Waldmeister Bayern

Über fünf Milliarden Bäume wachsen in Deutschlands größtem Bundesland. Und damit das auch so bleibt, legen Freiwillige beim Bergwaldprojekt selbst Hand an.

Ruhpolding Tourismus GmbH/Andreas Plenk

Zeitig am Morgen entfaltet der Wald seine ganze Magie. Erdig und harzig duftet die frische Luft. Die tiefstehende Sonne sendet goldene Strahlen durch das Dickicht. Ab und an lässt ein Windstoß die Blätter rauschen, mächtige Stämme ächzen sachte. Aus dem Blätterdach dringt leises Vogelgezwitscher hinunter zum moosbewachsenen Waldboden, klares Quellwasser murmelt in einem Bachlauf. Beruhigendes Waldgeflüster – ansonsten Stille! Der Zivilisationslärm bleibt außen vor. Zur Ruhe kommen, neue Kraft schöpfen und ganz tief durchatmen: Nichts entspannt Körper und Geist mehr als solch ein Aufenthalt im Wald. In Japan hat man sogar einen Ausdruck dafür gefunden: Shinrin-Yoku – Waldbaden. Die grüne Farbe beruhigt, das leise Rauschen der Blätter und Nadeln klingt wie Musik, das würzige Bouquet von Tannennadeln wirkt wie eine Aromatherapie.

Waldland Nummer 1

Raus in die Natur, hinein in den Wald – nirgendwo sonst in Deutschland ist das so einfach wie in Bayern. Mehr als ein Drittel der Landesfläche ist bewaldet. Ein großer Teil dieser Wälder steht unter besonderem Schutz: aufgeteilt in Naturparks, Landschaftsschutzgebiete, Naturschutzgebiete und in die bayerischen Nationalparks. In diesen Naturoasen kann der Lebensraum Wald besonders intensiv erlebt werden: aktiv beim Wandern oder Radfahren, genussvoll beim Pilze- oder Beerensammeln, entschleunigend beim Waldbaden oder als Erlebnisspielplatz für Kinder.

bayern.by / Tobias Gerber

Forstexperte Peter Naumann und tausende Helfer pflanzen beim Bergwaldprojekt den Wald von morgen.

Das Schöne am Wald: Obwohl fast die Hälfte der bayerischen Waldflächen in Privatbesitz ist, muss niemand beim Spazierengehen, Wandern oder Kräutersammeln um Erlaubnis bitten, denn für den Wald gilt ein generelles Betretungsrecht zum »Zwecke der Erholung«. Dieses kann nur aus »wichtigem Grund« eingeschränkt werden, etwa um eine Jungpflanzung zu schützen oder Baumfällarbeiten zu ermöglichen. Ganz im Gegenteil: Tausende Wander-, Rad- und Reitwege vom Steigerwald bis zum Zauberwald im Berchtesgadener Land laden ein, die bayerischen Haine zu erkunden. In Zahlen sind das mehr als 9 000 Kilometer markierte Wanderwege, 3 400 Kilometer Rad- und 270 Kilometer Reitwege. Ideal, um den Alltag hinter sich zu lassen oder einen entspannten »Urlaub dahoam« zu genießen.

Das Bergwald-Projekt

Im Schatten der großen Alpengipfel haben sich die bayerischen Forste im Laufe der Zeit vom Urwald zum Kulturwald gewandelt. Der Wald, so wie wir ihn heute kennen, ist menschengemacht; die Probleme, unter denen der bayerische Wald leidet, ebenso. Umweltverschmutzung, Fehler in der Forstwirtschaft und der voranschreitende Klimawandel machen insbesondere dem Bergwald schwer zu schaffen. Waldbesitzer und Forstbetriebe stehen vor einer immensen Herausforderung: Welche Bäume können steigenden Temperaturen, heftigen Stürmen, längeren Trockenperioden und neuen Schädlingen trotzen? Experten setzen ihre Hoffnung auf eine gesunde Mischung aus Laub- und Nadelhölzern.

bayern.by / Tobias Gerber

Kein Bundesland hat mehr Wald als Bayern. Da bleibt genug Platz für Pflanze, Mensch und Tier.

Der Waldumbau ist ein Jahrhundertprojekt und funktioniert nur mit Geduld. Einer, der heute die Wälder von morgen pflanzt, ist Peter Naumann. Naumann ist Diplom-Forstingenieur und Sprecher des Bergwaldprojekts, das sich für den Schutz und Umbau der Wälder einsetzt. Das heißt konkret: Freiwillige krempeln bei Arbeitseinsätzen die Ärmel hoch für Bayerns Wälder. Für die Projekte im Gebirge sollten Freiwillige trittsicher und halbwegs schwindelfrei sein. Doch ansonsten ist jeder, der sich in seiner Freizeit für den Wald einsetzen möchte, hier von Herzen willkommen. »Mittlerweile organisiert das Bergwaldprojekt in Deutschland mehr als hundert Einsatzwochen im Jahr an 52 Orten und bringt so jährlich 2 500 Menschen in die Wälder hinein«, zieht Peter Naumann stolz Bilanz.

Tanne ist die neue Fichte

1990 rissen Winterstürme große Lücken in den Wald bei Sonthofen-Wertach im Oberallgäu. Die dortigen Fichten, klassische Flachwurzler, hatten den heftigen Böen wenig entgegenzusetzen. Gemeinsam mit dem Forstbetrieb Sonthofen der Bayerischen Staatsforste pflanzten Teilnehmer des Bergwaldprojekts im Folgejahr Tausende kleiner Weißtannen. »Die Tanne ist deshalb so wichtig, weil sie Pfahlwurzeln hat«, erklärt Peter Naumann. »Über diese Arbeit, die man erst mal gar nicht sieht, bringen wir Stabilität in die Wälder.«

In Bayern mit seinen ausgedehnten und vielfältigen Wäldern finden besonders viele Projekte statt: Im Oberammergau setzten sich die Freiwilligen für die Wiedervernässung der Moore ein. Im Lechtal erhalten sie den seltenen Schneeheide-Kiefernwald. Und in den Bayerischen Voralpen am Walchensee pflanzen sie junge Bäume und pflegen den Schutzwald. Aber nicht nur der Wald profitiert vom Engagement der Menschen – die Arbeit beim Bergwaldprojekt sei ein großer persönlicher Gewinn für jeden, findet der Forstingenieur. »Mit dem Pflanzen eines Baumes habe ich die Möglichkeit, schöpferisch und kreativ in unser aller Leben einzugreifen. Ich optimiere den Wasserhaushalt, stabilisiere den Waldboden und tue damit etwas gegen die Erosion. Ich verbessere das Leben unzähliger Insekten- und Tierarten.«  

Schließlich dient der Wald nicht nur dem Menschen als Naherholungsziel, er bietet auch Lebensraum für viele Tiere. 62 verschiedene Baumarten wachsen in bayerischen Wäldern, darunter 18 seltene Arten wie Eisbeere oder Eibe. Der Wald ist Heimat für etwa 14 000 Tierarten und 6000 Pflanzenarten. Das soll auch so bleiben, findet Peter Naumann. Denn nur in seiner Vielfalt kann der Wald seinen gesamten Zauber entfalten.

Mehr Infos zum Wald in Bayern und dem Bergwaldprojekt gibt es hier.

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