A Journey through Time – Der All American Highway 12
Packt eure Sauerstoffgeräte ein: Die Ausblicke sind atemberaubend! Außerdem startet der Highway 12 in Torrey – auf über 2000 Metern Höhe. Er gehört zu den schönsten Highways der Vereinigten Staaten: der Utah Highway 12 – eine Einladung für einen Utah-Roadtrip. Reizvolle Nebenstraßen – Scenic Byways nennen die Amerikaner diese Landstraßen, die sich durch eindrucksvolle Gegend ziehen, wo (gefühlt) hinter jeder Kurve eine Sehenswürdigkeit wartet.
Auf der Strecke von Torrey, nahe des Capitol Reef Nationalparks, bis Panguitch, kurz hinter dem Red Canyon, schlängelt sich die Straße sprichwörtlich durch Raum und Zeit. Verschiedenste Gesteinsschichten des Colorado Plateaus liegen hier übereinandergeschichtet, durch die Urkräfte der entstehenden Erde auseinandergerissen, aufgebrochen und übereinandergeschoben. An manchen Stellen liegen die Gesteinsschichten bunt wie ein Regenbogen frei und man kann sie wie die Jahresringe eines alten Baumes zählen. Der Weg führt sozusagen durch Jahrtausende Erdgeschichte, was ihm auch den Beinamen »A Journey through Time Scenic Byway« einbrachte.
Startet man die Tour im Norden, schlängelt sich der Weg zunächst durch dichten Nadelwald auf fast 3000 Meter Höhe zum Larb Hollow Overlook. Der Blick geht weit nach Osten, über zerklüftete Canyons und bleibt am Horizont an schneebedeckten Gipfeln hängen.
Leuchtende Espen weisen den Weg zu den Bächen
Alle paar Kurven wechselt die Landschaft. Cowboys treiben ihr Vieh auf die Weiden, die sich grün auf sanften Hügeln erstrecken. Plötzlich karge, rote Felswüste, die ein paar Meilen später in ein ausgewaschenes weißes Felsenmeer übergeht. Zwischen Boulder und Escalante balanciert der Highway waghalsig auf einem Bergkamm mit steil abfallenden Klippen zu beiden Seiten. Willkommen auf dem Hogsback. In von Bächen eingeschnittenen Rinnen leuchten Espen gelb und ziehen sich wie Adern durch die unwirkliche Landschaft.
In Escalante – einem Ort mit einer bunt gemischten Bevölkerung aus Farmern, Künstlern und Aussteigern – kann man stilecht im Airstream übernachten. Der örtliche Campingplatzbesitzer hat sich ein paar Streamliner angeschafft und vermietet diese 50er-Jahre-Raketen-Campinganhänger an Gäste. Inklusive Autokino-Vorführung am Abend. Wie gesagt: A Journey through Time!
Felsnadeln wie ein versteinerter Wald
Unserer Utah-Roadtrip geht weiter mit dem Ziel Bryce Canyon. Das außergewöhnliche am Bryce Canyon sind seine Hoodoos: Felsnadeln, die wie ein versteinerter Wald anmuten. Wie Skulpturen stehen diese bis zu 70 Meter hohen natürlichen Obelisken in Reih und Glied und lassen gütig die staunenden Besucher zwischen ihren Reihen umherwandern. Genau genommen ist es gar kein Canyon, sondern eine Abbruchkante. Wind, Wasser und Eis haben hier sogenannte Amphitheater entstehen lassen. Steht man an den Aussichtspunkten oben, geht der Blick weit über die stalagmitenartigen Felsformationen hinweg in die Landschaft. Keine gegenüberliegende Felswand, die ihn stoppt. Bei klarem Wetter beträgt die Sichtweite bis zu 160 Kilometer.
Wer in den Canyon hinabsteigt, geht zwischen den Türmen wie in einem Labyrinth. Die Wände der Felsen strahlen in kräftigem Orange-Rot und tauchen alles in ein warmes Licht.
Am besten man steht ganz früh auf, dann hat man an den Aussichtspunkten freie Platzwahl für das Sonnenaufgangsspektakel. Wie Betende stehen die Hoodoos im Licht der aufgehenden Sonne.
