Dick eingekuschelt in unsere Decken, mit Mütze auf dem Kopf könnte kein Ort der Welt jetzt gemütlicher sein als dieser. Wir lachen beim Gedanken an die Gesichter unserer Freunde, die sie machen werden, sobald wir ihnen hiervon erzählen. „Diese zwei Bekloppten wieder!“ werden sie sagen – und irgendwie haben sie ja recht. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht schlafen wir glücklich ein.
Mini-Wanderung zum Briksdalsbreen – von Gletschern bekommen wir nicht genug!
Der Stabkirche Borgund statten wir am nächsten Morgen einen kurzen Besuch ab, doch wie immer fesseln uns Abenteuer und Natur mehr als Sehenswürdigkeiten. Die nächste große Station wird wohl beides auf einmal sein: der Geirangerfjord. Bis dahin sind es über 300 Kilometer – eine Strecke, die in Norwegen mit dem Auto gut und gerne fünf Stunden dauert. Einmal mehr sind wir froh um die langen Tage des norwegischen Sommers (gerade einmal vier Stunden liegen hier momentan zwischen Sonnenunter- und Sonnenaufgang), denn auf dem Weg begegnen uns viele wunderschöne Spots, an denen wir anhalten, ein bisschen herumlaufen und fotografieren. Sogar eine kleine Wanderung steht heute auf dem Plan, da wir immer noch nicht genug von Gletschern haben. Der Briksdalsbreen ist deutlich einfacher zu erreichen als der Buarbreen. Wir sind sogar etwas geschockt von den Ausmaßen der touristischen Infrastruktur, denn so etwas ist uns in Norwegen noch nicht begegnet: ein Parkplatz mit einem riesigen Souvenirshop, geteerte Wege, Geländer und kleine Golfcaddies, die Menschen nach oben bringen, die nicht laufen wollen oder können. Einerseits ist das nicht unbedingt unsere Traumvorstellung einer Wanderung, doch andererseits freut es uns, dass diejenigen, die keinen Fußmarsch unternehmen können, hier auch die Chance haben, einem Gletscher so nahe zu kommen. Der kurze Anstieg führt vorbei an einem mächtigen Wasserfall, der auch die Touristen in den Caddies in Sekundenschnelle mit seinem Sprühwasser nassduscht und ehe wir es uns versehen sind wir auch schon oben angekommen. Der Gletscher hängt zwischen den rötlichen Felsen, als würde er jeden Moment abrutschen und in den kleinen grünen Gletschersee fallen. Mit dem Anblick des Buarbreen kann er zwar nicht mithalten, doch trotzdem ist es ein beeindruckendes Bild, das einen zum Nachdenken bringt. Besonders, weil hier überall Tafeln stehen, auf denen markiert ist, in welchem Jahr der Gletscher noch bis zu diesem Punkt gereicht hat.
>> Unten angekommen können wir nicht widerstehen und kaufen uns im Souvenirshop die obligatorischen Elch-Aufkleber, bevor uns der Weg zu unserer großen Freude durch eine weitere verschneite Hochlandebene nach Geiranger führt. <<
Der Geirangerfjord – Zwischenstopp am Touristenhotspot
Unsere Ankunft ist genau der Moment, in dem wir froh sind, heute ein wenig auf Touristenhochburgen vorbereitet worden zu sein. Durch die Passagiere mehrerer, teils siebenstöckiger Kreuzfahrtschiffe, die im Fjord ankern, ist der am Hang liegende Ort Geiranger völlig überlaufen. Mini-Elektroautos düsen die Straße herauf und wieder herunter, vorbei an unserem ausgebuchten und doch recht unspektakulären Campingplatz, der uns zumindest die heiß ersehnte Dusche bietet. Wir fragen uns, ob wir auf unserer gesamten Reise bisher so viele Menschen gesehen haben, wie hier an einem Abend. Nach unserem wunderschönen Hochlandabenteuer gestern ist uns deshalb klar: wir werden hier nicht viel Zeit verbringen. Eigentlich wollten wir hier morgen paddeln gehen, doch Wind und Wetter nehmen uns diese Entscheidung ab und liefern uns ebenfalls keinen Grund, länger hier zu bleiben.
