Tatonka Open Factory

Wo und wie wird eigentlich unsere Ausrüstung hergestell­­t? Um diese Frage zu beantworten, haben zwei Leserreporter Tatonkas Open Factory in Vietnam besucht.

Moritz Schäfer

Da ich als Designer selbst in der Outdoorbranche arbeite, war mein Interesse an Tatonkas Produktionsstandor­­t in Vietnam und an dem Open-Factory-Konzep­­t naturgemäß groß. Umso mehr habe ich mich darüber gefreut, dass ich durch ein Gewinnspiel im Globetrotter Magazin zur Besichtigung eingeladen wurde. 

Unser erster Programmpunkt nach der Ankunf­­t in Ho-Chi-Minh-Stadt ist ein Besuch bei Mountech. Wir, das sind Jasmin aus der Schweiz, die die Reise im Kundenmagazin 4-Seasons von Transa gewonnen hat, Moritz, der begleitende Journalist vom Globetrotter-Magazin, und ich. Der Empfang ist herzlich. Mein spontaner Eindruck: gar nicht so anders als Produktionsstätten in Europa, die ich kenne. Habe ich etwa insgeheim erwartet, skandalöse Zuständ­­e vorzufinden?

Moritz Schäfer

Anton Bob Kraus (31): Der Produktdesigner und Outdoor-Enthusiast aus Köln hat selbst schon Rucksäcke entwickelt, kennt sich also mit industriellen Fertigungsprozessen aus.

Der erste Tag endet für uns mit der Einladung zum Mittagessen, für das die gesamte Belegschaft in einem überdachten Bereich im Hof zusammenkommt. Das ein­fache Mahl ist für die Mitarbeiter täglich kostenlos und für uns eine kulinarische Erfahrung. Nach dem Essen legt sich die ganz­e Belegschaft für etwa eine halbe Stunde schlafen und für uns geht es ins Hotel und unter die erlösende kalte Dusche.

Der Ursprung unserer Produkte

Schon früh sind wir am nächsten Morgen wieder bei Mountech. Der positive Eindruck vom Vortag ist geblieben. Ich bin überrascht, als wir in der Entwicklungsabteilung stehen und lernen, dass hier nicht nur vorgegebene Produkte in Serie gefertigt werden, sondern dass auch ein großer Teil der Entwicklung selbst vor Ort stattfindet und mit dem technischen Wissen der Mitarbeiter um­gesetzt wird – vom Prototypen bis hin zum finalen Katalogfoto. 

Wie wichtig den Mitarbeitern diese Eigenständigkeit ist, zeigt eine Maschine, die uns mehrmals stolz präsentiert wird: Sie befördert Schaumstoffpolster in die Beckengurte von Rucksäcken und wurd­e von der hiesigen Technikabteilung entwickelt. Die Begeisterung, mit der sie vorgeführt wird, ist wie ein Statement: Wir denke­­n mit und haben mehr als nur Arbeitskraft zu bieten.

Ich habe schon einige Produktionsstätten in verschiedenen Teilen der Welt gesehen und finde es wichtig, dass man sich mit Ent­stehungsprozesse­­­­­n und den Menschen dahinter beschäftigt. Wenn man in einer Dienstleistungsgesellschaft wie unserer lebt, in der der Bezug zur industriellen Produktion schwindet, ist es eine echte Bereicherun­g, den Ursprung eines Produkts nachvollziehen und verstehen zu können. Die Open Factory bietet hierfür eine perfekte Gelegenheit. Neben diesen für uns ungewohnten Einblicken konnt­e ich viele positive Ein­drücke mit nach Hause nehmen.


Als ich durch einen Artikel im 4-Seasons erfuh­­r, dass Tatonka im Rahmen eines Wettbewerbs einen Leser nach Vietnam ein­laden würde, war klar: Da muss ich mitmachen! Normaler­weise bin ich kein Gewinnspieltyp, doch von der Open Factor­­y hatte ich zufälli­­g einige Monate vorher gehört. Entsprechen­d groß war die Freude, als ich erfuhr, dass ich gewonnen habe. 

Am Flughafen von Ho-Chi-Minh-Stadt, dem ehemaligen Saigon, werden wir von einem Mit­arbeiter von Mountech, wie Tatonka hier in Vietnam heißt, begrüßt und gleich zur Fabrik gefahren. Die Fahrt dauert nicht lange, dann biegen wir in eine ruhige Quartierstraße mit kleine­­n Häusern und Geschäften ein. Schon stehen wir vor dem Tor der Fabrik – mitten in dieser quirligen Großstadt. Wir bekommen zunächst einen kurzen Überblick, dann folgt ein erstes Highlight: das Mittagesse­­n mit der Belegschaf­­t in der »Mensa«. Die Mitarbeiter sitzen laut schwatzen­­d und lachend zusammen, essen, diskutieren und spielen chinesische­­s Schach – und wir mittendrin. 

Moritz Schäfer

Jasmin Ilg (33): Die Schweizer Fotografin lebt und arbeitet in Steckborn am Bodensee. Von Indien über Japan, Myanmar, Vietna­m und Tibet hat sie schon weite Teile Asiens bereist.

In der Produktion gilt: Schuhe aus!

Frisch und munter erlebe ich am nächsten Morgen die Führung durch die Open Factory. Vorab dürfen wir uns frei in der Fabrik bewegen, alles alleine anschauen und Fotos machen. Uns stehen alle Türen offen, kein »Aufpasser« begleitet uns. Wie zu Hause müssen die Straßenschuhe vor dem Betreten der Produktions­räume ausgezogen und gegen Sandalen getauscht werden. Diese Gepflogenheit gepaart mit der vietnamesischen Musik, die leise im Hintergrund läuft, lassen mich das Arbeitsumfeld als entspannt, locker und familiär emp­finden. Aber natürlich wird auch großer Wert auf eine reibungslose und schnelle Produktion gelegt: So hat jede Nähmaschine Lämpchen in Rot bis Grün, mit denen die Näherinnen Bescheid geben können, falls es Probleme gibt oder das Material ausgeht. Alles ist sehr geordne­­t und strukturier­­t. 

Während der Führung erfahre ich zunächst mehr über Tatonka und die Arbeitsbedingungen bei Mountech. Dann geht es auf den Rundgang und ich bekomme einen Einblick in die verschiedenen Bereiche: Es gibt eine Entwicklungsabteilung, wo neue Proto­type­n hergestellt werden, die Planung, die die Produktion und Abläuf­­e organisiert, und ein Fotostudio, wo neue Produkte foto­grafiert werde­­n. Weiter geht’s ins Lager und natürlich in die Fertigung, wo Schnittmuster he­r­gestell­­­­t werden und die eigentliche Produktion stattfinde­­t.

Viel zu schnell neigt sich der Besuch seinem Ende. Es war beein­druckend zu sehen, wie viel Arbeit, Geschick, Einsatzbereitschaft und Fleiß in jedem einzelnen Produkt stecken. So macht mir nun mein Tatonka-Rucksack doppelt Freude: Einerseits habe ich ein qualitati­­v hochwertiges Produkt, andererseits weiß ich, dass bei der Herstellung faire Bedingungen herrschen und zahllose Familien dadurch ein gesichertes Einkommen erhalten.

Moritz Schäfer

Text: Jasmin Ilg, Anton Bob Kraus