So weit, so groß, so wild –Grand Staircase Escalante National Monument
Jetzt ist es still, so still, dass der eigene Herzschlag hörbar ist. Nur ab und an lässt ein warmer, wüstenhafter Lufthauch die Espenblätter flüstern. Ganz leise raunen sie einem zu: »Geh weiter – einfach weiter – verliere dich in dieser majestätischen Landschaft. Dein Herz wird vor Glück bersten!« Tatsächlich ist die Schönheit des Grand Staircase Escalante National Monument zum Niederknien, zum Weinen. So einzigartig, so einladend in ihr einfach zu einem Staubkorn in diesem Universum aus Sandstein zu werden, so schroff, so abweisend, so erhaben.
The Grand Staircase, das große Treppenhaus. Stufe um Stufe liegen hier Hunderte Millionen Jahre alte Sandsteinschichten übereinander und Wind, Wasser und vor allem Zeit haben eine märchenhafte Welt aus Figuren, Nadeln, Wellen, Rillen und einfach unbeschreibbaren Formen herauspräpariert. Das größte Wunder liegt aber im Verborgenen und meist unter der Oberfläche der Sandsteinlandschaft: die Welt der Canyons und Slot Canyons. Das sind die, die so eng werden können, dass sie einem die Luft aus den Lungen zu pressen scheinen. Weit verzweigt und fein verästelt, wie ein Gefäßsystem.
Sie lassen sich schon nach ein paar Meilen auf der Hole-in-the-Rock-Road, die nahe Escalante ins Monument von unserem großen Utah-Roadtrip abzweigt, nach dem Abstieg in den Dry Fork Canyon erleben. Der einzige Canyon, bei dem der Parkranger in Escalante nicht mit den Augen rollt, wenn man ohne Führer ins Niemandsland aufbrechen will. Populär sind vor allem seine seitlichen Slotcanyons Peek-a-Boo und Spooky. Das heißt, dass zur Hochsaison vielleicht 15 Wanderer am Tag hier auftauchen.
Ein Niemand in dieser monumentalen Welt
Wie weit kann man sich in die Windungen des Dry Fork vorwagen, welchen Seiten-Canyon begehen und noch zurückfinden? Ein unübersichtliches und schier endloses Labyrinth im weichen Sandstein. Hier ist die Einsamkeit schon ganz schön mächtig, praktisch allgegenwärtig, hinter jeder Biegung und neuen Verzweigung der Schlucht zeigt sie noch ein wenig mehr von sich. Schnell offenbart sie jedoch auch ihr zweites Gesicht: Das Gefühl, sich nicht nur zu verlieren, sondern tatsächlich verloren gehen zu können. Ein Niemand zu sein in dieser monumentalen Unberührtheit.
Weniger verzweigt, dafür noch monumentaler, weil längster Slot Canyon der Welt, ist der Buckskin Gulch. Er liegt knapp außerhalb des Monuments, ist aber ein Muss, um sprichwörtlich tief in die Besonderheit der Region einzutauchen. Es ist ein eigentümliches Gefühl, durch diese abgeschiedene Welt aus Stein zu wandern. Zwei Tage lang etwa, dauert der Trip. Manchmal ist der Canyon ganz eng, dunkel und zig Meter hoch, und man selbst klitzeklein, im Herzen aber immer diese Weite, diese Freiheit.
Ein Tag auf dem Mars –White Pocket
Der Landeanflug hat nur wenige Stunden gedauert, dafür war er zuletzt recht holprig und dieses staubige Gefühl von zu viel rotem Wüstensand ist noch im Mund. Jetzt ist die Crew ausgestiegen, hat wieder festen Boden unter den Füßen und kann sogar die Helme abnehmen – komisch, die Atmosphäre scheint ähnlich wie auf der Erde zu sein. Der Anblick, der sich einem darbietet ist jedoch definitiv außerirdisch. Schon die erste Felsformation ist sowas von spacig: Schaut aus wie das obere Teil einer Eistüte, die beim Zerlaufen erstarrt ist.