Doch ein kleines Abenteuer wartet noch auf uns: am Morgen klettern wir auf einen Felsen, um zumindest kurz alleine den Blick über diesen magischen Ort genießen zu können. Warum wir dort so ungestört waren, erklärt sich durch einen Blick auf das Foto:
Mit einer Portion Adrenalin im Blut steigen wir wieder in den Camper, denn wir haben noch von einem anderen Aussichtspunkt gehört und wollen an diesem malerischen Fjord natürlich nichts unversucht lassen. Und tatsächlich parkt man hier zwar auf einem der überfüllten Busparkplätze, doch nach nur wenigen Metern gelangt man über einen kleinen Trampelpfad an einen wunderschönen Punkt, von dem aus man aus großer Höhe kilometerweit den Geirangerfjord mit seinem leuchtend blauen Wasser und den vielen, hohen Wasserfällen entlangsehen kann. Klein wie Ameisen sehen ein paar Kajakfahrer auf dem Wasser aus. Ein wirklich beeindruckender Platz, den wir jedoch gerne gegen weniger populäre Regionen eintauschen. Nach nur wenigen Minuten geraten wir erst einmal in eine Polizeikontrolle, in der sich die vielleicht lustigste Anekdote unserer gesamten Reise abspielt. Christoph sitzt am Steuer, lässt das Fenster herunter und lächelt den Polizisten an. Der Mann lächelt zurück und fragt auf Deutsch mit leichtem norwegischem Akzent: „haben Sie einen Führerschein?“. Da Christoph jedoch erstens felsenfest mit der Frage gerechnet hat, ob er etwas getrunken hat und sich zweitens kurz darüber gewundert hat, warum er das Englisch des Polizisten so schlecht versteht, antwortet er mit einem überzeugten „no!“. Ein wunderschönes Missverständnis, das zum Glück schnell aufgeklärt werden kann. Tatsächlich wird hier übrigens massiv kontrolliert: Alkohol ist in Norwegen so teuer, dass der ein oder andere norwegische Geburtstag, Junggesellenabschied und Ähnliches auf Kreuzfahrtschiffe verlegt werden, auf denen es die Drinks duty free zu kaufen gibt. Tränen lachend setzen wir unsere Reise fort, sehen uns unterwegs noch ein paar Wasserfälle an, essen die leckerste Zimtschnecke unseres Lebens, durchqueren eine weitere Hochebene und landen in dichter Regen- und Nebelsuppe am Trollstigen.
Die „Troll-Leiter“ ist eine Serpentinenstraße, die sich einen tiefschwarzen, sehr steilen Berg hinaufwindet. Und es wäre ja nicht Norwegen, wenn nicht auch hier ein wunderschöner Wasserfall immer wieder unter Brücken hindurchfließen würde. Wie riesig die Dimensionen hier sind, wird nur klar, wenn man sich zum Vergleich Autos oder die vereinzelten Bäume ansieht. Was für ein magischer Ort! Und doch ist dies heute nur ein weiterer Zwischenstopp auf dem Weg zum nördlichsten Ende unseres Roadtrips, das wir tatsächlich noch heute erreichen werden.
Die Atlantic Ocean Road – eine Straße wie aus dem Film
„So, jetzt fahren wir gleich drauf“ sagt Christoph und ich bekomme eine kleine Gänsehaut. Diese Straße hat es mir einfach angetan, wie sie sich über lauter kleine felsige Inseln schlängelt. Eigentlich hatten wir keine feste Route für unseren Roadtrip geplant, doch dass wir unbedingt einmal über die Atlantic Ocean Road fahren wollen, stand schnell fest. Und jetzt ist es soweit. Wir gucken links und rechts – und ehe wir es uns versehen, sind wir auch schon am anderen Ende angekommen. Die Fahrt war definitiv schon schön, aber jetzt wollen wir diesen einmaligen Ort aus der Luft sehen! Es folgt einer der wagemutigsten Drohnenflüge, die ich jemals gemacht habe, denn hier ist es sehr windig – und unter der Drohne befindet sich lediglich der Atlantik. Mir dieses Foto entgehen zu lassen, ist allerdings auch keine Option. Also kämpft sich die kleine Drohne Richtung Himmel, während ich sie angespannt vom Parkplatz aus steuere. Nach einer Weile richte ich meine Augen auf das Bild, das sich auf dem kleinen Display auftut, und bekomme Herzklopfen.