Obwohl es ehrlich gesagt ziemlich heiß ist. Rot, Braun, Rost, Ocker, Weiß gehen ineinander über, verlaufen ineinander. Die weißen Einschlüsse im Gestein haben der Landschaft zum Namen White Pocket verholfen. Die mitgereisten Kosmonautinnen aus China sind ganz verzückt, kommen vor lauter Fotos überhaupt nicht mehr dazu, das Ganze zu erleben, in seiner Andersartigkeit zu erfahren. Das ist vielleicht auch ein guter Schutz für die Sinne, denn White Pocket ist einfach nur mind-blowing. Wir wandern entrückt umher, regelrecht fassungslos über das, was wir sehen.
Dort gigantische Bienenkörbe, hier gefrorene Wellen, dort ein Strudel, Rillen, Fräsen, feinste Ziselierungen im Gestein, die auf eine nicht fassbare Komplexität der schöpferischen Natur verweisen, hinaus ins Universum, hinaus in die Unendlichkeit. Der Mann, der das alles erdet, ist Guide Bruce. Mit seinem grauen Rauschebart und der feinen Brille schaut er ein bisschen wie ein versprengter Santa Claus aus. Und erzählt ganz bodenständig, wie White Pocket aus geologischer Sicht entstanden ist, dass es außergewöhnlicher sei, als die nahegelegene, als Microsoft-Bildschirmschoner zu weltweiter Bekanntheit gelangte Formation The Wave. Aber all diese Fakten lösen sich in Nebel auf, in einem Nebel, den so ein rauschhaftes Erlebnis erzeugt. Bis man abends plötzlich wieder in Kanab auf der Straße steht und sich fragt, in welcher Seitenstraße das Raumschiff gelandet ist.
Fast ein Heiligtum –Zion National Park
Zion – schon der Name macht neugierig. Was ist das für ein Ort, der den Namen der heiligen Stadt Jerusalem trägt? Nähert man sich dem Zion National Park auf unserem Roadtrip durch Utah aus dem Osten, beginnt alles relativ unspektakulär. Kiefern, Tannen und Douglasien säumen die Straßen, die durch die hier eher flache Landschaft führen. Dann schneidet der Weg plötzlich eine Kerbe in den Sandsteinboden. Es geht bergab auf dem Mount Carmel Highway. Hinein in die Canyonlandschaft des Parks.
Ein Tunnel spuckt die Besucher mitten hinein in einen unglaublich anmutigen weiten Canyon, dessen senkrecht stehende rote Wände in der Sonne fast metallisch-glatt glänzen. Spektakulär. Besonders schön ist die Emerald-Pools-Wanderung. Namensgeber der Tour sind die zahlreichen smaragdgrünen Wasserstellen. Wo sich das Wasser seinen Weg durch Spalten und Ritzen im Sandstein sucht und an Felsüberhängen austritt, sprudeln Mini-Wasserfälle in die Tiefe. Begleitet von sattgrünen Hängepflanzen. Manchmal hängen ganze Kaskaden von dichtem Blattwerk vor dem leuchtend-roten Fels.
Wandern in den Narrows = Canyoning
Das Wandern in den Narrows ist eine besondere Herausforderung. Es geht hinein in die immer enger werdenden Schluchten. Hinein in eine Welt aus Wasser und Fels. Immer enger wird die Schlucht, bis der einzige Weg das Flussbett ist. Zum Glück gibt es am Park zahlreiche Outfitter, die einen mit den nötigen Neoprenhosen und –schuhen ausstatten. So wird die Erkundungstour dieser Engstelle zum machbaren Erlebnis. Aber bitte nicht stolpern, das Wasser ist echt frisch!
Wer von Canyons und Wasser nicht genug bekommen kann, der bucht eine Tour bei der Zion Adventure Company. Etwas außerhalb des Nationalparks haben dessen Guides einen spektakulären Klettersteig mit Eisen-Trittstufen in die senkrechte Felswand eines Canyons geschlagen. Zunächst springt und arschbombt man sich beim Canyoning durch die Engstellen einer Schlucht entlang eines Bachlaufs. Seilt sich immer wieder ab und gelangt – ein breites Grinsen im Gesicht – an den Ausgang der Schlucht, wo die 140 Meter hohe Felswand mit ihrer Eisenleiter wartet. Adrenalin pur. Wenn man sich traut!