Diese Straße sieht von oben noch viel schöner aus, als ich es mir erträumt hatte. Im Westen geht gerade die Sonne unter und taucht alles in ein magisches warmes Licht, während es im Osten bläulich und düster aussieht. Als ich dort oben meine Fotos schieße, gesellt sich ein zweiter Drohnenpilot zu uns, der einen etwas entspannteren Eindruck macht und nur selten auf seine Fernbedienung sieht. „Wo ist deine Drohne?“ frage ich ihn konzentriert und er antwortet ohne zu zögern: „irgendwo auf 400 Metern und macht Zeitrafferaufnahmen“. Wie sich herausstellt, gehört Pablos zu einem Filmteam, das hier gerade eine internationale Serie über E-Autos dreht. Nachdem uns die Jungs noch ein wenig von ihrem Filmmaterial gezeigt haben, ziehen wir uns zurück in unseren Camper und bemerken plötzlich ein riesiges Loch im Bauch. Es ist ein Uhr nachts und wir haben noch nicht einmal zu Abend gegessen (dass es hier so durchgehend hell ist, kann wirklich verwirrend sein). Also gibt es jetzt noch kurz Pestonudeln, bevor wir um zwei ins Bett fallen und ungläubig rekapitulieren, was wir heute alles erlebt haben. Um sieben hatten wir den Campingplatz verlassen. Der Tag war für uns heute also 19 ereignisreiche Stunden lang – und wir haben nicht einmal richtig mitbekommen, wie die Zeit vergeht. Das kann nur die norwegische Mitternachtssonne.
Dovrefjell und Rondane – auf Elchsuche in den Nationalparks
Auch der nächste Tag beginnt früh. Wir haben eine schwierige Entscheidung zu treffen. Nur noch zwei Tage lang wird das Wetter halten, bevor ganz Norwegen von einem riesigen Tief überlagert wird, das Kälte und ergiebigen Regen mitbringt. Also reisen wir nicht weiter in den Norden, sondern drehen ab und fahren über die Landesmitte Richtung Schweden. Ohne uns wirklich detailliert damit zu beschäftigen, suchen wir uns eine Route aus und lassen uns überraschen, wohin sie uns führen wird. Da fällt uns auf: wir sind schon so lange in Norwegen unterwegs und haben trotzdem noch keinen einzigen Elch gesehen, obwohl wir uns immer danach umgesehen haben. Da wir aber beide große Elch-Fans sind, arbeiten wir uns auf der Autofahrt in die Materie ein: wo leben Elche? (unebene Wälder mit Wasserquelle) Zu welchen Tageszeiten zeigen sie sich? (eher morgens und abends, wenn die Sonne nicht zu hoch steht) Was fressen Elche? (Islandmoos und Zweige junger Bäume) und so weiter. Unseren nächsten Campingplatz suchen wir uns also im potenziellen Elchgebiet aus. Auf dem Weg dorthin fahren wir bei Sonnenschein durch den wunderschönen Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalpark und stoßen durch Zufall auf eine atemberaubende Klamm, in der wir spontan einige Stunden verbringen, um darin herumzuklettern, Fotos zu schießen und uns das türkisgrün leuchtende Wasser anzusehen, das sich sprudelnd seinen Weg durch die Felsen bahnt.
Der Campingplatz, der eher einer Farm gleicht, erwartet uns anschließend nicht nur mit der heiß ersehnten Dusche, sondern auch mit Hundewelpen, Eseln, Widdern und Pferden. Dazu ein Blick über einen kleinen See vor einem Berg – perfekt! Nur von Elchen fehlt weiterhin jede Spur. Morgen wollen wir unserem Glück noch etwas mehr auf die Sprünge helfen mit einer Wanderung im Rondane Nationalpark, dem perfekten Lebensraum für Elche und Rentiere. Rund 40.000 Tiere haben hier laut Online-Artikeln ihr Revier – das sollte doch klappen.
Wie stark sich die Natur in Norwegen von einem Ort zum anderen verändert, ist wirklich beeindruckend. Das erste kurze Stück der Wanderung ist wie ein kleines Moor, in dem auch sofort die Mücken über uns herfallen. Dann wird es um uns herum schnell trockener und hügeliger. Ich stoße plötzlich einen Freudenschrei aus und Christoph sprintet zu mir: „Elchköttel!“. Ich bin keine Pfadfinderin, aber der Elch, der sie hinterlassen hat, kann noch nicht allzu weit gekommen sein.
Um die Geschichte abzukürzen: wir entdecken auch heute weder Elch noch Rentier, obwohl man in diesem Nationalpark teilweise kilometerweit sehen kann. Es ist wie verhext. Dafür genießen wir die kleine Wanderung durch die Landschaft, die mit ihren Kieshügeln absolut unvergleichlich zu allen Orten ist, an denen wir bisher gewesen sind. Sonne und wunderschöne Wölkchen teilen sich den Himmel gerecht auf. Wir setzen uns hin, sehen in die Gegend und sind einfach glücklich und dankbar für alles, was wir auf unserer Reise schon gemeinsam erlebt haben – auch ohne Elch-Sichtungen.
Zurück in die Stadt nach Oslo – unsere letzte SUP Tour in Norwegen
Den nächsten Tag nutzen wir, um ordentlich Strecke zu machen, denn unser letzter Stopp und gleichzeitig unser letzter Standup Paddle Spot in Norwegen ist die Hauptstadt Oslo. Wir fahren und fahren, reden über unsere Erlebnisse und die Zukunft und da passiert es: als wir mittags über eine eher unspektakuläre Landstraße fahren, sehe ich rechts im Wald den Elch, auf den wir so lange gewartet haben! Christoph reagiert in Sekundenschnelle und parkt den Camper am Straßenrand. Einen kurzen Blick können wir noch auf das große Tier werfen, ein schnelles Beweisfoto schießen, bevor es sich in die Tiefen des Waldes verabschiedet. Überglücklich fahren wir weiter nach Oslo, wo wir uns den Sonnenuntergang an einem kleinen Kiesstrand im Oslofjord ansehen. Morgen wird gepaddelt! Doch nicht hier, sondern direkt in der Osloer Innenstadt.
Nach langer Suche finden wir am nächsten Tag einen fast unbezahlbar teuren Parkplatz in der Nähe der Oper. Nach einem kurzen Fußweg stehen wir mit unseren Boards am Wasser. Im Vergleich zu unseren Abenteuern in der Natur ist dies nun etwas ganz anderes! Wir paddeln an dem modernen Opernhaus vorbei, sehen uns die großen Boote an, die hier ein- und ausfahren und machen eine kleine Sightseeing-Tour. Sogar eine schwimmende Sauna gibt es hier. Auch wenn wir nicht besonders weit kommen, ist es eine hübsche kleine Runde, die uns einen ersten Eindruck von der pulsierenden norwegischen Hauptstadt gibt. Zu Mittag gibt es Fish and Chips – fangfrisch und lecker – bevor wir uns noch ein wenig die Stadt ansehen. Unser großes Abenteuer Norwegen geht hier für uns zu Ende. Natürlich denken wir auch an die Orte, die wir nicht besuchen konnten, wie die Lofoten. Doch wie heißt es so schön: es muss immer einen Grund geben, wieder zurückzukommen. Danke Norwegen für diesen unvergesslichen Trip. Bis bald!
Packliste für das norwegische Klima
Anders als bei unserem vierwöchigen Trip nach Kolumbien, bei dem wir uns beim Packen stark einschränken mussten, hatten wir in unserem Campervan natürlich mehr Platz. Aber auch Wanderzeug, Standup Paddle Boards, Fotoequipment und Kleidung für alle Wetterlagen summieren sich auf. Hier sind ein paar Dinge aus verschiedenen Kategorien, die wir auf unserem Roadtrip nicht hätten missen wollen:
Für unsere Standup Paddle Abenteuer in Norwegen:
- Hält eure Habseligkeiten auf dem SUP trocken: robuster Drybag
- Damit auf dem Weg ins Wasser nichts piekt: Wasserschuhe mit festen Sohlen
- Damit ihr schnell Fotos machen könnt: wasserdichte Handyhülle
Für Wanderungen in allen norwegischen Wetterlagen:
- Flexibel für alle Wetterlagen: Doppeljacke
- Hält auch norwegischen Wasserfällen stand: Regenhose
- Für kalte Drinks oder heißen Tee: isolierte Trinkflasche
- Für die entspannte Auszeit in der Natur: Reisehängematte
Für das Leben im Camper:
- Macht müde Camper munter: mobiler Kaffeekocher
- Sorgt für Ordnung: aufhängbare Kulturtasche
- Zum Duschen und Waschen in der Wildnis: Naturseife
- Schnelltrocknend und kompakt verstaubar: Reisehandtücher
- Braucht wenig Platz und verfeinert jedes Gericht: Mehrfach-Gewürzspender
Mehr zu den Girls on Sups:
Anja gehört zu den Girls on Sups, passionierte Stand up Paddlers mit einer großen Community. Schaut vorbei! Mehr Artikel:
Hier gibt’s was auf die Ohren: Podcastfolgen zum Thema SUPs!
Rausgehört #11
Anja und Julia sind nicht nur richtig gute Freundinnen. Sie teilen auch ihre Begeisterung fürs Stand-up Paddling. Ihre Leidenschaft hat die Beiden schon in alle Ecken der Welt gebracht. Mit ihrem Instagram-Account inspirieren Anja und Julia Follower aus mehr als 100 verschiedenen Ländern. Wie reisen die Beiden mit sperrigen Boards? Joris Gräßlin hat im Globetrotter-Podcast mal rausgehört.